Um Macht und Glück. Sigrid-Maria Größing

Читать онлайн.
Название Um Macht und Glück
Автор произведения Sigrid-Maria Größing
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783902998750



Скачать книгу

Medici galt es zu verheiraten, etwas, was leichter gesagt als getan war. Denn die Mediceerin konnte man zwar in Gold aufwiegen, aber sie war so abgrundhässlich, dass selbst die Draufgabe – das Herzogtum Mailand – für Cornelius nicht ausreichte, die unattraktive Dame zum Traualtar zu führen!

      Die Weigerung von Cornelius hatte sich bis Wien herumgesprochen, wo zu der damaligen Zeit der Bruder Karls, Ferdinand, regierte. Als diesem die Gerüchte zu Ohren gekommen waren, die zu einem Skandal auszuarten drohten, da der keineswegs standesgemäße »natürliche« Cornelius es gewagt hatte, die einflussreiche Mediceerin zu verschmähen, erteilte er den Befehl an den Stiefonkel, sich so rasch wie möglich »gen Wienn auf die schuel« zu begeben. Und damit Cornelius keine Ausreden finden konnte, um in Italien bleiben zu können, schickte ihm Ferdinand postwendend 100 Gulden Reisegeld.

      Auch Ferdinand war der Meinung, dass Cornelius am besten im Schoße der Kirche aufgehoben sein würde und bemühte sich daher, ihm die Probstei Klosterneuburg zukommen zu lassen. Der Probst des Klosters war allerdings anderer Meinung. Er leistete erbitterten Widerstand gegen diesen Plan, wahrscheinlich waren ihm schon von diversen Zuträgern anrüchige Geschichten über den lockeren Lebenswandel des jungen Mannes zu Ohren gekommen.

      Rettung in dieser für alle Beteiligten verfahrenen Situation kam wieder einmal von Margarete, der einfühlsamen Halbschwester von Cornelius und Tante Ferdinands, die zu dieser Zeit Statthalterin in den Niederlanden war. Sie machte in einem Schreiben deutlich, dass Cornelius zu allem besser geeignet wäre als zum Geistlichen. Damit war sein Schicksal endgültig besiegelt, er war endlich ein freier Mann und konnte tun und lassen, was er wollte. Niemand, auch nicht der Kaiser konnte mehr Einfluss auf sein Leben nehmen.

      Cornelius blieb wahrscheinlich in Österreich, vielleicht sogar in Enns. Nach den wilden Jahren seiner Jugendzeit wurde es ruhig um ihn, sein weiteres Schicksal verliert sich im Dunkel der Geschichte.

      Leibarzt von Kaisern und Königen: Andreas Vesalius

      Es war in Kollegenkreisen eine wahre Sensation, als sich die Nachricht über die damals bekannte Welt verbreitete, dass der Chirurg und Anatom Andreas Vesalius Kaiser Karl V. auf seinen weiten Reisen medizinisch betreuen sollte.

      Man war darüber empört, dass ein Anatom und Chirurg diese bevorzugte Stelle bekleiden sollte, denn Mediziner war er in den Augen der Fachwelt beileibe keiner, obwohl Vesalius, der am Silvestertag des Jahres 1514 in Brüssel das Licht der Welt erblickt hatte, einen ausgezeichneten Ruf auf seinen Schaffensgebieten besaß und nach einem Studium in Paris schon mit 23 Jahren zum Professor in Padua für Chirurgie ernannt worden war. Aber der schwelende Dauerstreit, wer eigentlich einen kranken Patienten heilen durfte, brach nun durch bösartige Verleumdungen Vesalius gegenüber rundum aus.

      Die Liebe zur Heilkunst in den damaligen Spielarten lag in der Familie, denn schon der Vater, der aus dem niederrheinischen Wesel stammte und sich daher Vesalius nannte, bekleidete die Stelle eines Leibapothekers am Kaiserhof in den Niederlanden. Hatte sich der Vater aber hauptsächlich mit der Heilwirkung der Pflanzen beschäftigt, so zog es den Sohn an den offenen menschlichen Körper, wo er nicht nur die Lage der Organe studierte, sondern auch die Möglichkeit, wie man einem kranken Menschen durch chirurgische Eingriffe helfen konnte. Jahrhundertelang war das Innere des Menschen für die Wissenschaft tabu, strenge Vorschriften der Kirche untersagten die Öffnung von Leichen, so dass Forscher und Wissenschaftler meist im Schatten der Nacht und unter beinah unmöglichen Bedingungen auf geheime Sektionen angewiesen waren, wollten sie ergründen, wie es im Körper des Menschen aussah. Erst Stauferkaiser Friedrich II. machte Schluss mit den unsinnigen Verboten und erlaubte das Sezieren von Leichen. Das war leichter gesagt als getan. Denn die größten Schwierigkeiten bestanden darin, geeignete Tote herbeizuschaffen, da die unverrückbare Vorstellung herrschte, dass der Mensch mit Leib und Seele im Jenseits auftauchen sollte. Nur die ohnedies zum Höllenfeuer verdammten Verbrecher waren ausgenommen, so dass Vesalius gezwungen war, des Nachts auf die Galgenberge zu pilgern, um mit eigener Hand die Gehängten abzuschneiden, die er dann sezieren wollte. Bei diesem schaurigen Unterfangen fiel ihm auch die Leiche des Verbrechers Jakob Karrer in die Hände, dessen Skelett er akribisch wieder zusammensetzte und das heute noch eine Rarität in der anatomischen Sammlung von Basel darstellt. Natürlich übten auch Friedhöfe mit ihren Knochenbergen eine magische Anziehungskraft auf den jungen Vesalius aus, der erstmals bei seinem Studium in Paris mit dem Seziermesser an toten Hunden und Katzen umzugehen lernte.

