Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

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Название Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper
Автор произведения James Fenimore Cooper
Жанр Книги для детей: прочее
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Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788027209774



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neugierigen Zuschauer hatten endlich auch die Redseligkeit des Majordomo, der mit der Hälfte seiner Bekanntschaft auf gute Kameradschaft getrunken, erschöpft, und als Natty nicht länger in Bewegung war, und Billy Kirby, der als letzter am Fenster gewesen, um acht Uhr sich nach dem Templetoner ›Kaffeehaus‹ zurückgezogen hatte, erhob sich der alte Jäger noch einmal, um eine Decke vor die Öffnung zu hängen, worauf sich die Gefangenen zur Ruhe begaben.

      XXXV

       Inhaltsverzeichnis

      Um die Verfolger zu vermeiden,

       Drückt schwer der Sporn der Tiere Seiten

       Nicht umgeschaut, bis der Gefahr

       Wir viere ledig sind und bar!

      Hudibi

      Mit der eintretenden Dämmerung begannen die Geschworenen, die Zeugen und die übrigen Glieder des Gerichtshofs sich zu zerstreuen, und noch vor neun Uhr herrschte Ruhe im Dorf: die Straßen waren beinahe verödet. Um diese Stunde gingen Richter Temple und seine Tochter, denen Luise Grant in kurzer Entfernung folgte, unter dem leichten Schatten der jungen Pappeln langsam die Allee hinab, wobei sie sich folgendermaßen unterhielten:

      »Du kannst am besten sein verletztes Gemüt beruhigen«, sagte Marmaduke, »doch wird es immerhin gefährlich sein, die Natur seines Vergehens zu berühren, da die Heiligkeit der Gesetze beachtet werden muß.«

      »O Vater!« rief die ungeduldige Elisabeth, »unmöglich können Gesetze vollkommen sein, die einen Mann wie Lederstrumpf wegen eines Vergehens, das mir so verzeihlich erscheint, zu einer so strengen Strafe verdammen.«

      »Du redest, wie du es verstehst, Elisabeth«, versetzte ihr Vater. »Die Gesellschaft kann ohne einen heilsamen Zwang nicht bestehen, und ein solcher Zwang ist unmöglich zu handhaben, wenn die Personen derjenigen, die ihn ausüben, nicht geschützt und geachtet werden. Und wie sehr müßte es nicht meinem Ruf als Richter schaden, wenn man mir nachsagen könnte, ich hätte einen überwiesenen Verbrecher entschlüpfen lassen, weil er das Leben meines Kindes rettete?«

      »Ich sehe – ich erkenne die Schwierigkeit deiner Stellung, lieber Vater«, entgegnete die Tochter, »aber bei einem Vergehen, wie das des armen Natty war, kann ich den Vollstrecker des Gesetzes nicht von dem Menschen trennen.«

      »Du sprichst wie ein Weib, Kind. Es handelte sich nicht um den Angriff auf Hiram Doolittle, sondern um die Drohung, auf einen Konstabler zu schießen, der in der Vollziehung eines – –«

      »Gleichviel, ob es das eine oder das andere ist«, fiel ihm Miss Temple mit einer Logik ins Wort, die mehr vom Gefühl als vom Verstand bestimmt war, »ich kenne Nattys Unschuld, und in dieser Überzeugung muß ich alle, die ihn unterdrücken, für ungerecht halten.«

      »Sein Richter gehört auch dazu, – deinen Vater also gleichfalls, Elisabeth?«

      »Ach, Vater! stelle keine solchen Fragen an mich. Nenne mir lieber deinen Auftrag und laß mich eilen, ihn zu vollziehen!«

      Der Richter hielt einen Augenblick inne, lächelte seinem Kind zärtlich zu und ließ dann seine Hand auf ihre Schulter fallen, indem er entgegnete:

      »Du magst in manchen Stücken recht haben, Beß, aber dein Herz hat zuviel Einfluß auf deinen Verstand. Doch höre jetzt: in dieser Brieftasche sind zweihundert Dollar. Geh zu dem Gefangenen – du hast nichts dabei zu befürchten – gib dem Schließer diese Karte, und wenn du Bumppo siehst, so sage dem armen, alten Mann alles, was du willst. Laß die Gefühle deines warmen Herzens sprechen, aber vergiß nicht, Elisabeth, daß die Gesetze allein uns aus dem Zustand der Wildheit reißen konnten, – daß er sich eines Verbrechens schuldig gemacht hat, und daß sein Richter dein Vater ist.«

      Miss Temple erwiderte nichts, sondern drückte nur die Hand, welche die Brieftasche hielt, an ihre Brust, nahm sodann ihre Freundin beim Arm und ging mit ihr aus dem Tor auf die Hauptstraße des Dorfes.

