Название | Die Blaue Ritterin |
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Автор произведения | Sarah Knausenberger |
Жанр | Книги для детей: прочее |
Серия | |
Издательство | Книги для детей: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783825162320 |
In Geschichte, da geht es fast schief. Als Herr Holtigbaum irgendwas von Handwerkern und Zünften im Mittelalter erzählt, da guckt Ole – er sitzt schräg vor mir – wieder so in der Gegend herum. Und da fällt sein Blick auch auf mich. Schnell meinen Helm! Zu spät.
Unsre Blicke haben sich getroffen. Was denkt er wohl jetzt von mir? Na, vielleicht gar nichts so Schlimmes. Ole ist nicht gemein. Eigentlich ist er sogar ganz nett. Manchmal hab ich das Gefühl, wir reden miteinander ohne Worte. Jetzt zum Beispiel guckt er wieder nach vorne, wackelt dabei aber zweimal ganz doll mit den Ohren. Wie um zu sagen: »Hallo Mona!« Seine Ohren stehen sehr weit ab.
»Wisst ihr, woher das Wort Schlitzohr kommt?«, fragt Herr Holtigbaum plötzlich.
Niemand meldet sich.
»Na, ich werde es euch verraten. Ein Ohrring war das Zeichen, dass man einer bestimmten Zunft angehörte. Einem Verein, sozusagen. Die Zünfte hatten aber strenge Regeln, und wenn jemand gegen die verstieß, riss man ihm den Ring aus dem Ohr. Er hatte dann für immer einen Schlitz im Ohr.«
Ole zieht seine Ohren jetzt so hoch, als ob man ihn schmerzhaft daran gezogen hätte. Mir rutscht ein Pruster raus. Köpfe drehen sich nach mir um. Schnell krame ich im Ranzen nach meiner Wasserflasche.
Nach der letzten Stunde lehne ich mich zurück und schließe kurz die Augen.
Puh. Geschafft. Jetzt auf zur Burg!
Als ich bei der Ampel stehe, schubsen sich Julius und Ossi neben mir hin und her.
»Da ist deine Braut!«, ruft Ossi.
»Halt’s Maul«, sagt Julius.
»Ich hab’s doch gesehen! Wie du sie heute immer angestarrt hast!«, ruft Ossi. Julius stößt Ossi vor die Brust, sodass er beinahe auf die Straße fällt. Da endlich wird die Ampel grün, alle Kinder drängeln rüber. Ossi ruft:
»Hey Mona, du hast hier einen Verehrer!«
Ich laufe schneller.
»Die stumme Mona! Wer will die schon haben«, höre ich Julius laut antworten.
Und Ossi: »Hey komm, wir bringen die mal zum Reden.«
Wir sind jetzt bei der Unterführung angelangt. Ich beginne zu rennen, der Ranzen schlackert gegen meinen Rücken. Julius und Ossi beginnen auch zu rennen und rufen:
»Mona renn doch, Mona flenn doch!«
Sie kommen immer näher! Die Unterführung ist lang, und ich weiß, hier kann mir niemand helfen. Da schmeiße ich meinen Ranzen ab und renne um mein Leben. Die Jungs sind mir wie Hunde dicht auf den Fersen. Die Treppe rauf stolpere ich. Autsch! Mein Knie. Egal. Weiter. Irgendwann kann ich nicht mehr. Da, schnell in die Eisdiele. Der dicke Eisverkäufer mit dem Schnurrbart steht hinter dem Tresen.
»Alles okay, Kleine?«, fragt er.
Ich nicke und wende mich ab, aber er lässt mich nicht in Ruhe.
»Bist ja ganz außer Atem. Komm, setz dich. Kriegst ’ne Kugel Eis auf den Schreck. Schokolade?«
Ich hasse Schokolade. Aber die Jungs hängen direkt vor der Eisdiele an der Bushaltestelle herum. Ich nicke. Nehme das Eis und setze mich in eine Ecke, lecke an dem klebrigen Zeug herum. Mein Knie tut echt weh. Das wird ein dicker blauer Fleck werden. Und wie komme ich jetzt an meinen Ranzen? Sicher bewachen ihn die Jungs. Die denken bestimmt, dass ich ihn jetzt gleich holen werde. Aber – das werde ich nicht. Ich werde ihn einfach morgen früh einsammeln. Hausaufgaben hin oder her.
Als die Jungs gerade nicht zu sehen sind und der Eismann summend an der Kaffeemaschine herumputzt, schleiche ich raus. Tut mir leid, Eismann. Ich hätte mich gerne bedankt.
