Название | Mein Herz hört deine Worte |
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Автор произведения | Joanne Bischof |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783765575440 |
„Beinahe vier. Ich kann die Sprache nicht besonders gut“, gestand Ava.
„Wie war es dort? Für Benn und dich?“ Er schlug härter gegen einen grünen Trieb, als er musste.
„Wie meinst du?“, fragte Ava schwach.
Haakon zuckte mit den Achseln, als wäre es lediglich einfacher, in ihrer Vergangenheit herumzustochern als in seiner eigenen. „Wo habt ihr gelebt?“
„In einem kleinen Fischerdorf namens Henningsvaer. Benn war ein Bootsbauer.“ Ava schob den Eimer mit einer Hand zwischen Haakon und sich, die genauso lila verschmiert war wie seine. „Wir haben uns eine kleine Wohnung über einer Bäckerei gemietet. Ich habe eine Menge Potetlefse gegessen.“
Diesmal war er an der Reihe und kicherte. Darüber war Ava dankbar, da es ihn zurück in eine fröhlichere Stimmung versetzte. Seine Nase und Wangen waren gespickt mit kleinen Sommersprossen, die ihn jungenhaft wirken ließen. Doch kaum richtete er sich auf, erkannte Ava erneut, dass er keineswegs weniger erwachsen war als einer der anderen beiden.
„Würdest du das mal für mich machen?“, fragte er.
„Soll ich?“
„Ja, bitte.“
„Dann mache ich das.“
Wieder lächelte Haakon, diesmal auf gefährliche Art und Weise. Ein solches Lächeln auf einem hübschen Gesicht wie seinem war einnehmend und berauschend zugleich. Als Haakon die beiden vollen Eimer forttrug, erinnerte Ava sich an den Schmerz, den er bei der Erwähnung seiner Mutter gezeigt hatte.
Als Haakon beim Waschtrog angekommen war, schüttete er den Inhalt der Eimer hinein. Dann fragte er Thor, ob sie für heute fertig sein könnten. Thor hatte ihm den Rücken zugewandt, während er Beeren von einem Strauch pflückte. Also hob Haakon einen kleinen Stein vom Boden auf und feuerte ihn gegen Thors Stiefel. Dieser zuckte zusammen und sah über seine Schulter. Ein finsterer Ausdruck überschattete sein Gesicht.
„Sind wir endlich fertig?“, fragte Haakon scharf.
Oh, wie gerne hätte Ava jetzt selbst einen scharfen Ton angeschlagen. Seinen Bruder ignorierend wandte Thor sich wieder seiner Arbeit zu.
Stattdessen sagte Jorgan zu Haakon: „Musste das sein?“
„Entschuldige. Können wir jetzt schwimmen gehen?“
Jorgan antwortete nicht. Thor hob seinen Eimer hoch und schüttete den Inhalt in den Waschtrog. Dabei ließ er sich Zeit. Anschließend schritt er zu Haakon hinüber und umfasste mit seiner fleischigen Hand den Nacken seines Bruders. Dann drückte er leicht zu. Haakon ließ den Kopf sinken. Eine strenge Geste, die den jungen Mann in seine Schranken wies, aber gleichzeitig die Kluft zwischen den Brüdern überbrückte.
Thor trat zurück und löste den obersten Knopf seines weißen Baumwollhemdes. Gefolgt von dem zweiten. Das war dann also seine Antwort.
Plötzlich wurde Ava nervös und wandte ihren Blick ab. Der Wunsch nach einem kühlen Bad war beinahe unerträglich. Kein Wunder, dass Haakon so darum gebettelt hatte. Weil sie in einem großen Anwesen aufgewachsen war, kannte Ava diese Art von Zeitvertreib nicht. Das Gelände hatte sie nicht verlassen dürfen und mit den Kindern der Herrschaften hatte sie erst recht nicht spielen dürfen. War Schwimmen etwas, das die Geschlechter getrennt voneinander unternahmen? Sie vermutete es, aber es machte ihr nicht wirklich etwas aus. Sie hatte nämlich nie gelernt zu schwimmen.
Ava eilte zum Wagen. Sie würde im Schatten warten und ihre müden Füße ausruhen, bis die Männer ihren Spaß gehabt hatten. Da ertönte ein kurzer Pfiff und Ava drehte sich um. Thor winkte sie in Richtung des Teiches. Wollte er, dass sie ihnen folgte?
Verwirrt schüttelte sie den Kopf, aber Thor wiederholte seine Geste, bevor er sich umwandte und auf den Teich zulief. Dort zog er sich die Stiefel von den Füßen, dann die Socken. Anschließend öffnete er den letzten Knopf seines Hemdes.
Ava realisierte erst, dass sie ihn dabei beobachtete, als Jorgan an ihr vorbeieilte. „Keine Angst. Ich habe ihnen gesagt, dass sie sich benehmen müssen. Komm schon“, rief er ihr zu.
