AEIOU. Sigrid-Maria Größing

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Название AEIOU
Автор произведения Sigrid-Maria Größing
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783902998736



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die Ehe galt als vollzogen.

      Was mag in der jungen Kaiserin vor sich gegangen sein, als sie in aller Öffentlichkeit mit ihrem Gemahl das Bett besteigen musste, obwohl er nach wie vor überhaupt kein Interesse an ihrer Person zeigte? Es wird ihr auch nicht verborgen geblieben sein, dass ihr Schicksal alle am Hofe, Gesinde wie Adelige, vor allem aber ihre eigenen Hofdamen über die Maßen beschäftigte. Durch Liebeszauber wollten sie den Kaiser ins Gemach seiner Frau locken, mit Parfüm vermischtes Weihwasser wurde ausgesprengt, schmelzende Liebeslieder erklangen – aber alles war umsonst, ja, Friedrich verdächtigte sogar Eleonores Amme der Hexerei. Um sie aber nicht vor dem ganzen Hof zu brüskieren, befahl er sie schließlich doch zu sich auf sein Zimmer: und dort konnte er nun endlich dem Reiz der jungen Frau nicht mehr widerstehen. Aeneas Silvius Piccolomini, der Vertraute des Kaisers (und spätere Papst Pius II.), berichtet in seinen Aufzeichnungen pikante Details von dieser verspäteten Hochzeitsnacht.

      Nach den glanzvollen Monaten in Neapel traten Friedrich und Eleonore getrennt die Weiterreise nach Venedig an. Die Lagunenstadt gab den hohen Gästen zu Ehren ein rauschendes Fest. Wieder flogen der Kaiserin alle Herzen zu, und als die Stunde des Abschieds nahte, schenkten die Stadtväter Eleonore einen kostbaren Ring im Wert von 1750 Dukaten, der sie immer an die Tage in Venedig erinnern sollte.

      Im Kaiser wurden in Venedig alte Erinnerungen wach: Als Kaufmann verkleidet war er vor Jahren hier durch die Märkte gezogen und hatte die Waren aus fernen Ländern bestaunt. Von hier war er 1436 nach Jerusalem gezogen und hatte sich dort unter die Händler gemischt. In den engen, winkeligen Gassen voller fremdartiger Gerüche hatte er nach langem Feilschen so manchen Edelstein erworben. Friedrich konnte sich an den kostbaren Steinen nicht satt sehen, er liebte nicht nur ihren Glanz und ihre Farben, sondern beschäftigte sich auch wissenschaftlich mit ihnen. In seiner Alchimistenküche versuchte er ihrem Geheimnis auf die Spur zu kommen, ja sie eventuell sogar selbst künstlich herzustellen. Alles Geld, das er erübrigen konnte, hatte Friedrich im Orient für Juwelen ausgegeben, und er verfügte über eine phantastische Edelsteinsammlung, obwohl er ständig unter Geldsorgen litt. Es gibt heute noch ein Schmuckstück, das aus dieser Zeit stammt, »ain ring gancz von saffir«. Friedrich kaufte die Steine aber nicht für die Schmuckschatulle; obwohl meist schäbig gekleidet, trug er die wertvollsten Pretiosen selber und hatte an seiner Seite immer einen schwer vergoldeten Dolch hängen, von dem er sich nie trennte, den er aber auch nie benutzte.

      Jetzt in Venedig war der Kaiser wieder ganz in seinem Element. Er kaufte orientalische Waren, die man in Österreich kaum kannte, gab ein kleines Vermögen für feinsten Damast und schillernden Atlas, aber auch für Teppiche und scharfe Damaszenerklingen aus. Unauffällig gekleidete Diener mussten die von Friedrich selbst ausgesuchten Waren abholen, da der Kaiser befürchtete, man würde ihn sonst übers Ohr hauen.

      Für die Kaiserin ging die Zeit in Italien nur allzu rasch vorüber. In der allgemeinen Festesstimmung hatte sie ihren Mann gar nicht vermisst, der schon bald wieder keine Notiz von ihr nahm. Friedrich war nun einmal kein feuriger Liebhaber, und auch eine entzückende Frau wie Eleonore konnte ihn nicht dazu machen. Einzig der Gedanke, einen Sohn zeugen zu müssen, bewog ihn zu intimen Kontakten mit ihr. Dieser Sohn aber sollte, wenn schon hier gezeugt, so doch unter keinen Umständen das Licht der Welt in Italien erblicken. Als man daher raunte, Eleonore sehe Mutterfreuden entgegen, brach er jäh auf. Ein schweres Gewitter stand am Himmel, als der Kaiser mit seiner Frau die Grenze zu seinen Ländern überschritt, und so mancher im Gefolge vermeinte in den zuckenden Blitzen und im Krachen des Donners ein böses Omen für das zukünftige gemeinsame Leben des Kaiserpaares erkennen zu müssen.

      Schließlich erreichte man Wiener Neustadt, wo der Kaiser seine Residenz aufgeschlagen hatte. Grau in Grau zeigte sich die neue Heimatstadt der Kaiserin, nichts erinnerte auch nur im geringsten an die Pracht und die Helligkeit des Südens, kalt und feucht schienen die dicken Mauern der Burg. Das Herz zog sich Eleonore bei dem Gedanken zusammen, hier ihr weiteres Leben verbringen zu müssen, an der Seite eines Mannes, den sie nie für sich gewinnen konnte, so sehr sie sich auch bemühte.

