Die Eroberung von Plassans. Emile Zola

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Название Die Eroberung von Plassans
Автор произведения Emile Zola
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788726683301



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verstehen, ich bin nicht so dumm gewesen, sie auszufragen; da wäre sie abgezogen . . . Ohne es mir anmerken zu lassen, habe ich sie auf Dinge gebracht, die sie angehen könnten. Als der Pfarrer von Saint-Saturnin, dieser brave Herr Compan, vorbeigekommen ist, habe ich ihr gesagt, er sei sehr krank, er werde es nicht mehr lange machen, man könne ihn an der Kathedrale schwer ersetzen. Sie war ganz Ohr, versichere ich Ihnen. Sie hat mich sogar gefragt, was für eine Krankheit Herr Compan habe. Wie eben eines das andere gibt, habe ich dann zu ihr von unserem Bischof, von Monsignore Rousselot, gesprochen. Das ist ein sehr braver Mann. Sie wußte sein Alter nicht. Ich habe ihr gesagt, daß er sechzig Jahre alt ist, daß auch er recht weich ist und sich ein wenig an der Nasenspitze herumführen läßt. Man rede genug über Herrn Fenil, den Generalvikar, der im Bistum alles macht, was er will . . . Sie war gefesselt, die Alte; sie wäre da auf der Straße bis zum nächsten Morgen geblieben.“ Mouret machte eine verzweifelte Handbewegung.

      „In alledem sehe ich“, rief er, „daß du ganz alleine geredet hast . . . Aber sie, sie, was hat sie gesagt?“

      „Warten Sie doch, lassen Sie mich ausreden“, fuhr Rose seelenruhig fort. „Ich habe mein Ziel erreicht . . . Um sie dazu zu bringen, daß sie sich mir anvertraut, habe ich zu ihr schließlich von uns gesprochen. Ich habe gesagt, daß Sie Herr François Mouret seien, ein früherer Geschäftsmann aus Marseille, der es in fünfzehn Jahren verstanden habe, im Wein-, Öl- und Mandelhandel ein Vermögen zu erwerben. Ich habe hinzugefügt, Sie hätten es vorgezogen, Ihre Jahreszinsen in Plassans zu verzehren, einer ruhigen Stadt, in der die Eltern Ihrer Frau wohnen. Ich habe sogar ein Mittel gefunden, ihr beizubringen, daß Ihre Frau Ihre Cousine ist, daß Sie vierzig Jahre alt sind und Ihre Frau siebenunddreißig ist; daß Sie eine sehr gute Ehe führen; daß man Sie im übrigen nicht oft auf dem Cours Sauvaire trifft. Kurzum, Ihre ganze Geschichte . . . Sie hat sich sehr interessiert gezeigt. Sie antwortete, ohne sich zu beeilen, immer: ,Ja, ja‘. Wenn ich anhielt, nickte sie so mit dem Kopf, um mir zu sagen, daß sie höre, daß ich weiterreden könne . . . Und bis die Nacht hereinbrach, haben wir uns so, mit dem Rücken an der Hauswand, wie gute Freundinnen unterhalten.“ Von Zorn erfaßt, war Mouret aufgestanden.

      „Wie!“ schrie er. „Das ist alles! — Sie hat Sie eine Stunde lang schwatzen lassen, und sie hat Ihnen nichts gesagt!“

      „Sie hat, als es dunkel geworden war, zu mir gesagt: ,Die Luft wird kühl.‘ Und sie hat ihren Eimer genommen und ist wieder hinaufgegangen . . .“

      „Hören Sie, Sie sind ein Schaf! Diese Alte da würde zehn von Ihrer Sorte verkaufen. Na ja! Die können nun lachen, wo sie über uns alles wissen, was sie wissen wollten . . . Verstehen Sie, Rose, Sie sind ein Schaf!“

      Die alte Köchin war nicht gerade langmütig; sie begann ungestüm umherzulaufen, stieß die Pfannen und Töpfe durcheinander, drehte die Wischlappen zusammen und warf sie hin. „Wissen Sie, Herr Mouret“, stammelte sie, „wenn Sie in meine Küche gekommen sind, um mir Grobheiten zu sagen, war es nicht der Mühe wert. Da können Sie wieder gehen . . . Was ich getan habe, habe ich einzig und allein getan, um Sie zufriedenzustellen. Würde Ihre Frau uns hier zusammen finden und sehen, was wir machen, würde sie mit mir schimpfen; und sie hätte recht, denn das ist nicht gut . . . Schließlich konnte ich ihr die Worte nicht von den Lippen reißen, dieser Dame. Ich habe die Sache angepackt, wie sie jedermann anpackt. Ich habe geredet, ich habe Ihre Angelegenheiten erzählt. Da ist Ihnen eben nicht zu helfen, wenn die Dame ihre Angelegenheiten nicht erzählt hat. Fragen Sie sie doch danach, wenn Ihnen das so am Herzen liegt. Vielleicht sind Sie nicht so dumm wie ich, Herr Mouret . . .“ Sie hatte die Stimme erhoben.

      Mouret hielt es für klug, sich davonzustehlen, wobei er die Küchentür wieder zumachte, damit seine Frau nichts hörte.

