In den Drachenbergen. Wolf Awert

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Название In den Drachenbergen
Автор произведения Wolf Awert
Жанр Языкознание
Серия Drachenblut
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783959591836



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braucht nicht auch noch Salz in meine Wunden zu reiben. Meint Ihr, ich wüsste das nicht? Aber wenn Ihr diesem Drachen einmal begegnet, könnt Ihr ihn ja mal nach meinem Namen fragen. Vielleicht nennt er ihn Euch. Er liebt schöne junge Frauen. Aber wahrscheinlich bevorzugt er Elfen.“

      Tama lachte auf. „Ich kann es nicht versprechen. Aber ich will ihn gern fragen. Wie heißt er denn?“

      „Godwin.“

      Tama winkte den beiden Geistern zum Abschied noch einmal zu. „Es muss fürchterlich sein, so zwischen den Welten gefangen zu sein“, sagte sie zu Aureon und Argenton.

      „Für die Geister gibt es Hoffnung. Für uns nicht, es sei denn, wir sterben rechtzeitig. Irgendwann wird das Dunkel die ganze Erde beherrschen. Dann sind sie frei, denn niemand kann zwischen den Welten stecken bleiben, wenn es nur noch eine Welt gibt. Und falls die Welt sich selbst zerstören sollte, wie einige befürchten, dann fällt ebenfalls die Barriere zwischen den Welten zusammen, und alles beginnt von vorn.“ Aureon verstummte recht abrupt bei dieser Aussicht auf die Zukunft.

      Steindorn

      Nach den Strapazen seiner langen Reise von NA-R nach Centrell hatte Steindorn etwas Erholung dringend nötig gehabt. Doch zu viel Erholung macht einen wachen Geist träge. Wie viele Tage genoss er nun schon die Gastfreundschaft im Haus Blau? Drei Tage? Sechs Tage? Zehn? Merkwürdig, er wusste es nicht. Mehr als drei Tage waren es sicherlich. Seine Erinnerungen waren nicht so scharf, wie er es von sich gewohnt war. Eher allgemeine Eindrücke als klare Bilder. Eine sonderbare Magie lebte hier im Haus Blau. Elfenmagie war es nicht. Die hätte er erkannt und verstanden. Einem erfahrenen Kampfmagier konnte man in Sachen Magie wenig vormachen. Aber hier? Das war etwas anderes.

      Steindorn widmete nun seine gesamte Achtsamkeit seinen Erinnerungen. Er nahm sie auseinander, putzte sie blank und setzte sie wieder zusammen, aber die Zahl der Tage, die er hier verbracht hatte, zerfiel, sobald er sie berührte. Als ob sie völlig unwichtig sei. „Noch bestimme ich selbst, was wichtig für mich ist und was nicht“, sagte er laut zu sich und wollte gerade erneut beginnen, seine Erinnerungen zu überprüfen, als jemand an die Tür klopfte.

      „Die Herrin bittet um Eure Anwesenheit.“

      Das war neu. Bisher war sie immer zu ihm gekommen, denn sein Zimmer lag in der Nähe des ihren und außerdem abseits aller Geschäftigkeiten des Hauses.

      „Wenn Ihr mir bitte folgen wollt?“

      Der Bedienstete führte Steindorn durch unscheinbare Türen und über enge Treppen unter das Dach in einen kleinen Vorraum, klopfte an und öffnete ihm dann eine herrlich geschnitzte Tür, die in einen prächtigen Salon führte, der weder etwas mit dem Staub und der Verlassenheit des Hinweges zu tun hatte, noch mit der merkwürdigen Geruchsmischung eines Dachbodens. Anstatt nach Frischluft gewürzt mit dem Aroma roher Holzbalken roch es nach – Magie. Steindorn wusste nicht, wie er diesen Geruch anders benennen sollte.

      Er trat ein und sah sich zwei Frauen gegenüber, die gut und gerne Schwestern sein konnten, wenn nicht …

      Blauer Dreisporn war seine Gastgeberin und ihr Bild ihm gut vertraut. Aber die Frau neben ihr, ihr ähnlich und doch fremd, kannte er noch viel besser. Jedenfalls sagten ihm das alle seine Sinne und Gefühle. Nur woher er sie kannte, das erzählten sie ihm nicht. Und ihren Namen hatte er auch vergessen. Immer wieder blickte er von einer zur anderen und wurde doch um keine Daumenbreite schlauer.

      „Wollt Ihr Euch nicht setzen, guter Freund?“

      Steindorn starrte Blauer Dreisporn an, als könne er nicht begreifen. Dann befreite er sich gewaltsam aus seinem traumartigen Zustand, nickte kurz und nahm in dem Stuhl Platz, der sich den beiden Frauen gegenüber befand. Er lehnte sich nach hinten und legte seine Arme auf die beiden Armstützen. Der Stuhl umarmte ihn von hinten. Jetzt fühlte er sich sicher.

