Adoptivkind Michaela. Marie Louise Fischer

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Название Adoptivkind Michaela
Автор произведения Marie Louise Fischer
Жанр Книги для детей: прочее
Серия Michaela
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788711719572



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was von Marihuana gehört?«

      »Gehört schon.«

      Der Kriminalbeamte schnupperte dem Rauch von Gregors Zigarette nach, dann sagte er: »Ihren Ausweis, bitte!«

      Gregor fuhr sich mit der Hand zur Brust, siedendheiß fiel ihm plötzlich ein, daß sein Ausweis in der Jacke war, die er Michaela mitgegeben hatte. »Verdammtes Pech.«

      »Ausweis wohl vergessen, was?«

      Gregor hatte sich schon wieder gefaßt. »Nicht doch, Herr Kommissar! Ich habe ihn im Mantel, drinnen!«

      »Na schön, dann holen Sie ihn. Sie werden ihn brauchen können.«

      Gregor ging zur Tür, sah sich noch einmal um. Der Kriminalbeamte stand versonnen da und stocherte mit der Fußspitze in einem Kohlenhaufen. »Wollen Sie nicht mitkommen, Herr Kommissar?«

      Der Kriminalbeamte blickte auf, Spott in den Augen. »Danke. Ich habe was Besseres zu tun.«

      Langsam ging Gregor durch den halbdunklen Gang zurück. Er überlegte fieberhaft. Durch die Toiletten konnte er nicht, dort würde bestimmt ein Beamter postiert sein. Es hatte gar keinen Zweck, es zu versuchen. Er mußte sich auf ein paar Stunden auf dem Polizeipräsidium gefaßt machen. Es würde einen furchtbaren Krach zu Hause geben. Aber das war nicht das Schlimmste. Wie sollte Michaela nach Hause kommen? Sie hatte ihre Handtasche auf dem Tisch liegen lassen, und in seiner Jacke war kein Geld. Sie würde sich eine Erkältung, wenn nicht noch Schlimmeres holen, wenn sie in ihrem dünnen Kleid, nur mit seiner Jacke darüber, zu Fuß den weiten Weg von Schwabing nach Bogenhausen machen mußte. Etwas anderes blieb ihr gar nicht übrig. Sie würde auf ihn warten, warten und warten und immer verzweifelter werden.

      Nein, das durfte nicht geschehen, irgendwie mußte er hier heraus. Er mußte es mit Frechheit versuchen.

      Als er in das Lokal zurückkam, stand einer der Kriminalbeamten noch immer auf der Treppe. Der andere ging von Tisch zu Tisch und prüfte die Ausweise. Die Musikbox spielte nicht mehr, und die Stille hatte etwas Unheimliches an sich. Die jungen Leute saßen und standen in dumpfem Schweigen.

      Gregor ging ruhig, nicht zu schnell und nicht zu langsam, zu seinem Tisch zurück, nahm Michaelas Mantel über den Arm, legte seinen Ulster darüber, steckte ihre kleine Handtasche ein und bahnte sich einen Weg zur Treppe. Der Kriminalbeamte, der dort stand, ein älterer Herr mit dem Ansatz eines Bauches, versuchte den ganzen Raum im Auge zu behalten und sah ihn erst, als er vor ihm stand.

      »Na?« fragte er.

      »Ich möchte nach Hause, Herr Kommissar!«

      »Ihren Ausweis, bitte!«

      »Den habe ich schon Ihrem Kollegen gezeigt — hinten im Heizungskeller!«

      »Na, dann zeigen Sie ihn mir eben noch mal!«

      In diesem Augenblick entstand ein Geräusch im Hintergrund des Lokals. Unwillkürlich blickte Gregor sich um. Er sah, daß ein breitschultriger junger Mann mit einem Affengesicht seinen Stuhl zurückgeschoben hatte und blitzschnell, statt seinen Ausweis zu zeigen, dem Beamten, der ihn kontrollieren wollte, die Faust unters Kinn schlug. Der Hieb hatte gesessen, der Kriminalbeamte brach stöhnend zusammen. Wie auf Kommando erhoben mehrere Burschen ihre Stühle und schlugen die Birne an der Decke aus. Der Kriminalbeamte neben Gregor zog seine Trillerpfeife und ließ einen schmerzhaft schrillen Pfiff ertönen. Gregor verlor keine Sekunde. Er raste an dem Beamten vorbei, die Treppe hinauf und ins Freie.

      Vor dem Eingang stand ein Funkstreifenwagen, der Fahrer, der den Pfiff gehört hatte, stieg aus und lief zum Eingang.

