Tollkirschen und Brombeereis. Franziska Dalinger

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Название Tollkirschen und Brombeereis
Автор произведения Franziska Dalinger
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783862567430



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rel="nofollow" href="#u623714a9-4144-44d0-bc8a-acaecc854a05">Kapitel 12.

       Kapitel 13.

       Kapitel 14.

       Kapitel 15.

       Kapitel 16.

       Kapitel 17.

       Kapitel 18.

       Kapitel 19.

       Kapitel 20.

       Kapitel 21.

       Kapitel 22.

       Brombeereis

       Über den Verlag

      In jeder Nacht kommt die Dunkelheit ein wenig näher. Sie ist leer und still. Ich kann fühlen, wie sie heranschleicht. Ein Tier.

      Die Dunkelheit ist ein Ungeheuer, das mich verschlingt. Sie ist ein Monster, das von mir lebt.

      Das Dunkle hat keinen Namen.

      Und wenn es einen hätte, wäre es nicht derselbe Name, den es am Tag trägt, im Sonnenlicht.

      Nachts verschwinden alle Wörter, alle Begriffe.

      Nachts bin ich allein.

      Und am Tag bin ich stumm.

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      1.

      Der Junge merkt nicht, dass er verfolgt wird. Er geht geradeaus, ohne sich umzudrehen, eine schwarze, ramponierte Sporttasche über der Schulter, in der sich garantiert keine Sportsachen befinden. Am Reißverschluss ist die Naht aufgeplatzt. Natürlich ist das Mädchen zu weit entfernt, um diese Einzelheiten zu erkennen, aber sie kennt die Tasche, als wäre es ihre eigene. Die drei kleinen Löcher am Boden, die den Jungen nicht kümmern. Das zerschlissene Innenfach, in dem das olivfarbene Portemonnaie seinen Platz hat; in diesem Portemonnaie steckt ein Foto. Früher jedenfalls. Ob er es aufbewahrt hat? Es manchmal heimlich ansieht? Alles würde sie dafür geben, das zu wissen. Wenn sie es nur schaffen könnte, sich die Tasche zu schnappen und einen Blick hineinzuwerfen! Dann wüsste sie, ob er das Foto behalten hat. Ob er noch an sie denkt.

      Dort, wo er hingeht, gibt es weder eine Halle noch einen Fußballplatz, und das Schwimmbad liegt in der anderen Richtung. Es ist ein heißer Tag im Juni, seine ausgefransten Bermudashorts erlauben den Blick auf sonnengebräunte, kräftige Waden. Das verwaschene blaue T-Shirt passt hervorragend zu seinen blonden Haaren und gibt den Blick auf muskulöse Schultern frei. Der Junge ist ein ganzes Stück gewachsen in den letzten Monaten; eins achtzig, bestimmt, und in letzter Zeit hat er viel Sport getrieben. Er ist gejoggt wie ein Verrückter, dabei hat ihn das vorher nie besonders interessiert. Es ist, als würde er vor etwas davonrennen, als würde etwas ihn antreiben, etwas Namenloses, eine Angst, ein seltsamer Schrecken, vielleicht ein Schmerz, der sich nicht in Worte fassen lässt, dem man nur beikommt, indem man rennt und rennt und rennt.

      Davonrennt.

      Vielleicht ahnt er ja doch, dass er verfolgt wird. Spürt ihre Blicke auf sich.

      Noch kann er ihr nicht davonfahren, doch bald wird er keine Mühe damit haben, sie abzuhängen. Im August wird er achtzehn, und er hat schon einige Fahrstunden gehabt. Sie weiß das, denn sie beobachtet ihn.

      Im Schatten. Hinter Baumstämmen und Hausecken. Manchmal steht sie nur da und sieht ihm nach, lange, wenn er längst schon verschwunden ist, als würde in der Luft noch ein Abbild von ihm stehen bleiben, eine flirrende Fata Morgana.

      Man muss unsichtbar sein. Schnell. Unauffällig tun, lässig. Sie sitzt auf dem Fahrradsattel, mit einem Fuß berührt sie den Boden, der andere ruht auf der Pedale. Sie tut so, als würde sie die Busfahrpläne an der Haltestelle studieren.