      Aber Rose riß die Tür hinter seinem Rücken wieder auf und rief ihm in den Hausflur nach:

      „Daß Sie’s wissen, ich kümmere mich um nichts mehr; Sie können Ihre schmutzigen Aufträge geben, wem Sie wollen.“ Mouret war geschlagen. Er blieb über seine Niederlage verbittert. Aus Groll gefiel er sich darin zu sagen, diese Leute aus dem zweiten Stock seien sehr unbedeutende Leute. Nach und nach verbreitete er unter seinen Bekannten eine Meinung, die die Meinung der ganzen Stadt wurde. Abbé Faujas wurde als ein mittelloser Priester ohne jeden Ehrgeiz angesehen, der gänzlich außerhalb der Ränke der Diözese stehe; man glaubte, er schäme sich seiner Armut, weil er die schlechtesten Arbeiten an der Kathedrale annahm, sich so tief wie möglich in den Schatten drückte, wo er sich wohl zu fühlen schien. Eine einzige Neugier blieb, nämlich die, zu erfahren, warum er von Besançon nach Plassans gekommen war. Heikle Geschichten waren im Umlauf. Aber die Vermutungen erschienen gewagt. Mouret selbst, der seinen Mietern zum Zeitvertreib nachspioniert hatte, ganz so, als wenn er Karten oder Billard gespielt hätte, begann zu vergessen, daß er einen Priester bei sich beherbergte, als ein Ereignis sein Leben von neuem mit Beschlag belegte.

      Als er eines Nachmittags nach Hause ging, erblickte er vor sich Abbé Faujas, der die Rue Balande hinanstieg. Er verlangsamte den Schritt. Er musterte ihn in Ruhe. Seit einem Monat, solange der Priester in seinem Hause wohnte, war es das erste Mal, daß er ihn so am hellen Tag sah. Der Abbé trug noch immer seine alte Soutane; er schritt langsam dahin, seinen Dreispitz in der Hand, barhäuptig trotz des scharfen Windes. Die Straße, deren Steigung sehr steil ist, blieb menschenleer mit ihren großen kahlen Häusern, deren Fensterläden geschlossen waren. Mouret, der den Schritt beschleunigte, ging schließlich auf den Zehenspitzen, aus Angst, der Priester könne ihn hören und enteilen. Aber als sie sich Herrn Rastoils Haus näherten, ging eine Gruppe Menschen, die vom Place de la Sous-Préfecture herkam, in dieses Haus hinein. Abbé Faujas hatte einen kleinen‘ Umweg gemacht, um jenen Herren auszuweichen. Er sah zu, wie die Tür geschlossen wurde. Jäh stehenbleibend, wandte er sich dann zu seinem Hauswirt um, der auf ihn zukam.

      „Wie glücklich ich bin, Sie so zu treffen“, sagte er mit seiner großen Höflichkeit. „Ich hätte mir erlaubt, Sie heute abend zu stören . . . Am letzten Regentag haben sich an der Decke meines Zimmers Wasserflecke gebildet, die ich Ihnen zeigen möchte.“ Mouret stand vor ihm hingepflanzt und stammelte, daß er zu seiner Verfügung stehe. Und als sie zusammen nach Hause kamen, fragte er ihn schließlich, zu welcher Stunde er sich einfinden könne, um sich die Decke anzusehen.

      „Aber gleich jetzt, bitte“, antwortete der Abbé, „sofern Sie das nicht zu sehr stört.“

      Atemlos ging Mouret hinter ihm nach oben, während Rose, die starr vor Erstaunen war, ihnen auf der Küchenschwelle von Stufe zu Stufe nachblickte.

      KAPITEL IV

      Im zweiten Stock angelangt, war Mouret aufgeregter als ein Schüler, der zum erstenmal das Zimmer einer Frau betreten soll. Die unverhoffte Befriedigung eines lange unterdrückten Verlangens, die Hoffnung, ganz und gar ungewöhnliche Dinge zu sehen, benahmen ihm den Atem. Unterdessen hatte Abbé Faujas den Schlüssel, den er zwischen seinen großen Fingern verbarg, in das Schloß geschoben, ohne daß man das Geräusch des Eisens hörte. Die Tür drehte sich wie auf samtenen Angeln. Der Abbé trat zurück und forderte Mouret schweigend auf einzutreten.

      Die baumwollenen Vorhänge an den Fenstern waren so dicht, daß im Zimmer eine kreidige Blässe herrschte, das Zwielicht einer zugemauerten Zelle. Dieses Zimmer war über die Maßen groß, hatte eine hohe Decke, eine verschossene und saubere Tapete von ausgeblichenem Gelb. Mouret wagte sich vor, ging mit kleinen Schritten über den spiegelblanken Fliesenfußboden, dessen Kälte er unter seinen Schuhsohlen zu fühlen glaubte. Er blickte sich heimlich um, musterte das vorhanglose eiserne Bett, dessen Laken so glattgezogen waren, daß man es für eine in eine Ecke gestellte Bank aus weißem Stein gehalten hätte. Die Kommode, die verloren am anderen Ende des Raumes stand, ein kleiner Tisch in der Mitte vervollständigten mit zwei Stühlen, vor jedem Fenster einer, das Mobiliar. Kein Stück Papier auf dem Tisch, kein Gegenstand auf der Kommode, kein Kleidungsstück an den Wänden: das nackte Holz, der nackte Marmor, die nackte Wand. Nur über der Kommode durchschnitt eine große Christusfigur aus schwarzem Holz diese graue Nacktheit mit einem düsteren Kreuz.

      „Hier, mein Herr, kommen Sie hierher“, sagte der Abbé, „in dieser Ecke hat sich ein Fleck an der Decke gebildet.“

      Aber