Katharina Schratt. Georg Markus

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Название Katharina Schratt
Автор произведения Georg Markus
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783902998477



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zu machen.«

      Der Kritiker sah sich wohl deshalb dazu veranlaßt, möglichst deutlich zu betonen, daß er mit dem Fräulein noch nie persönlichen Kontakt hatte, da Katharina Schratt mittlerweile zu einem bildschönen Mädchen gereift war. Zu diesem Zeitpunkt zählte die Elevin schon zu den heftigst umworbenen Badener Mädchen. Von einem Leutnant Alfons de Dragoni ist bekannt, daß er sich intensivst um sie bemühte, der Schauspieler Leopold Gréve aus Baden hielt mehrmals um ihre Hand an. Doch Katharina wollte noch frei bleiben. Frei für ihre schauspielerische Laufbahn, die jetzt nicht mehr aufzuhalten war.

      Bald hatte sich der Name Schratt auch in den Direktionskanzleien der großen Wiener Bühnen herumgesprochen. Die drei bedeutendsten Theaterdirektoren wollten die junge Schauspielerin kennenlernen, nachdem diese im Frühjahr 1872 die Kierschner’sche Akademie absolviert hatte. Burgtheaterdirektor Franz von Dingelstedt (durch Vermittlung des großen Komödianten Carl La Roche), der Direktor des Stadttheaters, Heinrich Laube, und Anton Ascher, der Direktor des Carltheaters. Den »Wettlauf«, der nach der Abschlußprüfung an der Schauspielschule um sie einsetzte, beschrieb die Schratt selbst, an einer anderen Stelle des erwähnten Artikels in der Schönen blauen Donau, der den Kaiser so sehr interessierte, daß er ihn zweimal las:

      »Nun trat die ernste Frage eines Engagements an mich heran. Mein Lehrer Strakosch wollte mich durchaus an das damals neueröffnete Stadttheater bringen, und La Roche, der sich lebhaft für mein Talent interessierte, befürwortete mein Engagement ans Burgtheater. Während nun diese beiden Gönner für mich bei Laube und Dingelstedt eintraten, erhielt ich eines Tages von Direktor Ascher einen Brief, in welchem er mich aufforderte, ihn am nächsten Tage, Donnerstag Nachmittags, zu besuchen und ihm Einiges aus meinem Repertoire vorzusprechen. Ich zeigte diesen Brief meinem Lehrer Strakosch, welcher sofort zu Laube eilte. Kurz danach erhielt ich von Seite des Stadttheater-Sekretariats die Aufforderung, mich am nächsten Tage, Donnerstag, halb ein Uhr Mittags, zu einem Probespiel bei Direktor Laube einzufinden. Der Zufall fügte es, daß eine meiner Jugendfreundinnen, durch welche ich im Hause La Roche bekannt geworden war, dem Altmeister die Mitteilung machte, daß ich am nächsten Tage vor Laube Probe spielen sollte. La Roche verständigte sofort Dingelstedt, und ich erhielt noch am selben Tage von Seite der Burgtheater-Kanzlei die Aufforderung, mich Donnerstag um zehn Uhr Vormittags behufs eines Probespiels im Bühnenhause auf dem Michaelerplatz einzufinden. Ich hatte also an einem Tage drei Probegastspiele in drei verschiedenen Theatern zu absolvieren, ich, die früher kaum an ein einziges zu denken gewagt hätte. Na also! Am nächsten Tag nahm ich allen Muth zusammen und ging in Begleitung einer alten Verwandten, welche mir als Gendarmerie beigegeben worden war, ins Burgtheater. Das Haus war stockfinster, auf der Bühne befand sich keine Seele. Ich trat an die Rampe und machte einige Verbeugungen gegen das mir pechschwarz entgegenstarrende Haus, in dessen Parquet, wie ich wußte, Direktor Dingelstedt und die Regisseure saßen. Nachdem ich meine Schüchternheit und Beklommenheit überwunden hatte, begann ich eine Scene aus Grille, Gustel von Blasewitz und Faust (Gretchen) zu sprechen. Sobald die mir total unsichtbaren Herren von einer Rolle genug hatten, tönten mir aus der Finsternis die Worte entgegen: ›Genug! Bitte jetzt etwas Anderes!‹ – Das Probespiel war nach einer Stunde zu Ende, und die Stimme verkündete mir, daß ich in einigen Tagen hinsichtlich meines eventuellen Engagements Bescheid bekommen würde.

      Darauf verfügte ich mich in Strakosch’ Begleitung und mit meiner Adjutantin zu Laube. Er saß, als wir eintraten, an seinem Schreibtisch und schrieb. Strakosch stellte mich vor und Laube knurrte, während er mich strenge anschaute: ›Also, das ist das junge Frauenzimmer?‹ – ›Ja, Herr Professor!‹, stotterte ich in meiner Angst. – Schöne Müllerin, Grille, brummte hierauf Laube, indem er sich in seinen Sessel zurücklehnte und zum Plafond emporblickte. Ich begann nun diese beiden Rollen zu rezitieren. Nachdem ich zu Ende war, fällte Laube in sanfterem Tone folgendes schmeichelhafte Urtheil über meine Leistung: ›Das ist alles Kalbfleisch! Muß compacter werden! Wollen sehen, was sich machen läßt! Nicht früher anderswo abschließen. Adieu!‹