      Als der Junge um eine Ecke biegt und aus ihrem Sichtfeld verschwindet, stößt sie sich ab und fährt ihm nach. Nicht zu schnell, denn jetzt weiß sie endlich, wo er hinwill. Der Weg mündet in einen schmalen Fahrradweg ein, der sich durch das Wäldchen schlängelt. Dahinter liegt der Park. Das Beste daran ist der Teich, in dem sich Enten um Brotbrocken streiten; dass ein großes Schild darum bittet, aus Tierliebe nicht Essensabfälle zu verfüttern, stört hier niemanden. Bänke säumen den Weg, das Gras ist so kurz geschoren, dass es bei dieser Hitze braune Flecken bekommt, und ein paar große Bäume spenden denjenigen Schatten, die keine Hitze vertragen.

      Das Mädchen fährt langsam, um den Jungen mit der Tasche nicht einzuholen, radelt rückwärts, fährt Schlangenlinien. Der feine Kies auf dem Parkweg knirscht unter den Reifen.

      Bastians Clique hängt hier häufig ab. Ob er verabredet ist? Sie hofft es, denn er ist mit diesen Jungs befreundet, und wenn sie dazustößt und freundlich begrüßt wird, verabschiedet er sich vielleicht nicht sofort. Dann kann sie ihm in die Augen sehen, die blau wie der Himmel sind, und das Lächeln darin suchen.

      Früher war es da, selbst wenn es ihm nicht gut ging. Ein kleines Lächeln, nur für sie.

      Sie hat solche Angst, dass es für immer aus seinem Gesicht verschwunden ist, dass ihr für einen Moment die Luft wegbleibt.

      Nein, er ist allein. Im Park sind keine Jugendlichen, sondern nur ein paar Rentner belegen die Bänke. Eine junge Mutter mit Kinderwagen steht am Teich und zeigt ihrem Sprössling die erwartungsvoll heranschwimmenden Wasservögel. Das Kleinkind ballt die dicken Fäustchen, seine Arme sind prall wie winzige zu stark aufgeblasene Luftballons. Es stammelt, vor Aufregung läuft es rot an.

      »Da! Da! Gaga!«

      Die Frau lächelt stolz, als wäre sie dafür verantwortlich, dass heute ein Schwan dabei ist, dessen Federn die Sonne wie gleißender Schnee reflektieren. Sie nickt dem Mädchen mit dem Fahrrad zu.

      Das Mädchen versucht zurückzulächeln, aber das ist schwer. Ihr Herz hämmert gegen ihren Brustkorb. Da ist er. So nah. Seine Gegenwart hinterlässt einen Abdruck in der Luft, eine unsichtbare Spur. In dieser Spur zu gehen ist fast so, als könnte man ihn berühren.

      Der blonde Junge hat den Weg verlassen und sich unter einem der Bäume einen Platz gesucht, von dem aus er einen guten Blick über den Teich hat. Er holt ein Buch aus seiner Tasche. Liest er? Oder zeichnet er vielleicht wieder mal? Es ist lange her, dass sie ihn mit seiner Gitarre gesehen hat. Er spielt nicht mehr, oder wenn, dann heimlich bei sich zu Hause. Stöpsel verschwinden in seinen Ohren. Das ist gut. Dann bemerkt er sie nicht so schnell, wenn sie sich auf die Bank auf der anderen Seite des Teichs setzt, in den schwarzen Schatten.

      Das Leuchten des Schwans sticht ihr in die Augen.

      Sie starrt auf die funkelnde Wasseroberfläche. Natürlich hat sie auch ein Buch dabei, obwohl sie nicht vorhat, es zu lesen. Sie wird darin blättern und so tun als ob und das Gefühl genießen, in seiner Nähe zu sein.

      Mehr nicht.

      Mehr ist nicht nötig, um glücklich zu sein.

      Nachdem sie eine Weile die Nase ins Buch gesteckt hat, hebt sie den Kopf und erschrickt.

      Der