Die Eroberung von Plassans. Emile Zola

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Название Die Eroberung von Plassans
Автор произведения Emile Zola
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783849618247



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      Aber gar keine Ursache! Gar keine Ursache! rief Mouret. Nur wir müssen bedauern, daß wir Sie für diese Nacht nicht besser unterbringen können.

      Der Priester grüßte und Martha sah neuerdings diesen starren Adlerblick, der sie schon das erstemal beunruhigt hatte. Es kam ihr vor, als leuchte es in den Augen dieses Mannes plötzlich auf gleich Lampen, die nachts an den schlafenden Häusern vorbeigetragen werden.

      Der Herr Pfarrer scheint recht feurige Augen zu haben, sagte Mouret spöttisch, als die beiden hinaufgegangen waren.

      Ich halte sie für nicht sehr glücklich, erwiderte Martha leise.

      Großen Reichtum bringt er nicht mit ... Sein Koffer ist federleicht. Ich hätte ihn mit dem kleinen Finger aufheben können.

      Doch er wurde von Rosa unterbrochen, die soeben über die Treppe heruntergelaufen kam, um all das Merkwürdige zu berichten, das sie gesehen.

      Die kann arbeiten! sagte sie, indem sie sich an den Tisch stellte, wo die Herrschaft aß. Die Frau ist wenigstens fünfundsechzig Jahre alt. Das sieht man ihr aber kaum an. Sie arbeitet wie ein Pferd!

      Hat sie dir beim Wegräumen des Obstes geholfen? fragte Mouret neugierig.

      Freilich, gnädiger Herr. So trug sie das Obst in ihrer Schürze weg; dabei nahm sie so viel, daß sie zu reißen drohte. Ich sagte zu mir: »Das Zeug muß reißen,« aber es riß doch nicht, denn der Stoff ist so gut wie der meinige. Wir sind wenigstens zehnmal hin und her gegangen, und ich spürte dann kaum mehr meine Arme. Ihr war es aber immer noch zu langsam, und sie zankte, nein, sie fluchte sogar, mit Respekt zu sagen.

      Mouret schienen diese Worte zu belustigen.

      Und die Betten? fragte er weiter.

      Die Betten hat sie gemacht ... Die muß man sehen, wie sie einen Strohsack aufschüttelt! Sie packt ihn bei einem Ende an und wirft ihn wie eine Feder in die Luft ... Dabei ist. sie aber ungemein genau ... Sie machte das Bett, als wolle sie das liebe Jesukindlein hineinlegen ... Von vier Decken legte sie drei auf das Bett. Alle beiden Polster gab sie ihrem Sohne; sie wollte keinen haben.

      So schläft sie auf der Erde?

      In einem Winkel wie ein Hund. Sie warf eine Matratze auf den Fußboden in dem anderen Zimmer, und erklärte, sie schlafe dort besser als im Paradiese. Ich konnte sie durchaus nicht dazu bringen, sich ein besseres Lager zu machen. Sie sagte, es friere sie nie, und sie habe einen viel zu dicken Schädel, um die Fliesen des Fußbodens zu fürchten ... Ich brachte ihnen dann Wasser und Zucker, wie es die gnädige Frau mir anbefohlen hatte ... Kurz und gut, solch drollige Leute habe ich noch nicht gesehen.

      Rosa bediente weiter; die Mouret ließen sich diesen Abend mit dem Essen Zeit und kamen immer wieder auf die Mieter zu sprechen. In ihrer Lebensweise, die regelmäßig wie eine Uhr war, mußte die Ankunft der Fremden ein großes Ereignis sein. Sie sprachen von ihnen wie von einer Katastrophe mit jener Weitschweifigkeit, mit der man in der Provinz spricht, um die langen Abende totzuschlagen. Mouret besonders hatte seine Freude an dem kleinstädtischen Tratsch und sagte immer wieder bei dem Nachtisch mit der zufriedenen Miene eines glücklichen Menschen:

      Besançon hat Plassans kein hübsches Geschenk damit gemacht ... Habt ihr rückwärts seinen Talar gesehen, als er sich umdrehte? ... Es soll mich sehr wundern, ob die Betschwestern einem solchen schäbigen Rocke nachlaufen! Die Betschwestern haben nur hübsche Pfarrer lieb!

      Seine Stimme ist aber mild, sagte Martha, die nachsichtig war.

      Aber nicht, wenn er in Aufregung gerät, versetzte Mouret. Hast du nicht bemerkt, wie er sich ärgerte, als er vernahm, daß die Wohnung nicht möbliert sei? Er ist ein roher Mensch. Ich bin nur neugierig, wie er sich morgen einrichtet – vorausgesetzt, daß er zahlt. Wenn nicht, so halte ich mich nur an den Abbé Bourrette.