Am Wasser zog Thor sein Hemd aus und warf es zur Seite. Dann rannte er auf den Steg zu, sein starker und massiver Rücken kam unter der späten Nachmittagssonne zur Geltung. Ava hatte schon viele Wikinger-Sagen in ihrem Leben gehört, aber noch nie hatte jemand sie so lebendig werden lassen wie Thor Norgaard. Während auch Jorgan alles bis auf die wollene Hose auszog, sagte er etwas zu seinem Bruder. Thors darauffolgendes Lachen war so tief und frei, dass Ava nicht anders konnte, als es zu genießen. Es war mit keinem Klang auf dieser Welt zu vergleichen.
Obwohl sie nicht vorhatte, auch nur ein Kleidungsstück abzulegen, war der Gedanke an das kühle Wasser durchaus verlockend. Auf dem Weg zum Teich wurde die Erde immer matschiger und so kniete Ava sich nieder, um die Schuhe aufzubinden und auszuziehen. Dann rollte sie sich die Strümpfe von den Füßen. Die kühle Erde wirkte wunderbar befreiend. Sie sah sich nach Haakon um, konnte aber außer den Bäumen des Waldes, deren Blätter sich sanft in der leichten Brise bewegten, nichts erkennen.
Am Rande des Teichs stand ein gewaltiger Baum, dessen Wurzeln bis unter die Wasseroberfläche hineinreichten. Von einem der knorrigen Äste baumelte ein Seil herab. Jorgan lief den Steg entlang, griff nach dem Seil und schwang sich über das Wasser, bis er sich mit einem lauten Platsch in das kühle Nass fallen ließ.
Grinsend holte Thor das Seil zurück. Nach einem tiefen Atemzug rannte er genau wie Jorgan kurz zuvor den Steg entlang. Mit einem lauten Schrei stieß er sich ab und sprang. Im Flug griff er nach dem Seil und schleuderte über das Wasser. Er schwang seine Beine in die Luft, den Kopf nach unten, ließ das Seil dann los und machte einen Salto. Mit einer gewaltigen Wasserfontäne landete er im Teich.
Das war also schwimmen.
Ava lief vorsichtig den grasbewachsenen Abhang hinab, der jäh an einer Klippe endete, die sie vom Wasser trennte. Sie sah sich nach einem einfachen Weg um, auf dem sie hinabgelangen konnte, entdeckte aber keinen. Der Versuch, diese kleine Klippe hinabzusteigen, würde sie ohne Zweifel zu Fall bringen. Stattdessen setzte sie sich ins Gras. Das war ihr genauso recht. Immerhin fühlte sie sich doch ziemlich unsicher, wenn sie von Wasser und seiner ungebändigten Wildheit umgeben war.
Nach einem zufriedenen Seufzen stockte ihr plötzlich vor Schreck das Herz, als sie Haakon hinter sich den Hügel hinabkommen hörte. Er riss sich Schuhe und Strümpfe von den Füßen und rannte auf den Steg zu. Sein Hemd zog er zuletzt aus und warf es achtlos von sich, bevor er mit einem Salto in den Teich sprang. Der Aufschlag auf dem Wasser löste einen solchen Platsch aus, dass Ava sich mit den Händen vor den Spritzern zu schützen versuchte. Bald tauchte er wieder auf, um Luft zu holen, wurde aber sofort wieder von Jorgan unter die Wasseroberfläche gedrückt. Derweil strich die Hündin durch das seichte Wasser, auf der Jagd nach etwas Glitschigem.
Ein anderes Geräusch ließ Ava aufsehen und sie sah zu Thor hinüber, der durch das seichte Wasser watete. Seine dunklen Hosen trieften. Er winkte Ava zu, doch sie schüttelte den Kopf. Noch einmal versuchte er sie anzulocken, doch diesmal mit einem kurzen Pfiff.
„Ich fürchte, ich kann nicht schwimmen“, rief Ava ihm zu.
Oder wollte er vielleicht etwas ganz anderes?
Als Ava die Enttäuschung auf seinem Gesicht wahrnahm, dachte sie an Coras eindringliche Worte, dass er verstanden werden wollte. Aus diesem Grund stand sie auf und lief an den Rand des Abhangs. Der Boden fiel mit einem Mal auf die Höhe ab, auf der Thor stand. Seine Brust ragte gerade noch über die Kante hinweg.
„Ich höre?“, sagte Ava mit einem Lächeln. Thor lächelte zurück. Sie wusste nicht genau, wie alt er war – irgendwas zwischen Jorgans zweiunddreißig und Haakons einundzwanzig Jahren. Über die Antwort dieser Frage sinnierte sie nach, während Thor näher an den Abhang trat und mit der flachen Hand auf die Stelle klopfte, an der sie stehen sollte. Die genähte Wunde an