Die Blaue Ritterin. Sarah Knausenberger

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Название Die Blaue Ritterin
Автор произведения Sarah Knausenberger
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783825162320



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hat dunkle Augen mit langen Wimpern und so. Und ha! Schon leichten Flaum auf der Oberlippe. Seine Haare sind immer raspelkurz rasiert. Gerade spielt er mit einem Stift rum, lässt ihn immer wieder über und unter seinen Fingern durchtanzen, rasend schnell …

      Mit Julius ist das so eine Sache. Als ich neu in die Klasse kam, hat er mich als Einziger angegrinst, und ich mochte ihn sofort. Leider heißt er mit Nachnahmen Knoblauch. Also, mich stört das natürlich nicht, aber als alle ihre Vor- und Nachnamen für mich aufsagen mussten, und er Julius Knoblauch sagte, da fingen alle an zu kichern, und Rieke neben mir flüsterte sehr laut: »Knoblauch, Stinkbauch!«

      Julius drehte sich um und schoss mir einen pfeilbösen Blick zu. Sicher dachte er, ich wäre das gewesen! Später, als ich auf dem Pausenhof rumstand, kam er mit Ossi an mir vorbei.

      »Wenn hier jemand stinkt, bist du das!«, zischte er, und Ossi lachte dreckig. Da hatte ich keine Lust mehr, ihm zu erklären, dass ich das gar nicht war mit dem Knoblauch-Witz.

      Ich wende mich wieder nach vorn. Eigentlich hat er mich schon lange nicht mehr geärgert. Außer vorgestern. Aber da hatte Ossi ihn ja auch angestachelt …

      Was, wenn Julius der Ranzenretter ist?

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      Kapitel 6

      Das Feuer prasselt. Ich sitze neben der Strahlenfrau am Kamin, sie strickt an einem Schal für mich. Er ist schon ganz lang, aber sie strickt immer weiter. Mi und Mo gesellen sich zu uns.

      »Blaue Ritterin!«, rufen sie. »Lass uns Bilder-Öffnen spielen!«

      Ich gucke zur Strahlenfrau hoch. »Geh nur«, sagt sie und lächelt. Wir fassen uns an den Händen und schlittern über den herrlich glatten Parkettboden hinüber zu den Wänden, an denen die Bilder hängen. Los geht’s.

      Mi und Mo sagen, dass nur ich es kann, und ich finde, es geht ganz einfach. Ich stelle mich vor ein Bild, schaue eine Weile auf eine bestimmte Stelle, und dann fängt es an. Manchmal ist es erst ein Blättchen an einem Zweig, das wackelt. Dann hebt das Pferd, das auf der Wiese gegrast hat, den Kopf und beginnt zu wiehern. Nach und nach beginnen alle Dinge und Figuren, sich zu bewegen und zu sprechen. Aber mich sehen sie nicht. Und ich muss ganz still sein. Sobald ich mich auch nur das kleinste bisschen bewege, hört es auf.

      Mi und Mo lieben dieses Spiel, und gerade hüpfen sie an den Wänden entlang, um sich ein neues Bild auszusuchen.

      »Dieses!«, rufen sie und bleiben vor dem Bild mit dem Hafen stehen. Ich stelle mich neben sie. Direkt vor uns liegen bunte Fischerboote, weiter hinten ankert ein Dreimaster. Auf den Fischerbooten sind Männer damit beschäftigt, schillernde Fische aus den Netzen in große Bottiche zu werfen. Es dauert nicht lange, da beginnen die Fische zu zappeln. Möwen flattern kreischend um die Fischer herum und Wasser platscht an die dicken Pfeiler des Steges. Mo hält sich die Nase zu, und es stimmt, ein strenger Fischgeruch breitet sich aus, hoffentlich stört er die Strahlenfrau nicht.

      »Schau mal, ob du auf dem großen Schiff dort hinten den Kapitän siehst«, bittet mich Mi. Ich kneife die Augen zusammen. Ein paar Matrosen sind an Deck beschäftigt. Sie tragen Hüte mit flatternden Bändern. Aber wo steckt wohl der Kapitän? Ich beobachte eine Tür in der Kabine ganz oben. Tatsächlich, sie öffnet sich und ein bärtiger Kopf schiebt sich heraus. Er pafft an einer Pfeife.

      »Das ist er!«, juchzen Mi und Mo. Ich blicke dem Rauch der Pfeife nach, der in kleinen Wölkchen nach oben steigt und sich dort verflüchtigt. Auf einmal verspüre ich den Drang, mich zu strecken. Auch ein Gähnen kann ich nicht unterdrücken. Sofort erstarrt das Bild.

      »Ohhh«, machen Mi und Mo enttäuscht.

      »Tut mir leid«, sage ich. »Aber ich möchte jetzt mal nach meinem Türmchen sehen.«

      »Natürlich!«, rufen sie sofort. »Wir zeigen dir den Weg.«

      »Wisst ihr was?«, sage ich. »Ich würde gern versuchen, das Türmchen selber zu finden. Schließlich werde ich ja auch bald Burgbewohnerin sein.«

      Die beiden wechseln einen Blick.

