AEIOU. Sigrid-Maria Größing

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Название AEIOU
Автор произведения Sigrid-Maria Größing
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783902998736



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seiner vier Wände zurück und gab sich seinen Spintisierereien hin, an denen er niemanden teilhaben ließ. Den misanthropischen Einzelgänger kümmerte es wenig, was man über ihn dachte und redete, er lebte ganz nach seiner Façon. Räte und Gesinde hatten sich nach seinen Vorstellungen zu richten, und nicht selten ließ er sie mitten in der Nacht zusammenholen, um zu konferieren. Nach solchen nächtlichen Intermezzi legte er sich dann noch einmal zur Ruhe und schlief bis in den Vormittag hinein, obwohl damals Langschläfer als Faulpelze galten. Was kümmerte das Friedrich? Weckte ihn jemand zu ihm nicht genehmer Stunde, dann konnte er äußerst unwirsch werden und die Person, die ihn aus seinen Träumen gerissen hatte, kurzerhand hinauswerfen.

      Was sollte bei einem solchen Lebenswandel eine junge Frau an seiner Seite? Wenn sie sich schon mit ihm zeigte, behandelte er sie eher als Tochter, als Ehefrau, meist aber sah er bloß über sie hinweg und verbot ihr alles, woran sie Freude gehabt hätte. Wie die meisten jungen Frauen, auch zu dieser Zeit, war sie an Mode und schönen Kleidern interessiert, liebte weichen Samt und knisternde Seide, aber Friedrich fand dies überflüssigen Tand, ja fast Teufelswerk. Näherte sich ihm eine Dame mit allzu offenherzigem Dekollete, schloss er die Augen und befahl, die Versucherin aus dem Saal zu führen. Er hasste auffällige Kleidung, besonders wenn sie die Grenzen der Schicklichkeit überschritt, wie es auch bei den damals modischen enganliegenden Beinkleidern der Männer der Fall war. Solche Kleidung musste ja zu Laster und sittlichem Verfall führen! Aber auch der Tanz galt für ihn als Versuchung des Teufels. Nur zweimal im Leben war es Eleonore gelungen, ihren Mann durch langes Bitten zu einigen Tanzschritten zu bewegen, beileibe kein Vergnügen für die junge Frau, die bald merkte, wie widerwillig er sich bewegte, so dass ihr bald jede Lust verging. Friedrich soll einmal geäußert haben, dass er lieber fieberkrank darniederliegen wolle als noch einmal das Tanzbein zu schwingen.

      Die portugiesische Prinzessin lebte am Hof ihres Mannes wie eine Fremde und führte ein Schattendasein, das nur durch die Kinder Lichtblicke erhielt. Die Kleinen liebten ihre Mutter zärtlich, und Eleonore verbrachte jede freie Stunde bei ihnen. Den Vater sahen Maximilian und Kunigunde selten, und sie waren nicht allzu traurig darüber, denn zeigte sich der Kaiser, so fand er nie ein freundliches Wort für die Mutter oder sie; stets wurde nur genörgelt und getadelt. Eleonore durfte die Räume ihres Mannes nicht betreten, die Friedrich als seine Privatsphäre betrachtete. Nie diskutierte der Kaiser mit ihr politische Probleme, bei denen sie mit ihrem gesunden Realitätssinn durchaus eine Stütze hätte sein können. Eleonore verstand die Passivität ihres Mannes nicht; für sie musste ein Herrscher tatkräftig, rege und leutselig sein, wollte er zum Wohl des Volkes regieren. Sie selbst war durch das Desinteresse Friedrichs an ihrer Person zur Macht- und Bedeutungslosigkeit verurteilt. Es ist wie ein Wunder, dass sie an der Seite ihres Mannes nicht innerlich völlig verkümmerte, dass sie trotz der Abgeschiedenheit, in der sie lebte, immer noch Gelegenheiten fand, bedeutende Persönlichkeiten ihrer Zeit um sich zu scharen. Die Feste, die sie – oft gegen den Willen des Kaisers – gab, wurden zu glanzvollen Höhepunkten in ihrem Leben. Hier konnte sie Politik machen, hier verteidigte sie die Machtansprüche der Habsburger auf den böhmischen und ungarischen Thron, hier fand sie offene Ohren gegen die Ungarn, deren ehrgeiziger König Matthias Corvinus Friedrich schwer zu schaffen machte, und hier zeigte sie bedeutenden, namhaften Männern, die es sich zur Ehre anrechneten, bei der Kaiserin geladen zu sein, die Ziele und Wünsche der habsburgischen Politik auf. Charmant, wie sie war, konnte sie ihre Theorien auf unkomplizierte Art so vortragen, dass alle von der schönen Frau hingerissen waren. Und mit diesen Einladungen nützte sie ihrem politisch unklugen Gemahl wahrscheinlich mehr, als er wahrhaben wollte. Eleonore wurde in den wenigen Jahren, in denen sie in Österreich lebte, innerlich mehr ein Mitglied der Familie Habsburg, als es Friedrich jemals gewesen war. Die feste und enge Bindung an das Geschlecht hat sie ihrem Sohn Maximilian mit auf den Lebensweg gegeben. Er vergaß es nie, dass die »Casa d’Austria« die Vorrangstellung in Europa einnehmen sollte. Die Kaiserin hatte sich im Laufe der Jahre zu einer echten Persönlichkeit entwickelt, sie war es, die ihrem Sohn glänzende Eigenschaften vererbte, und letztlich wurde sie zu einer echten Stammmutter der Habsburger. Als sie am 3. September 1467, wenige Tage vor ihrem 31. Geburtstag, starb, weinten am Kaiserhof viele um sie, am wenigsten wohl ihr eigener Mann, mit dem sie sich überworfen haben soll. Er konnte von nun an ganz in seiner eigenen Welt leben, und keiner störte ihn mehr. Nur selten zeigte er sich seinen Kindern, meist verbunden mit lautem Türengeknall, denn der Kaiser hatte die seltsame Angewohnheit, Türen nicht mit der Hand, sondern mit den Füßen zu schließen. Alles hielt den Atem an, wenn er sich näherte, und besonders die Kinder hatten unter seinen ständigen Rügen und Nörgeleien zu leiden. So waren alle froh, wenn er wieder in seinen Gemächern saß und ungefähre Berechnungen über den Lauf der Gestirne anstellte – er hatte nie genau studiert, wie man dies wissenschaftlich durchführen könne. Das überließ er seinen Hofastrologen und -astronomen, die in seinem Auftrag zu arbeiten hatten. Alles, was mit der Zukunft zusammenhing, interessierte ihn brennend, und je mehr er versuchte, durch allerlei Künste Einblick in ferne Zeiten zu gewinnen, desto mehr vergaß er die Gegenwart und überließ sehr bald die Politik seinem jungen Sohn Maximilian. Er aber konnte sich zu kuriosen Experimenten zurückziehen, bei denen ihn die Hoffnung leitete, doch noch blinkendes Gold in den Phiolen zu entdecken oder das »Lebenswasser« ausfindig zu machen, ein Allheilmittel für sämtliche Krankheiten.