      Nachmittags begab ich mich zu Ascher. Der damalige Direktor des Carltheaters fixierte mich scharf, als ich mich ihm, von den Aufregungen des Tages halb geistesabwesend, vorstellte, und bat mich, ihm aus Wildfeuer und Ungeschliffen Diamant Einiges vorzusprechen. Während ich spielte, erhob er sich plötzlich und forderte mich kategorisch auf, ihm einen – Kuß zu geben. Diese unerwartete Wendung verwirrte mich derart, daß ich in einen Thränenstrom ausbrach und sagte: ›Ich bitt’, ich möcht’ fortgehen!‹

      Vergeblich suchte mich der über mein convulsives Schluchzen ganz desparate Direktor zu beruhigen. Er schwur, daß ihn mein Spiel zur Bewunderung hingerissen habe und daß er im Übermaß der Freude, eine so ausgezeichnete Künstlerin zu gewinnen, sich zu diesem beim Theater nicht ungewöhnlichen Zeichen der Verehrung habe hinreißen lassen, er habe es ja nicht böse gemeint, etc. Ich konnte mich trotzdem nicht fassen und rief unter Thränen: ›In das Engagement geh’ ich nicht! Ich bitt’, ich möcht’ aussi‹ – Und ich verließ mit meiner schreckensstarren Begleiterin das Haus des zur Bewunderung so hinneigenden Direktors. Nachträglich erinnerte sich Ascher oftmals lachend dieser originellen Scene und versicherte mir, daß er einen so ›dalkerten‹, unwiderstehlich komischen Gesichtsausdruck, wie ich ihn damals zeigte, weder vorher noch nachher jemals gesehen habe.

      Aus diesem dreimaligen Probespiel entwickelten sich für mich recht unliebsame Folgen. Laube und Ascher wollten mich sofort engagieren, während Dingelstedt mir ein fixes Engagement nach einem Probegastspiel anbot. Meine Familie und meine Gönner schwankten so lange zwischen den Anträgen, bis ich endlich keinen einzigen davon annahm und einem mittlerweile vom Berliner Hoftheater an mich gerichteten Rufe Folge leistete.«

      Talent und natürliche Anmut der angehenden Schauspielerin hatten sich tatsächlich bis in die Hauptstadt des Deutschen Reichs durchgesprochen. Dem dortigen Hoftheater-Intendanten Botho van Hülsen genügte es, zu wissen, daß sich die drei führenden Wiener Bühnen für Katharina Schratt interessierten. Ohne sie persönlich kennengelernt, geschweige denn je in einer Rolle gesehen zu haben, gab er ihr einen »Dreijahresvertrag ohne jede Gastspielprobe«.

      Katharina Schratt setzte sich in die Eisenbahn und fuhr nach Berlin.

      ZUNÄCHST BETÖRT SIE KAISER WILHELM

       Berlin und erste Gastspiele

      Alle Theaterdirektoren, denen sie in Wien vorgesprochen hatte, wollten sie engagieren, doch während ihr hier keine besonderen Rollen vertraglich zugesichert worden wären, bot ihr Intendant van Hülsen in Berlin sofort das »Erste Fach« als jugendliche Naive an. Dazu eine recht anständige Gage, nämlich »1200 Thaler, sowie 4 Thaler Spielhonorar pro Auftritt und zwei Monate Urlaub«.

      Begleitet von ihrer Mutter erschien Katharina Schratt also in Berlin. Schon nach ihrem Debüt am 2. April 1872 – sie gab die Titelrolle des Einakters Gustel von Blasewitz von Siegmund Schlesinger – erkannte die Vossische Zeitung »die Schlichtheit und Natürlichkeit« des Fräulein Schratt. Tage später stand sie als Marianne in Goethes Einakter Die Geschwister auf der Hofbühne. Jetzt wurden die Kritiker ausführlicher: »Wohl niemand, der es nicht weiß«, vermerkte einer, »sollte vermuthen, daß eine Anfängerin, die nur wenige Male auf der Bühne gestanden, diese Rolle spielt.«

      Und kein Geringerer als Theodor Fontane konstatierte in der Berliner Presse, auf ihren Wienerischen Tonfall anspielend: »Schaun S’, das nenn’ ich Spiel! Wir haben heute die Pflicht, einen beinah vollkommenen Erfolg zu verzeichnen.« Auch er könne sich »dem Zauber dieser Erscheinung« nicht entziehen. Nur manchmal machte sich »eine Dialektfärbung doch mehr geltend als sie sollte. Das andere, was wir beanstanden möchten, ist das Lachen, das zweimal wiederkehrt.«

      Insgesamt freut sich Fontane, dank der Schratt »dem Blechtrommelgeschmetter auf kurze Minuten enthoben zu werden«, womit er ganz offensichtlich gegen die wesentlich härtere preußische Aussprache der Berliner Co-Darsteller wettert.

      Der Erfolg der Schratt war schon deshalb gesichert, weil sie in Berlin die Nachfolge der wenig beliebten Schauspielerin Bousta angetreten hatte. Bei den Vergleichen der Zeitungen mußte die Österreicherin daher besonders gut