      „Verzeiht, wenn ich so offen heraus frage“, sagte er. „Wir kennen uns, sind uns schon mehrfach begegnet, aber ich kann mich nicht mehr an die Umstände erinnern. Bitte helft meinem Gedächtnis auf die Sprünge.“ Erwartungsvoll schaute er auf die ihm vertraute und doch so fremde Frau.

      „Wenn wir uns begegnet sind, dann kann es nur hier in Centrell gewesen sein, denn auf meinen Reisen begegne ich kaum jemandem, sodass ich mich an jeden Einzelnen erinnern kann. Verzeiht, wenn ich jetzt ebenso offen bin wie Ihr, aber Ihr wart nicht darunter.“

      „Es hätte mich auch überrascht“, sagte Blauer Dreisporn. „Darf ich Euch Blauer Schlafmohn vorstellen? Ihr Name verrät Euch bereits, dass auch sie zum innersten Kreis der Familie gehört. Sie hier zu wissen, ist ein Geschenk, denn sie ist ständig unterwegs. Ich wollte, dass sie Eure Geschichte erfährt, habe Ihr also alles berichtet, wie Ihr es mir erzählt habt, und möchte auch, dass sie alles aus Eurem Mund noch ein weiteres Mal hört.“

      Steindorn war erstaunt. „Blauer Schlafmohn? Nein, dieser Name sagt mir nichts. Aber Ihr beide seid bestimmt Schwestern oder sonstwie miteinander verwandt. Vielleicht ist es das, was ich in Euch erkenne.“

      Steindorn sah, wie sich die Köpfe der beiden Frauen bewegten. Viel war es nicht, und auch die Mienen blieben unbewegt, aber trotzdem war er sich sicher, dass die beiden sich über ihn unterhielten. Nur auf welche Art das geschah, vermochte er nicht zu sagen.

      „Er hat ein klares Auge, wie ich es dir gesagt habe.“

      „Und ich habe dich gewarnt, eine Gestalt anzunehmen, die deiner Zeit in NA-R zu ähnlich ist“, antwortete Blauer Dreisporn.

      „Die Dienerschaft in diesem Haus kennt mich zu gut. Die Alten wie die Jungen. Bei einer völlig neuen Gestalt hätte sich jeder hier im Haus gefragt, wer ich denn bin. Dann doch lieber so.“

      Blauer Dreisporn lächelte. „Als wir unsere Gestalten wählten, konnten wir nicht wissen, dass du einmal überall Spuren hinterlassen wirst.“

      „Nein, das konnten wir wirklich nicht vorhersehen.“

      Als Steindorn ein Lächeln über das Gesicht von Blauer Dreisporn huschen sah, machte er sich bereit, seine Geschichte erneut zu erzählen, aber es war seine Gastgeberin, die das Gespräch wieder aufnahm.

      „Ich muss Euch leider mitteilen, dass ich über einen Komposit mit dem Namen Immergrün nichts habe erfahren können. Doch muss das nichts heißen. Komposits gibt es in Centrell wie Blätter an einem Busch. Und außerdem, wer sagt uns denn, dass er auch in dieser Stadt den gleichen Namen führt wie bei Euch daheim in NeuAllerdamm-Rot. Nach NA-R selbst habe ich mich nicht erkundigt und möchte es auch nicht tun. Da würden meine Fragen mehr verraten, als wir an Antworten erwarten könnten.“

      „Ich frage mich …“ Die weiche Stimme von Blauer Schlafmohn war wirklich geeignet, jedem überreizten Nerv Ruhe zu schenken. Nur Steindorn nicht, denn wieder kam mit einer überwältigenden Mächtigkeit der Eindruck zurück, diese Frau zu kennen.

      „Fragt nur“, sagte er so kurz angebunden, dass es beinahe schon unhöflich klang.

      „Was hatte die Viertelelfe, von der Ihr Blauer Dreisporn erzähltet, an sich, dass sie die Aufmerksamkeit dieses Immergrün erwecken konnte?“

      Steindorn hob in einer Geste der Hilflosigkeit kurz die Schultern an und ließ sie dann wieder fallen. „Dieser Kerl lässt niemanden in seinen Kopf hineinschauen. Ich vermute, dass es anfangs nicht mehr war, als dass ein Gestaltwandler eine Viertelelfe entführte, ohne dass unser Rat sofort das Unterste nach oben kehrte.“

      „Und warum hat der Rat nicht reagiert?“

      Steindorn traute seinen Ohren nicht. Wie war es möglich, eine Samtstimme mit einer Härte zu versehen, die ihn an anderen Orten sofort veranlasst hätte, eine magische Schutzwand aufzubauen? Er bemühte sich um Gelassenheit, als er antwortete: „Die Nachricht kam erst mit Verzögerung und geringer Dringlichkeit zum Rat. Es war bereits zu spät. Wir konnten uns nur noch um Klärung bemühen.

      „Und wie geht es der Viertelelfe jetzt? Wo ist sie? Was macht sie?“

      „Ich