In den Drachenbergen. Wolf Awert

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Название In den Drachenbergen
Автор произведения Wolf Awert
Жанр Языкознание
Серия Drachenblut
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783959591836



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aus der mich selbst meine Magie nicht mehr befreien konnte. Deshalb und nur deshalb – das schwöre ich – machte ich einen Handel mit dem mächtigsten Drachen aller Zeiten. Ich versprach ihm die Unsterblichkeit und, ihn zu einem Gott zu erheben, wenn er mir eine klitzekleine Gefälligkeit erwies.“

      „Jetzt ist es Euch gelungen, mich wirklich neugierig zu machen. Wie kann man aus dem Halbleben heraus einen Drachen rufen, dessen Namen man nicht kennt. Und wie kann ein Mensch einem Drachen zur Unsterblichkeit verhelfen?“

      „Ha, wer seid Ihr, dass Ihr nicht wisst, dass Drachen keine Namen haben? Sie leben allein und haben deshalb keinen Bedarf für so etwas. Na ja, vielleicht ist ‚rufen‘ nicht das richtige Wort. Sagen wir besser, ich lockte ihn an. Als die Götter mich aus der Welt der Lebenden vertrieben, verbrannten sie alles von mir außer meiner Magie, meinen Erinnerungen und meinem Namen. Damit besaß ich noch mein „Ich“, was mir die Möglichkeit bot, mir für eine begrenzte Zeit einen neuen Körper zu erschaffen, der zwar nicht wirklich war, aber dafür echt erschien. Ich arbeitete wieder als Priester, weil ich das am besten konnte, auch wenn der Gott, dem ich nun diente, eher ein Götze war. Wenn wir Menschen eines können, dann ist es, uns neue Götter zu erschaffen. Wer weiß, vielleicht wäre es mir gelungen, aus meinem falschen Gott noch einen richtigen zu machen. Schließlich war es uns bei den alten Göttern auch gelungen. Am Anfang waren sie nicht mehr als eine Verbindung aus der Kraft der Naturgeister mit den Körpern besonders großer und edel wirkender Menschen.“

      „Nur damit ich es richtig verstehe“, sagte Tama und unterbrach den Redefluss des Magiers. „Die alten Götter waren einst Naturgeister. Jetzt sind sie als alte Götter weiter gezogen, und damit gibt auch keine Naturgeister mehr in dieser Welt. Aber ich bin mir sicher …“

      „Ach was. Naturgeister gibt es überall, und wenn welche weg sind, dann kommen neue. Das ist wie bei den Fliegen. Mal sind sie weg und im nächsten Augenblick kommen sie in Schwärmen zurück. Keine Sorge, es gibt genug Naturgeister in unserer Welt und wir Menschen könnten aus ihnen erneut eine Bande eingebildeter und hinterlistiger Götter erschaffen, wenn wir noch die alte magische Kraft besäßen, über die wir einmal verfügten. Aber lassen wir das für den Moment. Du hattest nach dem Drachen gefragt. Der kam zu mir, von selbst und aus eigenem Antrieb. Was ich nicht wusste, war, dass auch die Drachen alte Götter besessen hatten und ihnen hinterhertrauerten. Zumindest dieser eine sprach davon, nannte sie Weltenschöpfer. Und da er sie nicht zurückholen konnte, und unser beide Welten ohne richtige Götter auskommen mussten, kam er auf die Idee, diese Leere zu füllen. Mit niemand Geringerem als mit sich selbst. Und das war meine Chance.“

      Tama konnte sich ein Lächeln kaum verkneifen. „Ein gewaltiger Drache mit einem Maul voll Feuer ließ sich also aus einem blauen Himmel herab und landete vor Euch. Und dann habt Ihr Euch mit ihm unterhalten. Ganz einfach so, von Mensch zu Drache.“

      „Beinahe. Nur war der Himmel wolkig, und der Drache kam zu Fuß in der Gestalt eines Menschen und Kriegers. Du scheinst nicht viel von unserer Welt zu verstehen. Ist doch jeder Drache ein Gestaltwandler, auch wenn ich zugeben muss, dass diese Biester fast immer bei ihrer Drachenform bleiben, weil das die schönste Form aller Lebewesen ist. Zumindest glauben das die Drachen selbst.“

      Jetzt war Tama das Lächeln vergangen. Torso war ein Gestaltwandler, aber ganz bestimmt kein Drache. Aber was war mit Pando? War er ein Drache? Möglich. Und da niemand davon erfahren sollte, machte er aus seiner Abstammung ein fürchterliches Geheimnis.

