Название | Die Blaue Ritterin |
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Автор произведения | Sarah Knausenberger |
Жанр | Книги для детей: прочее |
Серия | |
Издательство | Книги для детей: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783825162320 |
»Woher …«, sage ich, aber sie lachen nur und stellen den Korb auf der Wiese ab. Mi holt ein Tuch heraus, Mo fasst es an der anderen Seite. Als sie das Tuch auf der Wiese ausbreiten wollen, kommt ein Windstoß und bläht es auf, wie ein riesiges Segel. Ich eile ihnen zu Hilfe, lachend bändigen wir das Tuch und beschweren es mit Dingen aus dem Korb. Was da alles drin ist: Saftflaschen. Eine Schüssel Nudelsalat. Ein Kuchen. Eine Schale Erdbeeren, Tüten voller Plätzchen und noch viele weitere Köstlichkeiten. Auch Kissen haben sie mitgebracht, wir machen es uns gemütlich. Mi verteilt Gläser, die unten spitz sind wie Eistüten. Mo schenkt ein. Und dann stoßen wir an: »Auf die Rote Burg!«, »Auf die Blaue Ritterin!«
Und dann tue ich, was die anderen tun: Ich pikse mein halbvolles Glas einfach in die Erde. Ein Schmetterling kommt angeflogen, setzt sich an den Rand des Glases und steckt seinen langen, dünnen Rüssel in den roten Saft. Ich lege mich auf den Bauch und sehe ihm zu. Als er genug hat, schwingt er sich auf und fliegt davon, Richtung Sonne, und in seinem winzigen Magen ist ein Tropfen von meinem Saft.
Es ist halb acht, als ich mich am nächsten Tag ohne Schulsachen auf den Weg zur Schule mache. Wie seltsam sich das anfühlt. Hoffentlich finde ich den Ranzen gleich. Wenn ich es schaffe, am Zebrastreifen zu sein, bevor ein Auto vorbeifährt, dann ist er noch da!
Ich rase los, ein Auto hält mit quietschenden Reifen.
»Du bist wohl nicht ganz dicht!«, brüllt ein Kopf, der sich aus dem Autofenster reckt. Schnell mein Visier runterlassen und weiter. Jetzt bin ich bei der Unterführung. Da, das muss die Stelle sein …
Mein Herz beginnt laut zu pochen. Da liegt kein Ranzen!
Dreimal geh ich hin und her, schaue an beiden Ausgängen. Nichts. Ob ich warten sollte, bis die Eisdiele aufmacht? Vielleicht ist er ja dort abgegeben worden. Aber die machen sicher erst um acht Uhr auf. Wenn überhaupt. Es hilft alles nichts, ich muss so zur Schule.
Wenn Mamas Kollegen mich fragen, in welche Schule ich gehe, und ich sage, in die Pestalozzischule am Ring, dann sagen sie: »Oh, diese wunderbare Schule in dem schönen Altbau!«
Aber für mich ist die Schule wie ein Gefängnis. Der Pausenhof ist leer, als ich ankomme, der Unterricht hat angefangen. Sicher sitzen alle schon auf ihren Plätzen, und sicher werden sich alle nach mir umdrehen, wenn ich jetzt reinkomme. Herr Holtigbaum wird fragen, wo mein Ranzen ist, und ich werde keine Antwort rausbekommen …
Nein, es geht nicht. Ich kann da jetzt nicht rein. Langsam drehe ich um und schlurfe nach Hause.
Im Hundepark gucke ich einer Frau zu, die ihren Dackel trainiert. »Sitz!«, sagt sie, und läuft bis ans Ende der Wiese. Dann dreht sie sich um und ruft: »Komm zu Mami, Werner. Komm!«, und haut sich auf die Oberschenkel. Auf krummen Beinchen rast der Dackel los. Tss …
Wenn ich einen Hund haben dürfte, würde ich mir einen eleganten Jagdhund aussuchen. Er könnte dann neben mir herrennen, wenn ich mit Sturm zur Burg galoppiere …
Ich gehe weiter.
Zu Hause muss ich ganz leise sein, damit Frau Schilling mich nicht hört. Die erste Stunde ist noch ganz gemütlich. Ich koche mir einen Früchtetee mit sehr viel Honig, setzte mich damit auf den Teppich.
Dann stricke ich.
Dann lese ich. Aber irgendwann macht mir nichts davon mehr Spaß. Rausgehen kann ich nicht, wegen Frau Schilling. Irgendwann liege ich einfach auf dem Rücken und starre an die Decke. Was sie wohl in der Schule jetzt gerade machen?
