Название | Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane |
---|---|
Автор произведения | Felix Dahn |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027222049 |
«Ja, meine Freunde», sprach Belisar, «ihr müßt schon einiges hinzufügen in eurem Bericht. Denn die Wahrheit ist, daß mich der Kaiser ganz auf eigene Kraft angewiesen hat.» Einen Tag lang zeigte Belisar den beiden Boten Flotte, Lager und Heer. In der Nacht darauf waren sie verschwunden.
Es waren Thorismut und Aligern gewesen, die König Totila, der sie ausgesendet hatte, getreulich die gewünschte Auskunft hinterbrachten. Das war übel von Anfang an. Und auch der ganze Verlauf des Feldzuges entsprach nicht dem Ruhm des tapfern Feldherrn. Zwar gelang es, in die Hafenstadt von Ravenna einzulaufen und diese Stadt mit neuen Vorräten zu versehen.
Aber noch am Tage der Ankunft brach, in einem Anfall seines alten Leidens, Prinz Germanus an dem Sarkophage Mataswinthens zusammen. In den Gruftgewölben des Palastes, neben ihres jugendlichen Bruders, neben König Athalarichs Leiche, hatte man sie beigesetzt. Germanus starb: und er ward nach seinem letzten Wunsche bestattet an der schönen, nie erreichten Geliebten Seite.
Aber in einer kleinen unscheinbaren Nische der Gruft ruhte noch ein Herz, das treu für die Königin Schönhaar geschlagen. Aspa, die Numiderin, hatte die geliebte Herrin nicht überlebt. «In meiner Heimat», hatte sie gesagt, «springen die Dienerinnen der Sonnengöttin oft freiwillig in den Scheiterhaufen, drin die Gottheit versinkt. Auch Aspas Sonnengöttin, die schöne, schimmernde, gütevolle ist versunken. Aspa lebt nicht verlassen und in kaltem Dunkel fort. Aspa folgt ihrer Sonne nach.» Hügelhoch hatte sie stark duftende Blumen in der Gebieterin Totengemach – höher noch, als da derselbe kleine Raum zu ihrem Brautgemach gedient hatte – gehäuft und unbekannten Räucherstoff aus afrikanischem Harz entzündet, dessen betäubender Geruch die andern Sklavinnen verscheuchte. Sie aber blieb die Nacht über in dem engen Totengemach. Am andern Morgen stahl sich Syphax, gelockt durch den alt vertrauten, aber gefährlichen Duft, in Erinnerung heimischer Opferbräuche, leis heran. Er drang endlich in das wie ein Grab schweigende Gemach. – Zu den Füßen Mataswinthens, das Haupt unter Blumen vergraben, fand er ihre Antilope tot. «Sie starb», sprach er zu Cethegus, «ihrer Göttin nach. Nun hab’ ich nur noch dich auf Erden.»
Nach der Bestattung des Germanus brach Belisar mit der ganzen Flotte von Ravenna auf.
Aber gleich das nächste Unternehmen, ein Versuch, Pisaurum zu überfallen, scheiterte mit blutigen Verlusten.
Vielmehr ließ König Totila, nun über die geringe Truppenzahl Belisars unterrichtet, fast unter dessen Augen, durch kühne entsendete Streifscharen unter Wisand zu Lande, die einige Segel unterstützten, an eben jenem Küstenstrich Firmum wegnehmen. Die Byzantiner Herodian und Bonus übergaben an Graf Grippa das wichtige Spoletium, nach Ablauf der Frist von dreißig Tagen, binnen welcher sie noch Entsatz von Belisar gehofft. In Assisium befehligte Sisifried, ein gotischer Überläufer, der in den Tagen von Witichis’ Unstern sich Belisar angeschlossen hatte. Der Mann wußte, was ihm bevorstand, wenn er in Hildebrands Hände fiel, der ihn im Person belagerte: – der grimme Haß hatte den Alten von der Einschließung Ravennas zu dieser Aufgabe herangelockt. Der Gote verteidigte die Stadt hartnäckig. Aber als ihm bei einem Ausfall die Steinaxt des alten Waffenmeisters das Haupt zerschmettert hatte, zwangen die Bürger der Stadt die thrakische Besatzung zur Ergebung. Viele vornehme Italier, Glieder des alten Katakombenbundes, dreihundert illyrische Reiter und erlesene Leibwächter Belisars hatten die Besatzung gebildet. Grippa führte sie gefangen dem König zu.
Gleich darauf fiel Placentia, die letzte Stadt der Ämilia, die noch die sarazenische Besatzung für den Kaiser gehalten hatte: sie ergab sich dem Grafen Markja, der das kleine Belagerungsheer befehligte. In Bruttien aber ergab sich das feste Ruscia, der wichtige Hafenort für Thurii, dem kühnen Aligern.