      »Gut«, sagt Mi. »Aber wir folgen dir. Wenn du dich verläufst, musst du nur nach uns rufen.«

      »Danke.«

      Die Tür ins Innere der Burg ist schwer. Ich brauche beide Hände, um sie zu öffnen. Endlich hab ich es geschafft. Dann folge ich dem Gang. Hier ging es die Treppen hoch, ich erinnere mich an den verschnörkelten Geländerknauf. Aber wie viele Stockwerke waren es? Muss ich hier schon in den Flur abbiegen oder erst noch etwas höher steigen? Ich biege ab. Vielleicht erkenne ich ja etwas wieder. Wie finster es ist. Dumm, dass ich keinen Kerzenleuchter mitgenommen habe. Ich taste mich an der Wand entlang, folge einem Lichtschimmer. Er kommt aus einem Raum am Ende des Flures, dessen Türe offensteht. Da ist er. Aber seltsam. Er ist ganz kahl. Nur ein goldener Fußhocker steht verloren herum, und an der Wand lehnen ein paar Gemälde.

      Ich gehe weiter und entdecke noch mehr solcher Räume. Wozu die wohl genutzt werden? Oder sind sie einfach übrig? Plötzlich stelle ich mir vor, wie es wäre, wenn die Kinder aus meiner Klasse hier wären. Man könnte herrlich Verstecken spielen. Oder Räuber und Gendarm! Womöglich würde Ossi seinen Fußball hier herumkicken … ach was. Niemand von ihnen wird je hierherkommen. Sie kennen ja das Geheimnis nicht. Und außerdem würden sie eh nicht mit mir spielen.

      Mittlerweile habe ich mich zurück getastet zu der breiten Treppe und steige noch ein Stockwerk weiter hoch. Ob ich nach Mi und Mo rufen soll? Nein, ich möchte mein Türmchen selber finden können. Und tatsächlich stehe ich plötzlich vor der Wendeltreppe mit dem blauen Geländer.

      Ich fliege die Stufen hinauf. Ja! Da ist mein kleines Paradies. Die Handwerker sind verschwunden. Aber das Himmelbett ist fertig! Das Mosaik noch nicht ganz, aber jemand hat weiter daran gearbeitet. Und ein blauer Sessel wurde ans Fenster gestellt. Ich lasse mich darauf fallen. Wie gemütlich er ist. Von draußen höre ich das liebliche Zwitschern der Vögel. Ich stelle mir vor, wie es wäre, jeden Abend hier hereinzukommen, mich umzukleiden und ins Himmelbett zu steigen. Die Strahlenfrau würde noch bei mir sitzen und mir gute Nacht sagen. Aber dann … dann würde sie gehen. Und ich wäre alleine hier, und unter mir wäre der finstere Gang mit den kahlen Räumen …

      Ich stehe auf und trete ans Fenster. Heute ist die Aussicht nicht ganz so schön wie beim letzten Mal. Der Himmel ist bedeckt, ich glaube, es nieselt sogar. Auf einmal beginne ich zu frieren. Gibt es hier einen Kamin? Ich sehe mich um. Doch, da hinten – und wie hübsch er ist. Aber natürlich brennt noch kein Feuer darin … Fast bin ich erleichtert, als ich Schritte auf der Treppe höre, und Mi und Mo in der Türe erscheinen.

      »Da seid ihr ja!«, rufe ich und renne auf sie zu.

      »Willst du schon zurück?«, fragt Mo erstaunt.

      »Och – ja«, sage ich. »Es ist kalt hier oben. Außerdem bin ich müde.«

      Sie begleiten mich zurück zur Strahlenfrau. Sie sitzt noch immer am Kamin in der Strahlenhalle.

      »Ihr war kalt«, sagt Mi zur Strahlenfrau.

      »Und sie ist müde«, sagt Mo. Die Strahlenfrau legt das Strickzeug zur Seite, nimmt meine Hand. Die Haare fließen ihr hell über die Schultern. Zwei Falten bilden sich zwischen ihren Augenbrauen. »Komm zu mir.«

      Sie klopft auf den freien Platz neben sich. Mi und Mo klopfen wieder die Kissen zurecht, und ich setze mich.

      »Es ist nicht nur die Müdigkeit«, sagt die Strahlenfrau. »Ich sehe einen Schatten über deinem Herzen.«

      »Einen Schatten?«

      »Ja. Fehlt dir etwas?«

      »Hmm …« Ich überlege.

      »Ist es wegen deinem … Razan? Ist er immer noch weg?«

      »Razan? Ach so, du meinst meinen Ranzen. Nein, den hab ich jetzt wieder. Ich weiß sogar … Na ja, nein. Ich weiß nicht, wer ihn gefunden