HOUSE OF RAIN. Greg F. Gifune

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Название HOUSE OF RAIN
Автор произведения Greg F. Gifune
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958350816



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sich breitbeinig über den hingefallenen Mann stellt und auf ihn draufpinkelt. Zwei Frauen um die dreißig tauchen plötzlich aus dem Park auf der anderen Straßenseite auf. Eine von ihnen spricht in ihr Handy, während die andere die Arme schwenkt und die Jungs anschreit, als ob sie ihnen damit Angst einjagen könnte. Stattdessen lachen sie und einer von ihnen springt mit gespielter Aggressivität auf sie zu. Sie hält inne und stolpert rückwärts auf die Straße, wo sie fast von einem Bully angefahren wird, der einen Schlenker macht, laut hupt und schnell davonfährt. Die Frau am Handy verkündet so laut sie kann, dass sie die Polizei angerufen hat und dass sie unterwegs ist. Einer der Jungs schlägt ihr das Telefon aus der Hand. Ein anderer kommt von hinten auf sie zu und greift ihr an den Hintern. Sie wirbelt herum, um ihn zu ohrfeigen, aber er ist schon zu seinen Freunden zurückgestolpert, die alle lachen. Zwei Männer kommen dazu, einer jung, der andere mittleren Alters. Sie treten dazwischen und beschützen den Obdachlosen, während sie sich gleichzeitig zwischen den Jungs und den beiden Frauen halten, von denen eine so wütend ist, dass sie davon abgehalten werden muss, die Teenager anzugreifen. Worte werden gewechselt, Drohungen ausgetauscht, und dann gehen die Jungs schließlich weiter. Als sich die beiden guten Samariter über den obdachlosen Mann beugen, tritt Gordon vom Fenster weg. Sein Herz schlägt wie ein Hammer in seiner Brust. Etwas benommen kehrt er für einen Moment zu seinem Sessel zurück. Die Augen schließt er nicht, da er weiß, was für Visionen und Erinnerungen sein Gehirn dann hervorzaubern würde. Sein High ist fast verflogen. Eine gottverdammte Wohngegend, denkt er. Es ist da draußen zu gefährlich, um mir eine elendige Torte kaufen zu können, wenn ich eine haben will. »Ich muss umziehen«, murmelt er. »Irgendwo hin, wo’s nicht so gefährlich ist.« Aber einen solchen Ort gibt es nicht. Nicht für Gordon. Dessen ist er sich bewusst. Katy hat die Stadt geliebt, aber ihn hat sie weder begeistert oder abgestoßen. Warum bleibt er dann hier? Warum ist er in diese Absteige gezogen, nachdem Katy gestorben war und er es sich nicht mehr leisten konnte, in einer anständigen Gegend zu bleiben? Wieso war er nicht fortgezogen, als er noch konnte? Es war ihm treulos vorgekommen. Er musste in der Stadt bleiben, an der Katy hing. Die Wahrheit war, dass er gehofft hatte, das Bleiben in der Stadt könnte sie für ihn weiterleben lassen. Er hatte sich geirrt. Unter seinem Fenster kann er noch mehr Tumult und Gerede hören. Hoffentlich ist ein Krankenwagen gekommen und dem armen alten Mann wird nun geholfen. Alter Mann. Verdammt, denkt er, das könnte ich da draußen auf dem Gehweg sein, voller Blut und Pisse und weiß Gott was noch. Aus der Ferne kommt ein seltsames Grollen. Gordon braucht einen Moment bis ihm klar wird, dass es Donner ist, was er hört. Er schaut zu den Fenstern. Regen beginnt zu fallen, klopft an die Scheiben und lässt die Welt hinter dem Glas langsam verschwimmen. Katy, bist du das?Als sei es eine Antwort, strömt der Regen heftiger herunter. Oder bildete er sich das nur ein? Sag mir, was ich machen soll, Sweetheart, ich – ich weiß nicht mehr, was ich machen soll, ich … ich bin so einsam, Katy, ich … ich bin ohne dich verloren … ohne dich verdammt …Er verabscheut seine Schwäche. Schlimmer noch, Katy hätte das auch nicht sonderlich gemocht. Sie war der wärmste, mitfühlendste, geduldigste und verständnisvollste Mensch, den Gordon je gekannt hatte, aber sie war zugleich so stark und nüchtern gewesen, so praktisch veranlagt. Selbst wenn sie ihm nicht hätte helfen können, wäre sie immerhin in der Lage gewesen, ihn zu beruhigen und die Angst zu verscheuchen – wenn auch nur für kurze Zeit. Das Telefon klingelt und erschreckt ihn. Er nimmt es vom Beistelltisch. In seinem kleinen Finger pocht die Arthritis, weil er vorhin so stark die Fäuste geballt hat. »Hallo?« »Hallo, spreche ich mit Mr. Cole?«, fragt ein Mann mit starkem indischen Akzent. »Ja, hier spricht Gordon Cole.« »Guten Morgen, Mr. Cole, mein Name ist Andrew und ich rufe Sie heute im Auftrag der American Eagle Vitamin Company an. Ich würde Sie sehr gern über unsere extra für Senioren entwickelten Multivitamintabletten informieren, die ich Ihnen als einmaliges Sonderangebot anbieten kann. Wir können sie direkt bis an Ihre Haustür liefern, und wenn Sie heute davon Gebrauch machen und mit einer der großen Kreditkarten zahlen, Mr. Cole, kann ich Ihnen anbieten, keine Versandgebühren zahlen zu müssen und dazu noch umsonst ein ganz besonderes Geschenk …« Gordon will keine Vitamine und hat nicht vor, sich welche zu kaufen. Aber er lässt Andrew weiterreden. Als er fertig ist, stellt er sogar ein paar Fragen, behält ihn so lange wie möglich am Telefon und tut so, als ob Andrew ein Freund ist, der ihn nur zum Reden angerufen hat. Es hilft ihm, den Obdachlosen zu vergessen. Es hilft ihm, alles zu vergessen. Als Andrew schließlich merkt, auf was er sich da eingelassen hat, beendet er das Gespräch. Gordon legt auf. Er wirft einen Blick auf die leere Pfeife und seufzt. Der Regen fällt weiter. Ich werde rausgehen, denkt er. Ich werde raus in den Regen gehen. Ich kann hier nicht länger bleiben. Nicht in der Wohnung und nicht in dieser Stadt. Vielleicht auch nicht in dieser Welt. Ich werde rausgehen und nicht wiederkommen; niemals. Aber langsam fallen ihm die Augen zu, und bevor er es merkt, ist Gordon fest eingeschlafen.