      »Rasch! Beeilen Sie sich!« rief Gregor ihm zu. »Da drinnen ist was fällig!« Dann ging er, nicht zu schnell und nicht zu langsam, die Straße hinunter und sah aufatmend die Neonbeleuchtung über dem »Studio fünfzehn«.

      Michaela wartete, wie verabredet, an der Garderobe auf ihn. Sie zitterte am ganzen Körper — nicht vor Kälte, denn hier drinnen war es warm genug, sondern vor Aufregung …

      »In deiner Tasche war —«

      »Schnauze!« sagte er grob.

      Sie verstummte sofort. Er zog seine Jacke an, half ihr in ihren Mantel, gab ihr die Handtasche und schlüpfte selbst in seinen Ulster.

      Der Garderobenfrau, einer grauhaarigen, kleinen Person, die laut zu zetern begann, daß ihre Garderobe kein Zufluchtsraum für Verbrecher wäre und daß sie mit der Polizei nichts zu tun haben wollte, schob er besänftigend ein Zweimarkstück hin.

      Dann traten sie zusammen ins Freie.

      Gregor nahm Michaelas kleine Hand und steckte sie zu sich in die Tasche seines Ulsters. »Tut mir leid, wenn ich grob zu dir war, Micky«, sagte er.

      »Versteh’ schon. Ich hätte gar nicht reden sollen. Aber — es war alles aufregend! Toll aufregend, was?«

      »Kann man wohl sagen.«

      »Wie hast du es bloß fertiggebracht …«

      »Dusel«, sagte er kurz. Dann lachte er. »Es hat manchmal doch was für sich, wenn man mit ’nem Spießer ausgeht, was?«

      »Greg — das hatte ich doch nicht so gemeint! Ich weiß doch, daß du dufte bist! Wirklich, du bist der tollste Bursche, den ich kenne. Eigentlich …« Sie stockte.

      »Na, was?«

      »Eigentlich ist es schade, daß du nicht mein Bruder bist!«

      Er blieb stehen und sah ihr lächelnd in die Augen. »Na, so schade ist das nun auch wieder nicht.« Er beugte sich zu ihr und küßte sie zärtlich auf den Mund. —

      Die Zeit verrann zäh wie Blei.

      Isabella und Erhard Schneider saßen in ihrem schweigenden Haus und warteten. Sie lauschten mit angespannter Aufmerksamkeit auf das Läuten der Türklingel — aber die Klingel blieb stumm. Draußen vor den Fenstern stand die Nacht, die kalte Winternacht, wie ein drohender Feind.

      Wo war Michaela?

      Isabella Schneider saß sehr gerade in einem der hochlehnigen Gobelinsessel, die schönen schlanken Hände um die geschnitzten Knäufe der Lehnen geklammert. Ihr ernstes Gesicht war blaß. Im gehämmerten Messingaschenbecher neben ihr häuften sich Zigarettenstummel.

      Erhard Schneider lief, die Hände auf dem Rücken, die Schultern vorgeschoben, im Zimmer auf und ab. Die antike kleine Uhr auf der Barockkommode zeigte mit silberhellen Schlägen die zwölfte Stunde an.

      »Zwölf Uhr!« sagte Erhard Schneider. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Zwölf Uhr vorbei … Es ist unglaublich.« Isabella schwieg.

      »Ich habe gesagt, daß es zwölf Uhr vorbei ist!« wiederholte er gereizt.

      »Meinst du, daß ich es ändern kann?«

      »Ich muß etwas tun, sonst werde ich noch wahnsinnig.«

      Isabella saß schweigend.

      »Nun red doch schon! Sag etwas!« fuhr er sie an.

      Sie atmete schwer. »Ruf die Polizei an, Erhard … Das habe ich dir schon vor einer Stunde gesagt.«

      »Ausgeschlossen. Ich mache mich doch nicht lächerlich. Die Polizei kann in einem solchen Fall überhaupt nicht helfen.«

      »Wir würden eher Bescheid wissen«, sagte Isabella mit tonloser Stimme.

      »Was soll das heißen? Du wirst mir doch nicht weismachen wollen, daß sich das Kind etwas angetan hat. Warum auch? Warum?«

      »Hast du den Brief vergessen?«

      »Sie hat ihn ja gar nicht gesehen!«

      »Vielleicht doch.«

      »Na, und wenn schon! Sie bleibt sitzen. Was ist weiter dabei? Wegen so was braucht man doch nicht verrückt zu spielen.« Isabella schwieg wieder.

      »Warum antwortest du mir nicht, wenn ich mit dir rede?« brüllte er.

      »Weil