      Als sie ihren Gang schweigend an der Häuserreihe, wo das abendliche Dunkel bereits ihre Gestalten verbarg, fortsetzten, hörten sie keinen weiteren Laut als den langsamen Tritt eines Jochs Ochsen nebst dem Rasseln eines Karrens, der sich in gleicher Richtung mit ihnen die Straße entlang bewegte. Die Umrisse des Treibers, der verdrossen an der Seite seines Viehs hinschlenderte, als sei er von der Arbeit des Tages ermüdet, ließen sich in den Schatten der Nacht kaum noch unterscheiden. An der Ecke, wo das Gefängnis stand, wurden die Damen für einen Augenblick durch die Ochsen aufgehalten, die nach der Seite des Gebäudes einbogen und ein Bund Heu, das sie geduldig an ihrem Halse trugen, als Belohnung für ihre Mühe erhielten. All dies war so natürlich und gewöhnlich, daß es Elisabeth nicht einfiel, einen zweiten Blick auf das Gespann zu werfen, bis sie den Treiber leise mit seinem Vieh sprechen hörte:

      »Gib acht, Schecke; gib acht, Alter, – willst du?«

      Wer in einem neuen Lande wohnt, ist mit der Sprache, die man gegen Ochsen braucht, zu bekannt, um eine solche Anrede nicht befremdend zu finden; aber es lag auch etwas in der Stimme, was Miss Temple auffiel. Als sie um die Ecke bog, mußte sie sich notwendig dem Mann nähern, und ihr scharfes Auge Heß sie in demselben Oliver Edwards unter der groben Hülle eines Ochsentreibers erkennen. Ihre Blicke begegneten sich in demselben Moment auch war ungeachtet der Dunkelheit und Elisabeths Mantel die Erkennung wechselseitig.

      »Miss Temple« – »Herr Edwards«, lautete es gleichzeitig, obgleich ein Gefühl, das beide zu teilen schienen, die Worte fast unhörbar machte.

      »Ist’s möglich«, rief Edwards nach einem Augenblick des Zweifels, »daß ich Sie in der Nähe des Gefängnisses sehe? Doch Sie gehen wohl in die Rektorei, ich bitte um Verzeihung. – Miss Grant, glaube ich? Ich hatte Sie anfangs nicht erkannt.«

      Der Seufzer, welcher Luise entfuhr, war so leise, daß er nur von Elisabeth gehört wurde, welche rasch erwiderte:

      »Wir sind nicht nur in der Nähe des Gefängnisses, Herr Edwards, sondern wünschen sogar hineinzugehen. Wir wollen Lederstrumpf zeigen, daß wir seine Dienste nicht vergessen haben und daß mein Vater, wenn er gerecht sein mußte, auch dankbar ist. Sie sind wohl zu einem ähnlichen Zweck hier, aber ich muß Sie bitten, daß Sie mir auf zehn Minuten den Vortritt erlauben. Gute Nacht, Sir, ich – ich – bedaure von Herzen, Herr Edwards, Sie zu einem solchen Geschäft erniedrigt zu sehen; aber gewiß, mein Vater würde – –«

      »Ich füge mich gerne Ihrem Wunsch, Fräulein«, fiel ihr der Jüngling kalt ins Wort. »Darf ich bitten, daß Sie meine Anwesenheit nicht erwähnen?«

      »Verlassen Sie sich darauf«, versetzte Elisabeth, indem sie die Verbeugung des jungen Mannes durch ein leichtes Kopfnicken erwiderte und die säumige Luise vorwärts drängte. Als sie jedoch in das Gebäude eingetreten waren, fand Luise Zeit zu flüstern:

      »Würde es nicht besser sein, einen Teil Ihres Geldes Oliver anzubieten? Die Hälfte davon reicht aus, Bumppos Strafe zu zahlen, – und er ist so wenig an Mangel und Anstrengungen gewöhnt. Ich bin überzeugt, mein Vater selbst würde einen großen Teil seines kleinen Einkommens darauf verwenden, ihm eine würdigere Stellung zu verschaffen.«

      Das unwillkürliche Lächeln, welches Elisabeths Züge überflog, trug zugleich den Ausdruck eines tiefen und herzlichen Mitleids. Sie erwiderte jedoch nichts, da das Erscheinen des Schließers die Gedanken beider Mädchen dem Zweck ihres Besuches zuwandte.

      Man nahm es in dem neuen Lande mit den Formen nicht sehr genau, und da es bekannt war, daß der alte Jäger den Damen das Leben gerettet hatte, weshalb sie wohl eine besondere Teilnahme für den Gefangenen hegen mußten, fand der Schließer an dem Gesuch, in das Gefängnis eingelassen zu werden, nichts Befremdendes, wie denn auch schon Richter Temples Karte jeden Einwurf, wenn ein solcher hätte versucht werden sollen, zum Schweigen gebracht haben würde; er ging daher ohne Zögern nach dem Gelaß der Gefangenen voran Sobald der Schlüssel ins Schloß gesteckt wurde, ließ Benjamins rauhe Stimme die Frage vernehmen:

      »Oho!