      ZWEI

      Es ist kein Traum. Dies passiert tatsächlich. Egal wie sehr Gordon es sich wünscht, er kann sich nicht zum Aufwachen zwingen, da er nicht schläft.

      Im Regen wirkt die Stadt, als würde sie um ihn herum schmelzen. Ein flüssiger Himmel beherrscht verzerrte Spiegelbilder in einer dreckigen Pfütze, wellt und bewegt sich, wie es nur etwas Lebendiges kann. Etwas Lebendiges, das Schmerz empfinden kann, etwas Oberflächliches, das alles versteckt, was in tieferem, dunklerem Wasser lebt und sich verschwört. Und eine vorzeitige nachmittägliche Dunkelheit beginnt durch den Regen zu wirbeln; schwarzes Blut aus Wunden, die niemals heilen werden.

       Mit an die Brust gedrücktem Kinn hastet Gordon so schnell er kann durch den Regenschauer, die Hände in den Taschen seines Regenmantels versenkt. Andere eilen mit ihren Aktentaschen und Einkaufstüten, Zeitungen und Regenschirmen, elektronischen Kinkerlitzchen und Designerhandys ebenso umher. Affen mit Make-up und hochhackigen Schuhen, Anzügen und Vatertagkrawatten, die auf der Suche nach Schutz über die Betonebene laufen, Schutz in Höhlen und Bäumen aus Stahl und Plastik, Eisen und Ziegeln finden; Käfige mit falscher Sicherheit in einer Welt von Urangst und herrlicher Verrücktheit. Schmerz und Freude, Horror und Schönheit sind für alle zu sehen versteckt. Ein Kaiserreich des Chaos …

       Dort, im Regen.

       In Richtung einer Seitengasse überquert Gordon mit seinen erwachenden Dämonen die Straße, die ihm nach langem Schlaf hinterherstolpern. Seine Schuhe platschen durch Pfützen. Er ist außer Atem – er kann sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal so weit gegangen ist, ohne zwischendurch anzuhalten. Seine Beine tun weh und sein Rücken schmerzt. Dieses nasse Wetter macht es nur noch schlimmer. Jedes Gelenk schmerzt in feuchtem oder kaltem Wetter, und jetzt ist es beides, aber er ist entschlossen, sein Ziel ohne Unterbrechung zu erreichen.

       Die Straße ist schmal und ihr nasser Asphalt reflektiert die dunklen und trostlosen Gebäude, die beide Seiten säumen und wie Phantome über ihm aufragen. Vor seinem inneren Auge blitzen Visionen auf, aber er ignoriert sie. Er muss sie ignorieren, sonst gewinnen sie an Macht. Er eilt zu einer Markise über der Eingangstür einer kleinen Bar hinüber, die zwischen ein abrissreifes dreistöckiges Wohnhaus und einen Pfandladen geklemmt ist.

       Drinnen empfängt ihn eine Welle heißer Luft. Sie mindert sein Frösteln, aber kalt ist ihm immer noch und seine Hände sind wie Eis.

       Verdammter Kreislauf. Jeden Tag funktioniert sein Körper langsamer, verrät ihn etwas mehr. Selbst sein Blut stirbt ab, gerinnt wie Sirup in seinen Venen. Er stirbt einen langsamen Tod, einen endlosen Fall in die sich verstärkende Dunkelheit. Er schüttelt die Tropfen vom Regenmantel, nimmt den Hut ab und wartet, dass sich seine Augen an die trübe Belichtung gewöhnen. Er ist schon mal hier gewesen, aber nicht in den letzten Monaten. Den Bartender erkennt er nicht, der muss neu sein – ein Typ um die dreißig in Sweatshirt und Jeans, kräftig gebaut mit rasiertem Kopf und Diamantenohrstechern, die zu groß sind, um echt zu sein, in beiden Ohren.

      »Ist wohl noch gut am Regnen draußen, was?«, fragt der Bartender mit einem breiten Lächeln.

       Statt eine solch dämliche Frage zu beantworten, bestellt Gordon sich lieber einen Kaffee. Fenster gibt es hier nicht, und das einzige Licht kommt von kleinen Kerzen, die in roten Gläsern die Bar entlang und auf jedem der Tische stehen, was allem, selbst den Schatten, einen drohenden, blutig glühenden Anstrich verleiht.

       Nachdem er seinen Kaffee bezahlt hat, geht Gordon an den Tisch, wo sein Freund sitzt. Er setzt die Tasse ab und zieht sich mit gesenktem Kopf