Adoptivkind Michaela. Marie Louise Fischer

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Название Adoptivkind Michaela
Автор произведения Marie Louise Fischer
Жанр Книги для детей: прочее
Серия Michaela
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788711719572



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du, was das für uns bedeutet? Ich bekomme zweitausend Rupien im Monat. Kaum die Hälfte werde ich dort unten verbrauchen können. Wenn ich zurückkomme, werde ich mir nicht mehr vorwerfen lassen müssen, daß ich von deinem Geld lebe.«

      »So hast du dir’s also gedacht«, zischte sie verächtlich. »Aber so einfach mache ich dir die Sache nicht! Du wirst diese Wohnung nicht verlassen, bevor …«

      »Bevor was?«

      Till Torsten zog die Kommodenschublade heraus und begann, seine Unterwäsche in den Koffer zu legen.

      »Bevor du mir nicht auf Heller und Pfennig zurückbezahlt hast, was du mir schuldest.«

      Er richtete sich auf und sah sie an. »Wieviel?« fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen, faßte in die Jacke und zog ein Bündel Hundertmarkscheine aus der Brieftasche. »Da, komm, bitte, bediene dich!« Ohne sie weiter zu beachten, packte er weiter.

      Sie starrte auf das Geld. »Du hast — du willst wirklich?«

      »Es tut mir leid, daß es so weit kommen mußte«, sagte er mit tragischem Unterton in der Stimme, »ich habe immer noch gehofft, daß du Vertrauen zu mir haben würdest.«

      »Aber ich habe doch Vertrauen zu dir, Kurt. Ich liebe dich! Das mußt du doch wissen.«

      »Nein. Du glaubst, daß ich —«

      »Kurt! Das ist doch nicht wahr! Ich habe das doch nur gesagt, um … Ich hatte gehofft, du würdest das Geld nicht haben. Du würdest bei mir bleiben!«

      »Du hältst mich für einen Lügner.«

      »Nein, Kurt, ganz bestimmt nicht. Wie kannst du das von mir nur denken? Mein Gott, daß du mich so wenig kennst!«

      »Bitte, nimm das Geld. Es tut mir leid, daß es so weit kommen mußte. Aber es war nicht meine Schuld. Nimm das Geld, und wir trennen uns wie gute Freunde. Für immer.«

      »Ich will dein Geld doch gar nicht … Behalte es! Ich will es nicht! Ich brauche es nicht!«

      Er sah sie mit einem Blick an, der sie erzittern ließ. »Nimm!« sagte er. »Es ist zu spät.«

      »Nein! Nein, Kurt, das darfst du nicht sagen! Bitte, bitte, nicht!«

      »Du hast die Probe nicht bestanden, du hast mir nicht geglaubt.«

      »Ich — aber, Kurt — verzeih mir! Bitte, bitte, verzeih mir!«

      Er seufzte abgrundtief. »Wenn ich dich nur nicht so sehr lieben würde …«

      »Kurt! Du liebst mich noch?« Sie warf sich in seine Arme, er zog sie sanft an sich. »Ich kann ohne dich nicht mehr leben«, sagte er. »Jetzt weiß ich es.«

      »Dann ist ja alles wieder gut«, sagte sie, tief atmend.

      »Ja, Liebes!«

      »Und du kommst wieder?«

      »Ganz bestimmt.«

      »Wirst du mir auch schreiben?«

      »Natürlich.«

      »Oh, Kurt, ich bin ja so froh … Soll ich dir schnell noch eine Tasse Kaffee machen?«

      »Ich fürchte, dazu ist es zu spät. Bitte, sei lieb und bestelle mir ganz rasch ein Taxi, ja?«

      Als sie aus dem Zimmer war, strich er mit einem selbstgefälligen Lächeln das Geld wieder ein …

      Zwanzig Minuten später betrat er, gefolgt von einem Taxichauffeur, der seinen schweren schweinsledernen Koffer trug, die Hotelpension »Elite« am Maximilianplatz.

      Der Ausweis, den er dem Nachtportier zur Eintragung ins Fremdenbuch vorlegte, lautete auf den Namen Joachim Brauner, Beruf: Exportkaufmann, Geburtsort: Augsburg, Alter: vierzig Jahre.

      Daß er gefälscht war, wußte nur Till Torsten.

      II.

      Die Schneidersche Villa war vom Mondlicht fahlweiß, fast taghell beleuchtet, als Michaela und Gregor in die kleine Seitenstraße in Bogenhausen einbogen. Trotzdem sah Michaela sofort, daß im Wohnzimmer noch Licht brannte.