Belisar verzweifelte nun daran, auf dem Landweg gegen Rom vorzudringen. Er versuchte jetzt, von der steigenden Not der Stadt vernehmend, ohne weiteren Verzug, Rom von der Seeseite her Entsatz zu bringen und die Einschließung durch die Gotenschiffe zu sprengen.
Aber auf der Höhe von Hydrunt, bei Umseglung der Südspitze Calabriens, zerstreute ein furchtbarer Sturm seine Schiffe: er selbst wurde mit einigen Trieren tief südlich, bis nach Sizilien, verschlagen. Und der größte Teil seiner Segel, der in der Bucht bei Croton Zuflucht gesucht, wurde hier von einem gotischen Geschwader, das der König von Rom entgegengeschickt und bei Squillacium in Hinterhalt gelegt hatte, überfallen und genommen – eine sehr bedeutende Verstärkung der gotischen Seemacht, die, wie wir sehen werden, dadurch in den Stand gesetzt wurde, bald die Byzantiner in ihren Inseln und Küstenstädten angreifend aufzusuchen.
Seit diesem Schlag war die von Anfang zu geringe Streitkraft Belisars völlig ohnmächtig. Alle Feldherrnkunst und Kühnheit vermochte nicht, die fehlenden Schiffe, Krieger, Rosse zu ersetzen. Die Hoffnung, daß sich Italien, wie bei dem ersten Feldzug, dem Feldherrn des Kaisers zuwenden werde, schlug völlig fehl. So mißlang das Unternehmen vollständig, wie uns Prokop in schonungslosen Worten überliefert hat. Auf die Bitten um Verstärkung antwortete der Kaiser gar nicht. Auf die dann dringend wiederholte Bitte Antoninens um Erlaubnis zur Rückkehr erwiderte die Kaiserin nur mit dem höhnischen Bescheid: man wage nicht, zum zweitenmal durch Abberufung den Helden in dem Laufe seiner Siege zu unterbrechen. So verbrachte Belisar bei Sizilien eine qualvolle Zeit der Tat-und Ratlosigkeit.
Achtes Kapitel
Inzwischen aber stieg in dem belagerten Rom die Not und die Erschöpfung der Bürger auf den höchsten Grad.
Der Hunger lichtete die ohnehin so dünne Besatzung der weiten Wälle. Umsonst tat der Präfekt sein Äußerstes. Umsonst griff er zu allen Mitteln, bald der Überredung, bald der Gewalt. Umsonst verschwendete er sein Gold, neue Lebensmittel in die Stadt zu schaffen. Denn bis auf die letzten Körner fast waren die Getreidevorräte aufgezehrt, die er aus Sizilien hatte kommen und auf dem Kapitole bergen lassen.
Unerhörte Belohnungen verhieß er jedem Schiff, dem es gelänge, sich mit Vorräten durch die Flotte des Königs zu stehlen, jedem Söldner, der es wagte, sich durch die Tore und die Zelte der Belagerer hinaus-und mit Mundvorrat zurückzuschleichen. Die Wachsamkeit Totilas war nicht zu täuschen. Anfangs hatten einzelne geldgierige Waghälse des Präfekten Lohn zur Nacht hinausgelockt. Als aber Graf Teja jeden Morgen darauf über die Wälle beim flaminischen Tor ihre Köpfe schleudern ließ, verging auch den Begehrlichsten die Lust.
Teuer wurde das Aas der gefallenen Maultiere verkauft. Um das Unkraut und die Brennesseln, die sie gierig aus den Schutthaufen rupften, schlugen sich die hungernden Weiber. Der Hunger hatte längst gelehrt, das Uneßbare gierig zu verschlingen. Und nicht mehr zu zählen waren die Überläufer, die aus den Häusern, von den Mauern zu den Goten eilten. Teja zwar wollte diese mit Speerrechen zurückgetrieben wissen in die Stadt, sie desto früher zum Fall zu bringen. Totila aber befahl, sie alle aufzunehmen, zu speisen und nur darüber fürsorglich zu wachen, daß sie nicht durch plötzliche, maßlose Befriedigung des maßlosen Heißhungers, wie anfangs oft geschehen war, dem Tode verfielen.
Cethegus verbrachte nun jede Nacht auf den Wällen.
In wechselnden Stunden beging er selbst, mit Speer und Schild, musternd die Wachen, auch wohl eine Schildwache ablösend, der Schlaf und Hunger den Lanzenschaft aus der Hand zu lösen drohten. Solch Beispiel wirkte dann freilich wieder eine Weile ermannend auf die Tüchtigen: begeistert standen auch jetzt die Licinier, Piso und Salvius Julianus zu dem Präfekten und die blind ergebenen Isaurier.
Nicht aber alle Römer: so nicht Balbus, der Schlemmer.
«Nein, Piso», sagte dieser einst, «ich halte es nicht länger mehr aus. Es ist nicht