      Die Familie war wenig fromm. Selbst die Kinder machten sich über den Abbé und seine Mutter lustig. Octave ahmte die alte Frau nach, wie sie den Hals vorstreckte, um in jedes Zimmer hineinsehen zu können, worüber Desiree nicht wenig lachte.

      Serge, der ernster war, nahm »diese armen Leute« in Schutz.

      Sonst nahm Mouret immer um zehn Uhr, wenn er nicht eine Partie Piquet spielte, den Leuchter in die Hand und ging schlafen; aber heute hielt er sich noch um elf Uhr tapfer gegen den Schlaf. Desiree war schließlich eingeschlafen, mit dem Kopfe auf den Knien der Mutter liegend; auch die beiden Knaben waren schon in ihr Zimmer hinaufgegangen. Mouret plauderte immer noch mit seiner Frau.

      Für wie alt hältst du ihn? fragte er plötzlich.

      Wen? entgegnete Martha, die auch schon zu schlummern begann.

      Nun, den Abbé! Für vierzig bis fünfundvierzig Jahre, nicht wahr? Schade, daß er die Kutte trägt! Er hätte einen schönen Soldaten abgegeben.

      Fach einer kleinen Pause erging er sich mit lauter Stimme in Betrachtungen, die ihn ganz träumerisch machten:

      Sie sind mit dem Zuge um 6 Uhr 45 Minuten angekommen und haben daher gerade noch Zeit gehabt, sich zu dem Abbé Bourrette zu begeben und dann hierherzukommen ... Ich wette, sie haben gegessen! Wir hätten sie ja sonst in das Gasthaus gehen sehen ... Ich möchte wirklich gern wissen, wo sie gespeist haben.

      Rosa ging seit einigen Augenblicken in dem Speisezimmer hin und her und wartete, bis ihre Herrschaft schlafen ging; denn sie wollte die Türen und Fenster schließen.

      Ich weiß, wo sie gegessen haben, sagte sie.

      Mouret drehte sich erstaunt nach ihr um.

      Ja, ich war wieder hinaufgegangen, um zu fragen, ob sie nichts brauchten; da sich in dem Zimmer nichts hören ließ, habe ich durch das Schlüsselloch geschaut.

      Das schickt sich aber durchaus nicht, unterbrach Martha in strengem Tone. Sie wissen, Rosa, daß ich dies nicht leiden kann.

      So laß sie doch, rief Mouret, der in jedem anderen Falle sie ebenfalls wegen ihrer Neugierde getadelt hätte. Sie haben also durch das Schlüsselloch geschaut?

      Ja, gnädiger Herr, und zwar in guter Absicht.

      Gewiß ... Was machten sie denn?

      Nun, sie aßen, gnädiger Herr ... Sie aßen auf der Bettstatt. Die Alte hatte die Serviette ausgebreitet, und so oft sie aus der Weinflasche getrunken hatten, lehnten sie sie verkorkt wieder ans Kissen.

      Aber was aßen sie denn?

      Das weiß ich nicht genau. Es schien mir ein Stück Kuchen zu sein, der in ein Stück Zeitungspapier eingewickelt war. Sie hatten auch Äpfel neben sich liegen, aber so kleine, daß sie nach gar nichts aussahen.

      Sie sprachen doch auch miteinander? Hast du das nicht gehört?

      Nein, gnädiger Herr, sie sprachen nicht miteinander ... Und doch war ich fast eine Viertelstunde an der Türe ... Nein, sie redeten gar nichts, sondern aßen nur immer.

      Martha stand auf und weckte Desiree; sie wollte sich auf ihr Zimmer begeben; die Neugierde ihres Mannes war ihr peinlich. Mouret entschloß sich nun auch, das gleiche zu tun, während die alte Rosa, die sehr fromm war, leise fortfuhr:

      Der arme liebe Mann muß einen schrecklichen Hunger gehabt haben ... Seine Mutter gab ihm die größten Stücke und sah ihm mit Vergnügen zu, wie er einhieb ... Jetzt schläft er wenigstens in reinlichen Bettüchern, wenn der Obstgeruch ihn nicht daran hindert. Es riecht in dem Zimmer gar nicht gut. Sie wissen ja, Äpfel und Birnen haben einen scharfen Geruch ... Das ganze Zimmer ist leer, nur ein Bett steht in einer Ecke – ich würde mich fürchten, da oben zu schlafen.

      Mouret