      Nachdem er zu wissenschaftlichen Ehren in Padua gekommen war, begann er mit seinem Hauptwerk »Über den Bau des menschlichen Körpers«, ein Buch mit 639 Seiten, wobei der Maler und Holzschneider Johann Stephan von Calcar mit seinen künstlerischen Vorstellungen einen großen Einfluss auf Vesalius gehabt hatte, denn das Werk ist mit mehr als 200 Bildtafeln illustriert. Da er nach Abschluss seines Monumentalwerkes auch seinen Aufenthalt in Italien beendete, wurden die Druckstöcke mühevoll auf Maultieren über die Alpen nach Basel gebracht, wo das Buch 1543 erschien. Vesalius hatte Bahnbrechendes geleistet, er hatte nicht nur bewiesen, dass Galen, auf den die Fachwelt immer noch schwor, seine Erkenntnisse nur durch das Sezieren von Tieren gewonnen hatte, er hatte sich auch mit dem Aderlass, mit Gefäßerkrankungen und den Folgen des Geburtsvorganges beschäftigt, wozu er fünf weibliche Leichen wochenlang in seinen Zimmern aufbewahrte, um sie in Ruhe sezieren zu können. Vesalius war besessen von dem Gedanken, seine Kenntnisse zu erweitern, um heilen, helfen zu können.

      Vesalius’ Ruf drang bis zu Kaiser Karl V., der ihn zu seinem Leibarzt ernannte. Der neue Medicus schien für viele hellseherische Fähigkeiten zu besitzen, denn er diagnostizierte dem Augsburger Patrizier Leonhard Welser, der nach einem Sturz vom Pferd an unerträglichen Schmerzen litt, eine Geschwulst, die er für eine Aussackung der Hauptschlagader hielt. In seinen Augen war Leonhard Welser rettungslos verloren und als dieser nach zwei Jahren verstarb, bestätigten die Chirurgen die Aussage von Vesalius.

      Seine Tätigkeiten als kaiserlicher Medicus beschränkten sich nicht nur darauf, Karl V. zu begleiten, er wurde auch zu anderen Persönlichkeiten geschickt, um diesen seine ärztliche Kunst angedeihen zu lassen. Auf den Kriegsschauplätzen, wo Vesalius meist im Umfeld des Kaisers gesichtet wurde, hatte er natürlich reichlich Gelegenheit, sich als Chirurg zu betätigen, obwohl dies die kaiserlichen Begleiter eher mit scheelen Augen sahen. Aber man wusste, man hatte einen Mann vor sich, der von unaufhörlichem Forscherdrang beseelt war und auf dessen Rat man sich uneingeschränkt verlassen konnte, auch wenn er manches Mal geradezu unheimliche Dinge von sich gab. So hatte er dem Grafen von Beuren die Todesstunde beinah exakt vorhergesagt.

      Der Kaiser, von gesundheitlichen Problemen gequält, vertraute fest auf die Kunst seines jungen Medicus, denn Vesalius war erst 30, als er seinen Vorgänger Cornelius Baersdorf ablöste. Von Anfang an gab der neue Arzt seinem kaiserlichen Herrn den Rat, seine Essgewohnheiten zu ändern, denn obwohl Karl ein Leben lang eine schlanke Gestalt besaß, bevorzugte er dicke Suppen, fettes Fleisch, üppige Eierspeisen sowie Dutzende von Austern, dazu trank er reichlich Bier schon von Jugend auf. Dass all dies zusammen mit seinem unsteten Lebenswandel zu frühen Leiden führen musste, zeigte ihm Vesalius nicht nur dann deutlich auf, wenn ein schwerer Gichtanfall den Kaiser plagte, so dass der Medicus versuchte, Linderung der Schmerzen mit der neu entdeckten Chynawurzel herbeizuführen. Mit der Zeit wurde der Medicus für den Kaiser so unverzichtbar, dass er im Jahre 1556, als er sich entschloss, die Krone in die Hände seines Bruders Ferdinand zu legen, Vesalius mit nach Spanien nahm, wohin sich Karl zurückzog. Wahrscheinlich hatte der Medicus schon früher Gelegenheit gehabt, den einzigen legitimen Sohn des Kaisers König Philipp II. kennenzulernen, der ihn nach dem Tod seines Vaters im Jahre 1558 an seinen Hof nach Madrid berief.

      Andreas Vesalius stand nicht nur bei den Habsburgern in großem Ansehen, er eilte auch an den Hof des französischen Königs, als bei einem Turnier anlässlich der Hochzeit der Königstochter ein junger schottischer Lord, der Graf von Montgomery, Heinrich II. von Valois mit der Lanze das Visier des silbernen Helms durchbrach. Die Lanze bohrte sich durch das Auge des Königs bis ins Gehirn, so dass Heinrich sofort das Bewusstsein verlor. Um den Fall studieren zu können und den König zu retten, ließ sich Vesalius vier zum Tode verurteilte Verbrecher geben, denen er ebenfalls eine Lanze ins Auge stechen ließ. Aber auch durch eventuelle Erkenntnisse dieses barbarischen Experiments war Heinrich II. nicht mehr