In Gedanken gehe ich die Leute in meiner Klasse durch. Es sind nur sechs Mädchen, und alle außer mir gehören einer Clique an, den Dramaqueens. Unser Englischlehrer hat sie einmal so genannt, weil sie beim Anblick eines Weberknechts völlig ausgeflippt waren.
Das arme Ding hatte sich am Fenster in einem Spinnennetz verheddert. Ich befreite es mit einem Bleistift aus seiner Falle und die Sache war erledigt. Aber der Name Dramaqueens ist geblieben.
Nur ich gehöre nicht dazu.
Und die Jungs? Ossi ist mein Erzfeind, und Julius und die meisten der anderen Jungs hängen mit ihm rum. Alle außer Ole. Er ist ein Eigenbrötler.
Er sagt »Muttchen« statt Mutter und redet ein bisschen wie mein Großvater, als er noch lebte. Er ist etwas seltsam, aber ich mag ihn irgendwie …
Ich glaube, das hier ist der langweiligste Tag meines Lebens. Als es endlich dämmert und ich endlich, endlich die Kirchturmglocken höre, fühlt es sich an, als hätte ich Jahre lang darauf gewartet.
Kapitel 4
»Hast du dein Gepäck wiedergefunden?«, fragt die Strahlenfrau.
»Du meinst, meinen Ranzen?« Ich muss lachen. Die Strahlenfrau drückt sich so altmodisch aus manchmal.
»Nein. Und ich … ach, ich wünschte, ich müsste nie wieder zur Schule.«
Da erhebt sich die Strahlenfrau vom Sofa und ergreift einen der Kerzenleuchter.
»Komm«, sagt sie. »Jetzt zeig ich es dir.«
»Was?«, frage ich, aber sie lächelt nur und nimmt meine Hand. Wir gehen auf die Tür zu, die ins Innere der Burg führt. Mi und Mo halten sie für uns auf. Hier war ich noch nie. Der Flur ist dämmrig, nur der Kerzenschein leuchtet uns den Weg. Jetzt steigen wir die knarzenden Stufen hinauf. Ich lasse meine Hand an der Steinwand entlanggleiten. Wie kühl sie ist. Noch durch ein paar Türen und durch ein paar Flure, dann stehen wir vor einer Wendeltreppe mit einem allerliebst verschnörkelten Geländer. Und in dem Licht, das von oben herunterfällt, kann ich erkennen, dass es blau ist!
»Wie schön«, sage ich und streiche mit der Hand darüber.
Von oben kommen uns klopfende und sägende Geräusche entgegen, da müssen Handwerker am Schaffen sein. Die Strahlenfrau ist stehen geblieben, sieht mich an. Mi und Mo hüpfen aufgeregt auf und ab.
»Das blaue Türmchen«, sagt die Strahlenfrau feierlich, »soll dir gehören, wenn es fertig ist. Dann kannst du immer bei uns bleiben.« Ein eigenes Türmchen? Vor Staunen bleibt mir der Mund offenstehen.
»Komm!«
Hintereinander steigen wir nun die enge Treppe hinauf, mein Herz pocht wie wild. Und dann wird es plötzlich ganz hell und wir stehen in einem wunderschönen, kreisrunden Raum mit gewölbten Decken, wie eine kleine Kirche. An der Wand wurde ein Mosaik begonnen – ganz in blau. Man kann schon ein paar Blumen erkennen. Auf dem Boden stehen mehrere Körbe mit unterschiedlich blauen Steinen.
Die Handwerker haben ihre Werkzeuge abgelegt, um uns zu begrüßen.
»Wie kommt ihr voran?«, fragt die Strahlenfrau.
»Gut, gut. Das Bett bekommen wir heute noch fertig.« Der Mann zwinkert mir zu, macht eine Verbeugung und tritt zur Seite, damit wir betrachten können, woran er gerade gearbeitet hat. Es ist ein Himmelbett mit geschwungenen Seiten, fast sieht es aus wie ein Schiff.
»Ohh«, kann ich nur sagen.
»Morgen wird die Schneiderin die Tücher bringen«, sagt die Strahlenfrau. »Hättest du lieber ein helles oder ein dunkles Blau?«
»Hm, ich glaube dunkelblau«, sage ich.
»Blaue Ritterin!«, rufen Mi und Mo. Sie stehen in der kleinen Tür, die hinaus auf einen Balkon führt. Ich folge ihnen in den Sonnenschein. Der Balkon führt im Halbkreis um mein Türmchen herum. Man kann hinüber zum Wald blicken, er ist ganz nah. Die Blätter der Bäume rauschen wie ein Wasserfall. Unten zwischen den Stämmen staksen zwei Rehe herum.
»Gefällt es dir?« Die Strahlenfrau ist auch herausgekommen.