Adoptivkind Michaela. Marie Louise Fischer

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Название Adoptivkind Michaela
Автор произведения Marie Louise Fischer
Жанр Книги для детей: прочее
Серия Michaela
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788711719572



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keine Zigaretten mehr.«

      »Ist auch besser so«, erwiderte der Vater rauh, und Michaela spürte, daß er unter der Grobheit seine eigene Erregung verbergen wollte.

      »Komm, gehen wir schlafen.«

      »Glaubst du, daß ich ein Auge zutun könnte?«

      »Natürlich kannst du. Du brauchst bloß zu wollen. Nimm von mir aus ein Schlafmittel.«

      »Ach, Erhard …!«

      Wieder Stille, eine Stille, die mit Gefühlen, die keinen Ausdruck fanden, gleichsam überladen war. Michaela richtete sich wieder auf, ihre Knie zitterten. Sie mußte sich an die Wand lehnen.

      »Ich begreife nicht, wie sie uns das antun konnte«, hörte sie ihren Vater sagen.

      »Das arme Kind!« Die Stimme der Mutter war kraftlos vor Qual.

      »Ich — mein Gott, wir — was haben wir falsch gemacht, Erhard?«

      »Wir — wir — immer wir! Warum suchst du die Schuld bei uns? Warum suchst du sie nicht dort, wo sie wirklich liegt? Wir haben alles für sie getan, was in unseren Kräften steht. Sie hat, was sie braucht, und noch mehr. Wenn trotzdem solche Sachen vorkommen, dann kannst du die Schuld doch nicht bei uns suchen! Dann ist das Kind einfach zu — na, sagen war — labil!«

      »Und wenn sie das ist, ist es ihre Schuld?«

      Nach einer kleinen Pause sagte der Vater: »Na ja, vielleicht hast du recht, wer kann schon für seine Veranlagung … Ich hätte damals eben nicht nachgeben sollen. Es war ein zu großes Risiko, sie anzunehmen.«

      »Glaubst du, bei einem eigenen Kind wäre das Risiko geringer?«

      »Vielleicht nicht. Aber dann weiß man doch wenigstens …«

      Er kam nicht mehr dazu, den Satz zu Ende zu sprechen. Michaela konnte es plötzlich nicht mehr ertragen. Ehe sie noch selbst wußte, was sie tat, hatte sie die Tür aufgerissen und war ins Zimmer gestürzt. Sie starrte die Eltern mit weit aufgerissenen Augen an.

      »Ich — ich bin nicht euer Kind?« stammelte sie.

      Isabella und Erhard Schneider starrten Michaela wortlos an. Dann löste sich Isabellas Verkrampfung.

      Sie sprang auf, eilte auf das Mädchen zu und schloß es zärtlich in ihre Arme.

      »Gott sei Dank, daß du wieder da bist, Liebling … Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht«, stammelte sie.

      Michaela fühlte die Tränen ihrer Mutter. Auch sie mußte plötzlich weinen. »Mutter«, flüsterte sie, »ist es wahr … Ich bin nicht euer Kind?«

      Isabella zog sie noch enger an sich. Sie wiegte sie leicht in den Armen, wie sie es früher immer getan hatte, wenn die kleine Michaela mit Kummer oder Schmerzen zu ihr gekommen war.

      Einen Augenblick lang schloß das Mädchen die Augen und gab sich ganz den sanften, beruhigenden Bewegungen hin. Sie hätte gern alles Trennende vergessen und sich in der mütterlichen Liebe geborgen gefühlt. Aber sie war kein Kind mehr, das man einlullen konnte. Sie mußte Klarheit haben.

      Mit einer heftigen Bewegung machte sie sich frei:

      »Mama, stimmt es wirklich …«

      Sofort unterbrach sie Erhard Schneider: »Ich habe hier Fragen zu stellen, Michaela.«

      »Bin ich nun euer Kind oder nicht?«

      »Natürlich bist du unser Kind — unser kleines Mädchen«, erwiderte Isabella rasch. »Spürst du das denn nicht?«

      »Aber ihr habt doch selbst gesagt …«

      »Wann?« fragte Erhard Schneider.