Völlig außer Atem komme ich zu Hause an. Zerre das Lederband mit dem Schlüssel, das ich immer um den Hals trage, unter meinem Hemd hervor. Mit zittrigen Fingern schließe ich die Haustür auf, dann die Wohnungstür. Schnell, bevor Frau Schilling mich hört.
Zack, Tür zu. Geschafft!
Als ich meinen Ranzen abnehmen will, erschrecke ich kurz, weil er nicht da ist. Dann hole ich das Strickzeug unter meinem Bett hervor und setze mich damit auf den Teppich. Stricken beruhigt.
Rechts, links, rechts, links …
Die können mich mal, die Jungs. Wenn die wüssten.
Rechts, links, rechts …
Als die Abendglocken zu läuten beginnen, pikse ich die Nadeln in das Knäuel, springe auf und schlüpfe hinaus in die Dämmerung.
Kapitel 3
Mit dem letzten Schlag der Kirchturmglocken senkt sich die Brücke rasselnd über den Graben. Ich treibe mein Pferdchen an, und es klackert fröhlich hinüber zur Burg, denn es weiß, dass der Torhüter immer Zuckerstückchen in der Tasche hat.
»Ihr werdet schon erwartet«, begrüßt uns Wächter Eichenast und lacht sein knorriges Lachen, als Sturm die Nüstern in seinen Mantel gräbt. Ich springe herab, reiche Eichenast die Zügel und meinen Helm. Jetzt die Treppen hinauf. Über weiche, wunderbare Teppiche laufe ich. Diesmal nehme ich mir nicht wie sonst die Zeit, all die herrlichen Figuren und Muster darauf zu bewundern, ich möchte endlich wieder bei ihr sein. Überall, wo man mich erblickt, beginnt ein wohlwollendes Raunen.
»Sie ist da, die Blaue Ritterin ist angekommen …« Und: »Sie hat es geschafft! Sie hat durchgehalten!«
Ein Diener rennt vor mir her, um mich anzukündigen. Aber das ist kaum nötig, denn schon bin ich in der großen Halle. Die Strahlenfrau erhebt sich und eilt mir entgegen. Sie nimmt meine beiden Hände und küsst mich auf die Stirn. Dann geleitet sie mich zum Kamin. Sie nimmt dem Diener eine flauschige Decke ab und legt sie um meine Schultern. Mi und Mo, meine Spielgefährten, stehen hinter dem Sofa und strahlen mich an. Heute sind sie beide ganz blau gekleidet, so wie ich. Bestimmt, um mir eine Freude zu bereiten. Eifrig klopfen sie die Sofakissen für mich zurecht. Ach, Mi und Mo. Ihr seid so gut zu mir.
Wir setzen uns, und die Strahlenfrau sagt nur ein Wort: »Erzähle.«
Ihre Augen sind voller Wärme und Mitgefühl, denn sie weiß, dass ich von der anderen Seite oft mit Verletzungen zurückkehre. Keine kann ich vor ihr verbergen.
Also erzähle ich, wie Julius und Ossi mich verfolgt haben. Wie ich um mein Leben rennen musste und dabei gestürzt bin. Besorgt sieht die Strahlenfrau mich an.
»Zeig mir dein Knie.« Sie verarztet mich mit einer Salbe aus duftenden Kräutern und summt dabei zauberhafte Melodien.
Diener huschen herein, sie bringen Tabletts mit Gebäck und Säften, das Feuer knistert und ich wünschte, ich müsste nie wieder zurück auf die andere Seite.
Später gehen wir noch im Paradiesgarten spazieren. So nenne ich den Park, der die Burg umgibt, denn er ist wunderschön. Die riesigen Baumkronen und blühenden Büsche sind voller Vögel. Sie kreischen nicht, sie pfeifen zauberhafte Melodien. Nicht Hänschen-Klein oder so. Viel schönere Lieder als Menschen sie sich jemals ausdenken könnten.
Die Strahlenfrau stützt mich, wegen des Knies.
»Es tut schon gar nicht mehr weh«, sage ich.
»Wie tapfer du bist.«
Als wir an einem Beet mit blauen Irisblumen vorbeikommen, bückt sich die Strahlenfrau hinunter, wie um eine zu pflücken. Aber sie berührt die Blüte nur, und schon liegt sie in ihrer Hand.
»Für meine Blaue Ritterin«, sagt die Strahlenfrau und steckt mir die Blüte ins Haar. Wir kommen