      Es blieb ihr nichts anderes übrig, als sich das Leben so angenehm wie nur irgend möglich zu machen. Im Laufe der Monate hatte sie Vertraute gefunden, mit denen sie sich gerne umgab und portugiesisch sprechen konnte. Vor allem einer Hofdame, die sie aus der Heimat mitgebracht hatte, konnte sie in ihrer Einsamkeit ihr Herz ausschütten. Die Kaiserin entbehrte so ziemlich alles, was sie gewöhnt war. Der Kaiser ließ sie meist allein, denn eben um diese Zeit hatte er wieder mit vielen Feinden zu kämpfen. Die Anhänger des jungen Ladislaus Postumus machten ihm das Leben schwer, ebenso sein Bruder Albrecht, der es geschickt verstand, die Gegner Friedrichs aufzuwiegeln. Jede noch so kleine Gelegenheit nützten die Feinde, um die ohnehin geringe Macht des Kaisers noch mehr zu untergraben. Wann immer Friedrich nicht in Wiener Neustadt weilte, zogen Söldnerhaufen plündernd und brandschatzend durch die Straßen der kleinen Stadt und versetzten die junge Frau, die gerade ihr erstes Kind erwartete, in Angst und Schrecken.

      Drei Jahre waren einstweilen seit der Hochzeit vergangen, und Eleonore hatte noch immer keinem Kind das Leben geschenkt. Die Gerüchte in Venedig hatten sich als falsch erwiesen. Hinter vorgehaltener Hand flüsterte man schon, das sei kein Wunder bei dem Desinteresse Friedrichs an seiner Gemahlin. Und als sich dann doch die ersehnte Schwangerschaft einstellte, munkelten böse Zungen, dann müsse wohl ein anderer der Vater sein als Friedrich.

      Im November 1455 jedenfalls brachte Eleonore in einer langen, schweren Entbindung einen Knaben zur Welt, der auf den Namen Christoph getauft wurde. Endlich hatte sie ein Wesen, auf das sie ihre Liebe konzentrieren konnte; aber schon im nächsten Jahr klopfte der Tod an die Tore des Palastes. Christoph starb ganz plötzlich am 25. März 1456. Der Tod des Kindes war für Eleonore ein schwerer Schlag, nicht nur, weil sie das Liebste verloren hatte; Friedrich machte ihr auch noch heftige Vorwürfe, sie hätte den Knaben falsch ernährt.

      Zwischen dem Kaiser und seiner Frau gab es häufig Diskrepanzen, und die Frage des Essens wurde beinahe täglich aufs neue zum Zankapfel. Friedrich, der Asket, bevorzugte die schweren heimischen Speisen: Breie, Gemüse und Salate durften auf der kaiserlichen Tafel nicht fehlen. Wein war verpönt; der Kaiser trank nur Wasser. Eleonore dagegen liebte Süßspeisen und Leckereien, die sie durch Boten aus Portugal erhielt. Friedrich sah das mit scheelen Augen; oft hatte er versucht, ihr dieses Vergnügen einfach zu verbieten, aber vergeblich: Wenn Eleonore sich auch mit dem kargen Leben in Wiener Neustadt und später in Wien abfand, in einer Sache ging ihr südländisches Temperament mit ihr durch: Beim Essen ließ sie sich nichts vorschreiben.

      Im März 1459 kam der zweite Sohn des Kaiserpaares zur Welt, Maximilian. Sofort nach der Geburt wollte Friedrich seiner Frau das Kind wegnehmen, um es nach österreichischer Sitte erziehen zu lassen, aber Eleonore gelang es doch, ihn zu überzeugen, dass ein Säugling in der Obhut seiner Mutter bleiben sollte. Friedrich willigte, wenn auch widerstrebend, ein; als aber die Tochter Helena, eineinhalb Jahre nach Maximilian geboren, als Kleinkind starb, war er endgültig überzeugt, die von der Mutter verabreichten Leckereien wären der Grund ihres frühen Todes. Friedrich verbot ihr strikt, den Kindern weiterhin Süßigkeiten zu geben, und der kleine Maximilian verstand die Welt nicht mehr, als er nur noch dicken, schweren Haferbrei zu essen bekam. Kunigunde, eine weitere Schwester Maximilians, musste in die Gemächer des Kaisers gebracht werden, wo er sie eigenhändig mit Hirse- und Haferbrei vollstopfte.

      Ja älter Friedrich wurde, desto ausgeprägter traten seine eigentümlichen, ja skurrilen Charaktereigenschaften hervor. Die Menschen wichen scheu vor ihm zurück, und alles was er anfasste, schien zu misslingen. Er war kein Politiker, und doch musste er sich ein Leben lang mit politischen Kämpfen und Intrigen herumschlagen. Nach dem überraschenden Tod des jungen Ladislaus Postumus (man munkelte von Gift; jüngste Forschungen haben allerdings bestätigt, dass er eines natürlichen Todes gestorben ist) im Jahre 1457 stellten sich die Wiener unter der Führung ihres Bürgermeisters Wolfgang Holzer offen gegen den Kaiser und auf die Seite seines Bruders Albrecht und belagerten die Kaiserfamilie in der Hofburg; Friedrich musste Albrecht Österreich unter der Enns abtreten.

      Die Zeit in Wien zählte zu den schrecklichsten Monaten im Leben der Kaiserin. Die Belagerer hatten die Familie von allem abgeschlossen, was zum Leben notwendig war. Der spätere Kaiser Maximilian, damals ein dreijähriger Knabe, erinnerte sich ein Leben lang an diese düstere Zeit, in der nur die