      Michaela errötete. »Eben. Bevor ich ins Zimmer kam …«

      »Du hast gelauscht?«

      »Ich habe es gehört.«

      »Dann passe das nächste Mal besser auf, wenn du schon an den Türen horchst.«

      »Aber ich habe mich nicht geirrt …«

      »Unsinn. Willst du etwa behaupten, daß wir dich belügen?« Michaela schwieg verwirrt.

      »Na also. Und jetzt möchte ich endlich wissen, wo du herkommst.«

      Michaela sah an ihrem kurzen Nachthemd hinunter. »Aus dem Bett.«

      »Willst du uns vielleicht weismachen, daß du den ganzen Abend friedlich geschlafen hast, während deine Mutter und ich vor Sorgen fast verrückt geworden sind?«

      »Nein.«

      »Wann bist du nach Hause gekommen?«

      »Ich weiß es nicht … Ich habe nicht auf die Uhr geschaut.«

      »Vielleicht kannst du uns wenigstens sagen, wie du ins Haus gekommen bist. Die Haustür ist nämlich seit Stunden verriegelt.«

      »Ich bin über das Spalier in mein Zimmer geklettert.«

      »Um Himmels willen, Kind — du hättest dir ja die Beine brechen können«, rief Isabella Schneider entsetzt.

      »Reg dich nicht auf, Isa«, sagte ihr Mann. »Du siehst, daß ihr nichts passiert ist. Wahrscheinlich hat sie diese Kletterpartie nicht zum erstenmal gemacht, oder?«

      Michaela warf trotzig ihr langes blondes Haar über die Schultern zurück. »Was hätte ich sonst tun sollen? Du sagst ja selbst, die Tür war verriegelt.«

      »Klingeln — zum Beispiel.«

      »Ich wollte euch nicht wecken.«

      »Hast du dir wirklich eingebildet, wir wären zu Bett gegangen, während du dich bis nach Mitternacht irgendwo in der Stadt herumtreibst?«

      »Ich habe mich nicht herumgetrieben.«

      »Nein? Wo warst du dann?«

      »Tanzen.«

      Erhard und Isabella Schneider wechselten einen Blick.

      »Mit wem?« fragte Isabella.

      Keine Antwort.

      Isabella blickte lange in das verstockte Gesicht ihrer Tochter.

      »Du weißt doch, daß wir es nur gut mit dir meinen.«

      Aber Michaela schwieg weiter.

      »Du packst sie ganz falsch an, Isa«, sagte Erhard Schneider wütend. »Ich habe dir schon tausendmal gesagt, daß du sie zu sehr verwöhnst. Jetzt hast du das Ergebnis … Ein verstocktes, verlogenes Kind, das sich nachts in Tanzlokalen herumtreibt.«

      Er zog das Schreiben von Michaelas Schuldirektor aus der Tasche. »Kennst du den Brief?«

      »Nein«, erwiderte Michaela leise.

      »Du weißt also nicht, daß dein Direktor uns geschrieben hat? Daß deine Versetzung gefährdet ist?«

      »Von dem Brief habe ich nichts gewußt. Aber der Direx hat mir natürlich schon gesagt, daß ich schlecht stehe.«

      »Und wie soll das nun weitergehen mit dir?«

      »Ich werde mich eben mehr anstrengen müssen.«

      »Schön, daß wir uns wenigstens in diesem Punkt verstehen … Warum bist du erst nach Mitternacht nach Hause gekommen?«

      »Ich wollte tanzen, Paps … Wozu habe ich es denn gelernt, wenn ich es nicht darf?«

      »Du kannst ja mit uns ausgehen.«

      »Wann? Und überhaupt — das ist doch nicht dasselbe.«

      »Immerhin hätten wir dich pünktlich nach Hause gebracht, wie es sich gehört. Mit wem warst du tanzen?«

      »Mit Greg.«

      »Das ist doch kein Name.«

      »Mit Gregor Hellmer. Er arbeitet in einer Bank.«

      »So