      Doch kaum hatte sie diesen Gedanken im Kopf, kamen die Zweifel bereits in Scharen. Zwar wusste sie über Drachen nicht mehr als das, was die Legenden erzählten, aber nichts davon entsprach Pando, dem Bär, oder diesem albernen Ledervogel. Ein junger Drache? Pando hatte gesagt, er sei noch sehr jung. Tama schüttelte den Kopf. Es gab nur eine Möglichkeit, aber die war so abwegig, dass sie sich sträubte, darüber auch nur nachzudenken. Nein, entweder log der Geist, oder …

      „Verzeiht mir“, sagte sie. Ich bin noch jung. Wie sollte ich mich mit Drachen auskennen. Ich habe ja noch nicht einmal einen gesehen.“

      Der Geist staunte. „Wie das denn? Ich spüre doch Magie in Euch. Wie könntet Ihr mich sonst verstehen? Ihr gehört ganz zweifellos zu den Kundigen. Aber was ist denn los mit Euch? Sprecht Ihr denn nicht mit Euren Ahnen? Habt Ihr nicht Teil an dem Wissen all jener, die vor Euch lebten und mit denen Ihr durch Blut verbunden seid? Jetzt wird mir langsam klar, warum es heute keine Magier mehr unter den Menschen gibt. Ihnen fehlt die Kraft. In den alten Zeiten gab jeder Magier seine Kraft an eines seiner Kinder weiter, – manch einer starb sogar vor der Zeit dafür und gab weiter, was er hatte, bevor es weniger werden konnte. Wisst Ihr denn nicht, wie viele Eltern bereit sind, sich für ihre Kinder zu opfern? Wie sollten denn sonst Magier heranwachsen können, wenn jeder von vorn beginnen müsste? He, wollt Ihr mich weiter anhören? Oder seid Ihr bereits müde?“

      Tama war tatsächlich mit ihren Gedanken spazieren gegangen. Magie ohne Kraft. Hatten ihre Halbgeschwister nicht gerade das an ihr bemängelt? Hatten die denn ihre Kraft von Altwi mitbekommen. Warum dann aber nicht sie? Nein, so einfach konnte das nicht sein. „Verzeiht“, sagte sie. „So vieles davon ist neu für mich. Bitte, erzählt weiter.“

      „Ich schlug dem Drachen einen Handel vor“, sprach der Geist des Magiers. „Ich versprach ihm, ihn zu einem Gott zu machen, und verlangte von ihm nicht mehr dafür als einen ordentlichen Schub Kraft, der mich wieder in die Welt der Lebenden zurückbefördern sollte. Das hätte ihn nicht ärmer gemacht. Von mir würde er die Unsterblichkeit bekommen und einen Namen. Und er musste noch etwas tun, über das Drachen, Elfen und Menschen für alle Zeiten reden würden.“

      „Das war aber ein gefährlicher Handel. Ihr müsst selbst im Halbtod noch ein sehr mächtiger Magier gewesen sein, dass Ihr glaubtet, einen Drachen beherrschen zu können.“

      „Nun ja, ich habe zwar seine Macht nicht unterschätzt, wohl aber seine Gerissenheit und die schwarzen Flecken seines Charakters. Aber eins nach dem anderen. Ich fand heraus, dass er mit seiner Magie sehr liederlich umging. Er nutzte sie vor allem, um hübsche Elfenmädchen zu betören und versprühte dabei so viel Magie in die Natur, dass wilde Tiere in seiner Umgebung ebenfalls zu Gestaltwandlern hätten werden können. Jedenfalls solche, die über genügend Vernunft verfügten. Alles, was ich tun musste, war, genügend Tiere in seine Richtung zu treiben und deren Vernunft etwas zu verstärken. Bei den Vögeln war das leicht. Vor allem bei den Raben. Aber fragt mich nicht nach dem Elend mit den Echsen. Dabei standen die doch den Drachen am nächsten. Dachte ich zumindest.“ Der Magier tat erschöpft, machte eine Pause und wischte sich mit einer theatralischen Geste den nicht vorhandenen Schweiß von der Stirn. „Egal. Jedenfalls erschufen wir so gemeinsam eine vierte Lebensform in unserer Welt. Zu den Drachen, Elfen und Menschen gesellten sich die Gestaltwandler. Und ich gab dem Drachen einen Namen, damit die Wesen der Vernunft wussten, über wen sie reden konnten, und empfahl ihm, in seinen Anstrengungen nie nachzulassen und immer dafür zu sorgen, dass genügend neue Gestaltwandler entstanden. Viele mussten es ja nicht sein. Und außerdem tat er auch etwas Gutes für sein Volk, das einen Schuss Wildblut ganz gut vertragen konnte. Jedenfalls, was die Echsen betraf. Ich war überrascht, mit welcher Leichtigkeit ihm das gelang und erschrak vor seiner Kraft. Deshalb ließ ich ihn bei den alten und neuen Göttern schwören, sich an unseren Handel zu halten. Und das tat er. Er schwor. Erst dann gab ich ihm seinen Namen.

      „Und er hielt sich nicht an seinen Schwur. Habe ich recht?“

      „Er war der Meinung, dass kein Gott seinem Priester dient, und lachte mich nur aus. Von diesem Augenblick an hatte die Welt einen unsterblichen Drachen und einen Priester, der immer noch zwischen den Lebenden und den Toten schwebt.“

      „Aber er ist kein Gott.“

      „Nein, das ist er nicht. Ich wollte ihm helfen, dass die Toten ihn anbeteten, aber dazu ist es nicht mehr gekommen. Er ist kein Gott, aber er hält sich für einen. Und er ist in der Tat unsterblich.“

      „Könnt Ihr ihm seinen Namen nicht wieder wegnehmen?“

      „Er war klüger, als ich dachte. Nachdem er die Bedeutung der Namen erkannt hatte, nahm er mir den meinen und löschte damit meine Magie nahezu vollständig aus. Er ist nun der Einzige, der meinen Namen kennt. Für mich gibt es