AEIOU. Sigrid-Maria Größing

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Автор произведения Sigrid-Maria Größing
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783902998736



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über alles, entschloss sich aber doch ohne langes Zögern, mit ihrer Familie nach Osten zu ziehen, um hier ihrem königlichen Gemahl näher sein zu können. Ab 1277 lebte sie in Wien, in einer für sie völlig fremden Umgebung. In ihrem Edelmut bedachte sie aber nicht, dass sich sowohl Rudolf als auch ihre Söhne und Töchter nur für kurze Zeit in Wien aufhielten, sodass sie die meiste Zeit allein in der düsteren Burg saß. Ihre einzige Freude war ihre Tochter Clementia, mit der sie sich ausgezeichnet verstand. Als dieses Mädchen, das ihrem Herzen so nahe stand, heiratete, verfiel Gertrud immer mehr in Schwermut. Im Jahre 1281 starb sie vor lauter Gram um den Verlust der Tochter, wollte man den zeitgenössischen Gerüchten Glauben schenken.

      Rudolf, der seine Gemahlin ein Leben lang geliebt hatte, tröstete sich für einen alternden Mann überraschend schnell. 1284 ging er mit 66 Jahren zur Überraschung aller eine zweite Ehe ein, durch die er letztlich zum Gespött im Reich wurde. Er führte die erst 14jährige Agnes (Isabella) von Burgund zum Traualtar, wobei er nicht frei von politischen Hintergedanken war: Er vermeinte durch diese Eheschließung Burgund und damit Frankreich näher an das Reich binden zu können. Seine Hoffnungen erwiesen sich als trügerisch, denn plötzlich machten sich im Westen antihabsburgische Tendenzen bemerkbar, die vor allem von der Stadt Bern geschürt wurden. Die Schweizer traten zum ersten Mal vehement gegen die Habsburger auf und sollten ihre Ressentiments diesem Herrschergeschlecht gegenüber in den nächsten Jahrzehnten nicht mehr abbauen.

      Die junge Königin wurde schon bald zu einer Krankenschwester degradiert, die jedoch kaum von der Seite ihres Gemahls wich. Als König Rudolf sein Ende nahen fühlte, beschloss er nach Speyer zu ziehen, in die Stadt, in der die großen Kaiser des Heiligen Römischen Reiches ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten. Am 15. Juli 1291 starb der erste habsburgische König und hinterließ seinem ältesten Sohn eine schwere Erbschaft.

      Noch zu seinen Lebzeiten war der Vater stets bemüht gewesen, Albrecht alle Wege zu ebnen. Als der Sohn noch in den Kinderschuhen steckte, machten sich die Eltern darüber Gedanken, wen er als seine Braut zum Altar führen sollte. Dabei war nicht nur die Herkunft des Mädchens von Bedeutung, Rudolf erkannte so wie seine Nachfahren in späterer Zeit, dass eine ansehnliche Mitgift für das zukünftige Glück seines Sohnes mindestens genauso interessant war wie das Aussehen der Braut. Albrecht zählte noch keine zehn Jahre, als ein erster Heiratsvertrag mit Graf Theobald von Bar geschlossen wurde. Die Tochter des Grafen Jolante sollte die Gemahlin Albrechts werden. Dabei setzte man den Tag als Hochzeitsdatum fest, an dem beide das zehnte Lebensjahr überschritten hatten.

      Diese Kinderhochzeit kam allerdings nicht zustande. Warum dieser Heiratsplan platzte und Albrecht nicht Jolante, sondern die Tochter Meinhards von Tirol, Elisabeth, ehelichte, ist nicht genau bekannt. Der neue Schwiegervater war ein reicher und mächtiger Mann, dessen Einfluss überall zu spüren war. Würde Albrecht doch einst durch die verwandtschaftlichen Beziehungen enge Verbindung zu den wichtigen Ländern Tirol, Görz und Kärnten bekommen. Es gab für König Rudolf wahrscheinlich noch andere Hintergründe, seinen ältesten Sohn mit Elisabeth von Görz-Tirol zu verheiraten. Denn die Braut konnte mütterlicherseits auf eine hohe Verwandtschaft blicken, ihre Mutter Elisabeth war immerhin eine Halbschwester des letzten Hohenstaufen, des unglücklichen Konradin.

      1274 wurde die Ehe geschlossen, die mit einer riesigen Kinderschar gesegnet war. Elisabeth brachte 21 Söhne und Töchter zur Welt, von denen allerdings zehn im Kindesalter starben. Die übrigen elf erwiesen sich als politisches Heiratsgut, denn die Eltern trachteten darnach, sie bestmöglich und Gewinn bringend zu verheiraten, wie dies später auch Maria Theresia im Brauch hatte.

      Albrecht hätte keine bessere Wahl treffen können, denn Elisabeth unterstützte in ihrer klugen Art ihren Mann, wo sie nur konnte. Sie führte in ihrer Ehe nicht ein Schattendasein, wie es einer Frau dieser Zeit entsprochen hätte, sondern stand an der Seite ihres politisch kraftvollen Mannes im Lichte der Öffentlichkeit. Albrecht hatte schon sehr bald erkannt, welch wichtige Ratgeberin er in Elisabeth gefunden hatte, und übertrug ihr so manche, oft brisante politische Aufgabe, die sie trotz ihrer ständigen Schwangerschaften zu seiner vollsten Zufriedenheit löste. In vielerlei Hinsicht wirkte sie ausgleichend und beruhigend und versuchte immer wieder die Härten zu mildern, zu denen sich Albrecht in seiner impulsiven Art hatte hinreißen lassen.

