Das Buch der Geheimnisse. Franz Fassbind

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Название Das Buch der Geheimnisse
Автор произведения Franz Fassbind
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788711757208



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      „Das ist nicht so einfach. Vater muß Arbeit suchen. Während er Arbeit sucht, kann er nicht beten, weil er mit anderen Leuten sprechen muß. Während er nun mit den anderen Leuten spricht, kann beispielsweise der Pfarrer oder ich den lieben Gott bitten, er möge Vater eine neue Stelle verschaffen.“

      Ich dachte einige Sekunden angestrengt nach. Dann fragte ich: „Bin ich ein Ungläubiger?“

      Meine Mutter meinte: „Du hast früher, als du noch fromm warst, oft die Messe gelesen. Aber du bist noch kein Ungläubiger, weil du die Messe nicht mehr liest.“

      Diese Antwort befriedigte mich nicht. Also fragte ich: „Bin ich ein Trunkenbold?“

      Jetzt lachte meine Mutter: „Was soll das bedeuten?“

      Sie hatte die Geschichte von der verlorenen Hand der Gottesmutter schon vergessen.

      „Eines ist sicher!“ fuhr ich weiter. „Ich habe den Stecker aus der Dose gezogen. Ich weiß, wie man eine Dame behandelt. “

      „Ja, das weißt du! “ rief meine Mutter, und ihre Augen leuchteten.

      „Aber, ich bin ein Lügner. Ich habe damals, als wir hier einzogen, die Gottesmutter in die Wohnung hinaufgetragen. Ich habe ihr die rechte Hand abgeschlagen. Die Arbeiter sind keine Ungläubigen. Sie sind keine Trunkenbolde. Sie wissen, wie man eine Dame behandelt.“

      „Mein Gott!“ rief meine Mutter, „Was haben diese alten Geschichten mit deinem Brüderchen oder Schwesterchen zu tun?“

      „Sehr viel! “ behauptete ich ernst. „Verzeihst du mir, Mutter?“

      „Ich verzeihe dir. “

      „Gut! Jetzt, wo du mir verziehen hast, geht es. Ich werde direkt mit dem lieben Gott sprechen.“

      „Das ist wohl das beste, was du tun kannst“, entgegnete meine Mutter, und ihre Worte klangen wie ein Seufzer.

      Nur für Erwachsene

      Meine Mutter glaubte jetzt wahrscheinlich, ich wolle mit dem lieben Gott über die Sorgen sprechen, welche die bevorstehende Ankunft eines Brüderchens oder Schwesterchens meinem Vater bereiten mußte. So ein Brüderchen oder Schwesterchen will schließlich gelebt haben. Nun leben ja die Sperlinge auch, und sie leben, das hat uns der liebe Gott persönlich gesagt, ohne Sorgen, weshalb sie auch keinen Pfarrer brauchen, mit dem sie darüber sprechen müssen. Nur die Menschen machen sich Sorgen, und das kommt einfach daher, weil sie mit dem freien Willen, den ihnen der liebe Gott ebenfalls persönlich gegeben hat, vorläufig nichts Besseres anzufangen verstehen. Eines muß man allerdings sagen: heute bereiten sich die Menschen besonders ausgeklügelte Sorgen. Die Menschen haben sich das Leben nämlich so kostspielig und so schön eingerichtet, daß sie aus lauter Angst, sie könnten die kostspielige Einrichtung ihres schönen Lebens unversehens zerstören, kaum mehr richtig zu leben wagen. Statt einfach keine Angst mehr zu haben, in die Wiesen zu liegen und in die Wolken zu blinzeln, kaufen sie sich ein Bild mit einer Wiese, auf der ein Bub oder ein Mädchen liegt. Der Bub oder das Mädchen hält die Arme unter dem Kopf verschränkt und blinzelt in die Wolken. Dieses Bild hängen sie in die gute Stube, also in jene Stube, die niemand, vor allem kein Kind, betreten darf, weil das Kind seine Eltern sonst fragen könnte: „Wieviel hat dieses Bild gekostet? Wir könnten uns doch selber in die Wiese legen. Das käme billiger.“

      Statt nun aber in der weniger guten Stube mit den Kindern zu spielen oder zu singen, besuchen die Eltern dieser Kinder ein Theater oder einen Film. In diesem Theaterstück oder in diesem Film spielt oder singt ein Vater oder eine Mutter mit ihren Kindern. Es ist ganz begreiflich, daß bei uns einige halbschlaue Leute finden, Kinder sollten sich derartige Filme nicht ansehen. Sie hängen dann eine Tafel an den Kinoeingang. Auf der Tafel steht: ,Nur für Erwachsene.‘ Diese halbschlauen Leute fürchten mit Recht, ihre Kinder könnten sie fragen: „Wieviel kostet der Eintritt in dieses Theater, in dieses Kino? Wir könnten doch selber spielen und singen. Das käme billiger.“ Man sieht: die Menschen getrauen sich nur mehr auf Umwegen, sozusagen heimlich und verstohlen zu leben. Ich erzähle das nur so nebenbei, und ich könnte mich mit einem Hinweis auf mein hohes Alter und auf die Geschwätzigkeit bejahrter Leute für diese langweilige Predigt entschuldigen. Aber ich brauche mich gar nicht zu entschuldigen, denn die Tatsache, daß meine Mutter mit dem Pfarrer über Dinge sprach, die sie eigentlich mit mir besprechen sollte, gehörte ja auch zu den heimlichen und verstohlenen Umwegen, von denen ich vorhin berichtet habe. Auch meine Lüge wegen der verlorenen Hand der Gottesmutter gehörte ein wenig zu diesen Umwegen. Diese Umwege zählen natürlich nicht zu den großen, nicht zu den kleinen, sondern lediglich zu den kleinsten Geheimnissen. Die kleinsten Geheimnisse nennt man kurzerhand Dummheiten. Mit diesen Dummheiten verhält es sich wie mit den Tafeln an den Kinoeingängen. Auf den Tafeln steht: ,Nur für Erwachsene.‘

      Ich führte mich offenbar, obwohl ich es noch lange nicht mit Knorz aufnehmen konnte, in etwa auch schon wie die Erwachsenen auf.

      Damals wußte ich selbstverständlich nichts von alledem. Ich litt bloß und schmollte darum: „Eigentlich ist ja alles ganz einfach. Mit dem Vater kannst du nicht darüber sprechen, weil er Sorgen hat. Mit dem Pfarrer sprichst du darüber, weil du nicht weißt, wie man mir so etwas beibringt. Aber mit mir, dem du es beibringen solltest, mit mir sprichst du nicht darüber...“

      „Aber natürlich, mein Kind. Du brauchst mich ja bloß zu fragen!“

      Ich kehrte wortlos und entmutigt in die Stube zurück, kniete vor den blauen Wandschrank, starrte in den dunklen Schacht und schloß die Augen. Da war mir, als ob dort, wo sich in meinem Traum der silberne Kran erhoben hatte, ein Kind schwebte. Das Kind breitete die Arme nach mir aus. Ich griff mit beiden Händen danach, nahm es behutsam in meine Hände und küßte seine Stirn. Dann öffnete ich die Augen.

      In meinen Armen lag die zerbrochene Puppe.

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