      »Verflixt«, murmelte sie und kramte in ihrer Handtasche.

      »Was ist? Schlüssel vergessen?« fragte Gregor.

      »Ach wo. Aber«, sie machte eine Handbewegung zum Wohnzimmerfenster, »sie sind schon zu Hause.«

      »Und nun?«

      Sie legte ihm den Finger auf den Mund. »Pst … Ich werde mich ’reinschleichen müssen!«

      Wortlos und so leise wie möglich durchschritten sie den Vorgarten und traten unter das Vordach der Haustür. Michaela steckte den Schlüssel ins Schloß, drehte ihn sachte um — die Tür gab nicht nach. »Zugeriegelt«, sagte sie verblüfft.

      »Auwei!«

      »Komm«, flüsterte sie und zog ihn an der Hand hinter das Haus.

      »Was willst du machen?«

      »Ich muß da ’rauf«, sagte sie, mit einer Kopfbewegung zum Spalier hin, und bückte sich schon, um ihre schmalen, halbhohen Pumps abzustreifen.

      Er schaute unbehaglich die Hauswand hinauf. »Bist du sicher, daß ein Fenster offen ist?«

      »Na klar. In meinem Zimmer immer.« Sie rollte sich mit geschickten Händen die Strümpfe herunter, stopfte sie in ihre Handtasche. »Meinst du, daß du mir das hinaufwerfen kannst …«

      »Gib her, ich werde es versuchen.«

      Sie küßte ihn rasch auf die Nasenspitze, dann wandte sie sich ab und begann, gewandt wie eine Katze, das Spalier hinaufzuklettern. Gregor wurde es klar, daß sie nicht zum erstenmal auf diesem Weg ins Haus gelangte. Das morsche Holz knackte ein bißchen, unwillkürlich trat er einen Schritt vor und breitete die Arme aus, um sie aufzufangen, aber es war nicht nötig.

      Sie hatte sich schon zum Fenster hineingeschwungen. Jetzt öffnete sie beide Flügel weit und winkte ihm zu. Er trat einen Schritt zurück, zielte genau, dann flog die Handtasche mit Schwung durchs Fenster. Der erste Pumps folgte, der zweite war zu tief geworfen, er prallte von der Mauer ab und fiel auf den hartgefrorenen Boden. Es gab einen kleinen Lärm, beide erschraken.

      Dann, als nichts geschah, löste sich ihre Aufregung in unterdrücktes Gelächter. Beim zweiten Wurf klappte es. Michaela beugte sich weit vor, sandte Gregor eine Kußhand zu, bevor sie das Fenster schloß. Er wartete, bis ein gedämpfter Lichtschein durch die zugezogenen Vorhänge fiel, dann wandte er sich ab und verschwand mit raschen Schritten.

      Wenige Minuten später lag Michaela im Bett. Sie hatte ihr Kopfkissen zusammengerollt und hielt es fast zärtlich an sich gepreßt. Um ihren vollen, kindlichen Mund spielte ein Lächeln. Sie war müde und ganz wunschlos.

      Plötzlich durchfuhr sie ein Gedanke. Im selben Moment war sie wieder hellwach und richtete sich steil im Bett auf. Wenn die Eltern nun gemerkt hatten, daß sie nicht zu Hause gewesen war? Wenn sie auf sie warteten?

      Michaela überlegte eine Sekunde, dann kletterte sie aus dem Bett, öffnete behutsam die Zimmertür und schlich auf nackten Sohlen die schmal geschwungene Treppe hinunter.

      Aus dem Wohnzimmer kam kein Laut. Michaela preßte ihr Ohr an die Tür. Es war so still, daß sie glaubte, das zarte, unablässige Ticken der kleinen antiken Uhr vernehmen zu können. Sie warf einen Blick über die Schulter. Die vertraute Diele wirkte im fahlen Mondlicht, das durch einen breiten Spalt des Vorhanges fiel, kalt und ganz fremd. Eine Treppenstufe knackte.

      Michaelas Herz klopfte bis zum Hals. Am liebsten hätte sie sich umgedreht, wäre wieder hinaufgelaufen und hätte die Tür ihres Zimmers hinter sich abgeschlossen. Aber sie wußte, daß sie jetzt kein Auge zutun konnte, bevor sie nicht Gewißheit hatte.

      Vorsichtig ging sie in die Knie, versuchte durch das Schlüsselloch zu spähen. Drinnen brannte Licht. Sie sah den warmen Schein der Stehlampe, sah ein Stück von der Barockkommode, sah ihr