      Elisabeth musste eine starke Frau gewesen sein, physisch und psychisch, die trotz der Unbilden der Zeit sich mit voller Kraft behaupten konnte. Sie überlebte, wie kaum eine andere Gemahlin eines Herrschers, 21 Entbindungen, etwas, was bei den medizinischen und hygienischen Verhältnissen der Zeit an ein reines Wunder grenzte. Mutlosigkeit und Resignation waren für sie fremd, denn auch nach der schrecklichen Ermordung ihres Gemahls resignierte sie nicht, sondern setzte alles daran, dass seine Mörder zur Verantwortung gezogen würden.

      Vieles im Leben hatte Albrecht beeinflusst, nicht nur die höfischen Sitten des Rittertums, auch das »moderne« Leben in den allmählich entstehenden Städten blieb nicht ohne Wirkung auf den jungen Habsburger, obwohl man sich von Seiten der Stadtbevölkerung noch redlich bemühte, das adelige Leben auch innerhalb der Stadtmauern zu kopieren. Nach wie vor spielten die Dichter und Sänger eine überragende Rolle, waren sie es doch, die in ihrer Welterfahrung die alten kulturellen Errungenschaften von Burg zu Burg getragen hatten. Hoch geehrt und gefördert zogen sie auch jetzt noch durch die Lande und verbreiteten in ihren Liedern die tragische Kunde vom Untergang des letzten Staufers.

      Diese Geschichte musste auf den jungen Albrecht eine ganz besondere Wirkung gehabt haben. Sein Vater hatte Kaiser Friedrich II. noch persönlich gekannt und hatte den Kindern von seiner faszinierenden Persönlichkeit erzählt. Die hoch begabten Söhne dieses Kaisers und ihr bemitleidenswertes Schicksal standen ihm während seiner Kindheit deutlich vor Augen und auch die Rolle, die der Papst in der Tragödie um den letzten Staufer Konradin gespielt hatte, blieb ihm nicht verborgen. Viele Gedanken beschäftigten den jungen Mann und dann und wann überfielen ihn ernsthafte Zweifel, ob er die Aufgabe, die auf ihn zuzukommen schien, Herrscher über das Reich zu sein, würde erfüllen können. Denn am Beispiel seines Vaters hatte er die wechselhafte Haltung der Kurfürsten studieren können und dabei mit offenen Augen beobachtet, wie undurchsichtig politische Beschlüsse sein konnten, von wie vielen Faktoren sie abhingen.

      Und jetzt – nach dem Tod seines Vaters – bekam er dieses Ränkespiel am eigenen Leibe zu spüren. Plötzlich dachte niemand mehr an gegebene Versprechungen, seine Wahl zum König war umstritten. Dabei hatte Albrecht in vielerlei Hinsicht bewiesen, dass er trotz seiner jungen Jahre ein durchaus tatkräftiger Mann war, wichtige Entscheidungen nicht lange vor sich herschob, jedoch auch manchmal zu spontan agierte.

      Albrecht hatte schon mit 19 Jahren in den Oberen Landen, dem eigentlichen Hausgut der Habsburger, Herrschaftsrechte ausgeübt, auch während der Zeit, als sein Vater im Osten gegen den Böhmenkönig gekämpft hatte. Es war, als wollte König Rudolf den Sohn nicht der Gefahr des Kampfes aussetzen, er brauchte ihn für wichtigere Aufgaben. Während sich auf dem Marchfeld zwischen Dürnkrut und Jedenspeigen die Zukunft des Hauses entschied, begann Albrecht in den ihm anvertrauten Gebieten die Verwaltung von Grund auf umzukrempeln. Nüchtern wie er war, erkannte er die Notwendigkeiten einer Neuordnung und veranlasste die Aufnahme eines Urbars der habsburgischen Hausgüter.

      Nach den Wirren der »kaiserlosen Zeit« erschien es Albrecht vorrangig, ein geregeltes Leben für alle Teile der Bevölkerung zu ermöglichen. Dass dies nicht von einem Tag auf den anderen geschehen konnte, erkannte er schon bald, obwohl er in seiner Ungeduld am liebsten alles von heute auf morgen geändert hätte. Vieles, was aus früheren Zeiten überkommen war, musste modernen Einrichtungen weichen. Bei diesem groß angelegten zukunftsweisenden Reformwerk schuf er sich natürlich nicht nur Freunde. Es waren vor allem die Reichsfürsten, die mit Argusaugen die Aktivitäten Albrechts verfolgten. Da ihn der Vater im Jahr 1279 nach Österreich hatte kommen lassen, verlagerte sich sein Interesse und seine Tatkraft in dieses Gebiet. 1280 zog er offiziell als Sohn des deutschen Königs in Wien ein, das auf König Rudolfs Veranlassung hin wieder die für jede Stadt so bedeutungsvolle Reichsunmittelbarkeit erlangt hatte – ein Privileg, das verloren gegangen war und große Vorteile mit sich brachte. Reichsunmittelbare Städte unterstanden nur dem König oder Kaiser, von allen anderen Landesherren waren sie unabhängig.

      Albrecht war ein moderner junger Mann, der im Westen die Möglichkeiten wahrgenommen hatte, von