      Friedrich gilt als der ewige Zauderer auf dem Thron, die »Erzschlafmütze des Reiches«; bedenkt man aber, dass er sich diese Rolle nicht hat aussuchen können, so urteilt man doch verständnisvoller über einen Mann, der lieber Alchimist oder Medicus geworden wäre oder als Einsiedler sich ganz seinen Versuchen hingegeben hätte. Friedrich war ein Sonderling, der nie hätte heiraten dürfen. So war er nicht nur selbst unglücklich in seinem Amt, er vergällte auch seiner Frau und seinen Kindern das Leben.

      In seinen letzten Lebensjahren war der seltsame Kaiser beinahe zur Legende geworden. Er lebte nun zurückgezogen in Linz, wo er in seinem Garten Blumen und Gemüse anbaute. »Stolz wie ein König« zeigte er sich, wenn seine Früchte die größten und schönsten in der ganzen Umgebung waren. Die Bauern liebten ihn und zogen ehrerbietig die Mützen, wenn er in der Kutsche vorbeifuhr; die Vertreter des Adels und der Geistlichkeit freilich rümpften die Nase, wenn sie hörten, dass der Kaiser nicht zu Pferd übers Land fahre, sondern sich wie eine Frau kutschieren lasse.Da der alte Mann so anders war als die anderen, konnte es nicht ausbleiben, dass man ihm allerlei Teufelsmagie in die Schuhe schob, dass man behauptete, er fange Fliegen und sammle Mäusekot, sei verblödet und abartig. Niemand wurde zu ihm vorgelassen, der berichten hätte können, wie es um den Kaiser wirklich stand. Längst schon hatte er sich aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen, und erst als er vom Altersbrand befallen wurde und ihm die Ärzte ein Bein amputieren mussten, wurde man wieder auf ihn aufmerksam. Es grenzte an ein Wunder, dass die mit äußerst primitiven Mitteln durchgeführte Amputation glückte. Obwohl sich der Kaiser auch erstaunlich rasch erholte, verschied er aber dennoch kurze Zeit darauf ganz plötzlich: Wie die Ärzte konstatierten, hatte er zuviel Melonen gegessen.

      Ein ungeliebter, unbekannter und vielfach auch verkannter Kaiser war tot. Schon zu Lebzeiten hatten hervorragende Künstler in seinem Auftrag ein Hochgrab im Stephansdom zu Wien errichtet; hier wollte Friedrich allein beigesetzt werden. Eleonore ruhte schon seit langem in Wiener Neustadt. Man zögerte, den Leichnam nach Wien zu überführen, in die Stadt, mit der er zu Lebzeiten so große Schwierigkeiten gehabt hatte. Aber die Volksseele ist wandelbar, besonders das Gemüt der Wiener: Jetzt waren alle verstummt, die ständig mit dem Kaiser unzufrieden gewesen waren. Hunderte säumten seinen letzten Weg, und so mancher, der Friedrich zu Lebzeiten gehasst hatte, wischte sich nun heimlich eine Träne aus dem Auge. Der Tod ließ vergessen, dass niemand diesen Kaiser haben wollte, der nicht für dieses Amt geboren war und sich ein Leben lang selber im Weg gestanden hatte.

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