Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane. Felix Dahn

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Название Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane
Автор произведения Felix Dahn
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027222049



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      «Was bedeutet das?» fragte er. «Hebe die Lampe hierher, Alter. Welche Büste steht an meinem Platz?»

      «Vergib, o Herr! Das Postament des einen, da oben, von den ganz alten, muß ausgebessert werden. Ich mußte es abnehmen. Und da hob ich die Büste, damit sie einstweilen nicht zu Schaden komme, auf diesen leeren Sockel.»

      «Leuchte! Noch höher! Wer mag es sein?»

      Und Cethegus las auf der Büste die kurzen Worte:

      «Tarquinius Superbus, Tyrann von Rom, starb, wegen unerträglicher Gewalt von den Bürgern vertrieben, ferne der Stadt im Exil. Zur Warnung späterer Geschlechter.»

      Cethegus selbst hatte – in seiner Jugend – diese Inschrift verfaßt und unter die Büste setzen lassen.

      Rasch hob er nun den Marmorkopf herab und stellte ihn abseits nieder. «Fort mit dem Omen», sprach er.

      In ernster Vertiefung trat er in das Studiergemach.

      Helm, Schild und Schwert lehnte er an das Lager.

      Der Sklave entzündete die auf dem Schildpatt-Tisch stehende Lampe, brachte den Becher und das verlangte Buch und ging. Cethegus ergriff die Rolle.

      Aber er legte sie wieder weg.

      Die Erzwingung der Ruhe versagte ihm diesmal doch. Sie war zu unnatürlich. Auf dem römischen Forum tranken die Quiriten mit den Barbaren auf das Heil des Gotenkönigs, auf den Untergang des Präfekten von Rom, des princeps Senatus! In zwei Stunden wollte er den Versuch wagen, Rom den Germanen zu entreißen. Er konnte nicht die kurze Pause mit Wiederholung einer Lebensbeschreibung ausfüllen, die er halb auswendig wußte.

      Er trank heißdurstig Wasser aus dem Becher. Dann warf er sich auf das Lager. «War es ein Omen?» fragte er sich. «Aber es gibt kein Omen für den, der nicht daran glaubt. Ein Wahrzeichen nur gilt: für die Erde der Heimat zu kämpfen, sagt Homer. Freilich, Cethegus kämpft nicht nur für die Erde der Heimat. Er kämpft fast noch mehr für sich. Aber hat es nicht dieser Tag beschämend gezeigt? – Rom ist Cethegus: und Cethegus ist Rom. Nicht jene Namen-vergessenen Römer. Rom ist heute noch viel mehr Cethegus als – damals Rom Cäsar gewesen. War er nicht auch ein Tyrann im Sinne der Toren?»

      Und er sprang unruhig wieder auf und trat an die Kolossalstatue des großen Ahnherrn heran.

      «Göttlicher Julius, könnte ich beten: – heute würd’ ich beten – beten zu dir. Hilf, vollende deines Enkels Werk! Wie schwer, wie blutig, wie hart hab’ ich gerungen seit jenem Tage, da mir zuerst aus deinem Marmorhaupt der Gedanke der Erneuerung deines Rom entgegensprang: fertig, in Waffen klirrend, wie Pallas Athene aus dem Haupte des Zeus!

      Wie hab’ ich gekämpft mit dem Schwert und dem mehr ermüdenden Gedanken Tag und Nacht!

      Und war ich siebenmal zu Boden gerungen von der Übermacht zweier Völker, hab’ ich mich siebenmal wieder emporgerafft: unbezwungen und unverzagt! Vor einem Jahr schien mir das Ziel so nahe. Und jetzt, heute nacht, muß ich um die letzten Häuser Roms, um mein Haus, um mein Leben kämpfen mit diesem Knaben im blonden Haar. Wär’ es denkbar? Sollt’ ich erliegen müssen? Nach soviel Arbeit? Nach solchen Taten? Vor dem Glücksstern eines Jünglings? Soll es denn wirklich unmöglich sein, auch für deinen Enkel unerzwingbar, daß ein Mann sein Volk ersetze, bis er es erneuern, bis es sich selbst erneuern kann? Daß ein Mann der Barbaren-und der Griechen-Welt obsiege? Soll nicht Cethegus das Rad der Dinge erst halten und dann rückwärts rollen können? Muß ich erliegen, weil ich allein stehe, ein Feldherr ohne Heer, ein Mann ohne Volk an seiner Schulter? Soll ich weichen müssen aus deinem, aus meinem Rom? Ich kann es, ich will es nicht denken! Hat nicht auch dein Stern sich verdunkelt kurz vor Pharsalus? Und schwammst du nicht blutend, das Leben zu retten, unter hundert Pfeilen über den Nil? Und doch hast du’s vollbracht. Und zogst im Triumphe wieder ein in deinem Rom. Nicht schlimmer wird es mir, deinem Enkel, ergehen! Nein, ich werde mein Rom nicht verlieren. Nicht mein Haus, nicht dies dein göttergleiches Bild, das mir oft, wie den Christen ihres Kreuzes Anblick, Trost und Hoffnung gespendet.

      Und dem zum Wahrzeichen – bleibe dir anvertraut, was unter deinem Schild am sichersten geborgen: – wo auf Erden wäre Sicherheit, wenn nicht bei dir?

      Es war eine Stunde der Verzagtheit, da ich diese Geheimnisse und manchen Schatz Syphax zum Vergraben in der Erde anvertrauen wollte. Geht Rom, dies Haus, dies Heiligtum mir verloren, mögen auch diese Aufzeichnungen verloren sein.

      Und dann – wer wird die Geheimschrift entziffern?

      Nein, wie die Briefe, das Tagebuch, sollst du mir auch diese Schätze wahren.»

      Und er zog ein ziemlich großes Ledersäckchen, das er unter dem Panzer und der Tunika auf der Brust getragen, hervor. Kostbarste Perlen und edelste Edelsteine hatte er darin verborgen.

      Dann rührte er an die Feder an den linken Rippen der Statue, unterhalb des Schildrandes.

      Und er holte aus der schmalen Öffnung, die sich auftat, ein längliches Kästchen von Elfenbein mit kunstvoll geschnitzten Gestalten und mit goldenem Verschluß, das allerlei Aufzeichnungen in kleinen Papyrusrollen enthielt.

      Er legte das Säckchen in dies Kästchen.

      «Hier, großer Ahnherr: wahre mir Geheimnisse und Schätze. Bei wem sollten sie sicher sein, wenn nicht bei dir?» –

      Damit schloß er wieder die Klappe, welche nun nicht durch die schmalste Fuge eine Öffnung verriet. –

      «Unter deinem Schild! An deinem Herzen! Zum Pfande, daß ich dir vertraue und meinem cäsarischen Glück. – Daß ich nicht von dir, Rom, abzudrängen bin. – Wenigstens nicht auf die Dauer! Müßte ich selbst weichen, – ich kehre wieder. Und wer sucht meine Schätze und meine Geheimnisse bei dem toten Cäsar! Hüte sie mir.»

      Wäre das Wasser in dem Amethystkelch schwerster Wein gewesen, der Trunk hätte nicht berauschender erregen können als dieses ringende Gespräch: halb Selbstgespräch, halb Zwiegespräch mit der wie ein Dämon verehrten Statue.

      Die übermenschliche Anspannung aller Kräfte des Geistes und des Leibes in den letzten Wochen: das sieglose Ringen des heutigen Tages auf dem Forum: der sofort nach dem Erliegen neu gefaßte, fast verzweifelte Plan: die Spannung, mit der dessen Ausführung herbeigesehnt wurde, hatte in dem eisernen Mann die Erregung und zugleich die mühsam bekämpfte Erschöpfung aufs äußerste gesteigert. Er dachte, sprach und handelte wie im Fieber.

      Ermüdet warf er sich aufs Lager zu Füßen der Statue. Und fast im Augenblick befiel ihn Schlaf.

      Aber es war nicht der Schlaf, wie er ihn nach jeder Schuldtat, vor jeder drohenden Gefahr bisher gefunden: die Frucht seiner gewaltigen, allen Erregungen überlegenen Natur. Unruhig war dieser Schlaf. Qualvoll durch wechselnde Träume, die, hastig wie die Gedankenflucht des Fieberkranken, einander jagten. –

      Endlich kam Stete in die Gesichte des Träumenden.

      Er sah die Cäsarstatue, zu deren Füßen er lag, wachsen und wachsen. Immer höher ragte das majestätische Haupt. Schon hatte sie das Dach des Hauses durchdrungen.

      Das Haupt mit dem Lorbeerkranz verschwand jenseits des Nachtgewölks hoch in den Sternen.

      «Nimm mich mit dir!» bat Cethegus.

      Aber der Halbgott erwiderte: «Ich sehe dich kaum aus meiner Höhe. Du bist zu klein! Du kannst mir nicht nachfolgen.»

      Da schien dem Träumenden plötzlich krachend ein Donnerstreich das Dach des Hauses zu treffen.

      Und in schmetternden Schlägen fielen die Balken über ihm zusammen, unter den Trümmern dieses Gemaches ihn begrabend. Auch die Cäsarstatue schien zerschlagen zu stürzen.

      Noch immer hallten die Schläge: – auf sprang Cethegus und sah um sich.

      Elftes Kapitel

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