Der Landdoktor Staffel 1 – Arztroman. Christine von Bergen

Читать онлайн.
Название Der Landdoktor Staffel 1 – Arztroman
Автор произведения Christine von Bergen
Жанр Языкознание
Серия Der Landdoktor Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783959796675



Скачать книгу

wie auch ihrem Vetter nicht die menschliche Nähe, die Geborgenheit geben konnten wie sie.

      »In drei Monaten schon?«, wiederholte sie, weil ihr nichts anderes einfiel.

      Zweifel und Skepsis machten sich auf Torstens Gesicht breit.

      »Möchtest du nicht mit mir gehen?«, fragte er ruhig.

      Sein Blick tauchte in ihre Seele.

      »Doch, natürlich«, erwiderte sie rasch und schmiegte sich an ihn. »Ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen. Gerade die Toskana … Aber im Moment, ich meine, in drei Monaten schon, ich weiß nicht, ob ich bis dahin alles geregelt habe.« Hilfesuchend sah sie zu ihm hoch.

      »Jonas muss bis dahin alles geregelt haben«, erwiderte er ernst, indem er jedes Wort betonte, als würde er mit einem uneinsichtigen Kind sprechen.

      »Ja, klar, aber er ist zurzeit doch geschwächt, völlig durcheinander. Dann ist da ja auch noch die Sache mit Britta, die seine Unterschrift unter den Notarvertrag einfordert. Und die Kinder, die eine feste Hand brauchen.« Sie seufzte. Ihre Schultern fielen herab.

      Sie standen sich gegenüber, ohne sich zu berühren. Fast wie Gegner, schoss es Amelie durch den Kopf, was ihr einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Nein, das durfte nicht sein. Sie liebten sich doch.

      »Hast du den Arbeitsvertrag schon unterschrieben?«, fragte sie mit erzwungener Ruhe.

      »Ich habe meinem Chef eine mündliche Zusage gegeben. Die Papiere werde ich in einigen Tagen bekommen.« Er trat wieder auf sie zu und nahm sie in die Arme. »Wir beide schaffen das schon«, meinte er voller Zuversicht. »Ich helfe dir, hier alles in bester Ordnung verlassen zu können. Die Zwillinge können uns in der Toskana besuchen, ein paar Wochen bei uns bleiben. Ich liebe Kinder. Und vielleicht tut ein verlängertes Wochenende ihrem Vater hin und wieder auch gut. Die Luftveränderung, andere Eindrücke. Womöglich lernt Jonas durch uns dort sogar eine neue Frau kennen.«

      Amelie wusste nicht, ob sie über Torstens Zukunftsvisionen lachen oder wütend werden sollte. Wie einfach er sich das alles vorstellte! Aber tat sie ihm nicht unrecht? Er war bereit, ihre Verantwortung für Jonas und die Kinder mitzutragen. Aus Liebe zu ihr.

      »In drei Monaten sind wir schon ein paar Schritte weiter«, fuhr er mit ungebrochenem Optimismus fort. »Du wirst sehen, dann kannst du mich ganz beruhigt und sorgenfrei begleiten und unser gemeinsames Leben in der Villa einrichten.«

      Sie schwieg, schloss die Augen, als Torsten ihren Kopf an seine Schulter bettete. Wie gut ihr seine Nähe tat, wie tröstlich sie war, wie viel Geborgenheit sie ihr schenkte. Ihr war zumute, als würde seine Energie in sie hineinfließen. Ja, zusammen würden sie es schaffen, ohne dass sie ein schlechtes Gewissen würde haben müssen, wenn sie Jonas und die Kinder allein ließ. Sie musste es anders sehen: Die Familie vergrößerte sich halt nur – um einen Mann namens Torsten, der Brücken baute.

      So flogen die Stunden an diesem Abend dahin. Die beiden saßen auf der Veranda und blickten hinauf zu dem Sternenhimmel. In inniger Umarmung, sich immer wieder küssend. Vor lauter Glückseligkeit vergaßen sie die Zeit. Amelie lehnte sich an Torstens Schulter. Sie ließ sich vom Zauber und Rausch der Liebe davontragen. Alles, was morgen kam, rückte an diesem Abend für sie in weite Ferne. Drei Monate… Wie lange noch! In dieser Zeit konnte man so vieles zum Guten lenken. Jetzt lockte nur diese Nacht, die die Erfüllung aller Wünsche verhieß.

      Als Amelie in den frühen Morgenstunden nach Hause fuhr, sah sie Jonas’´ Haus hell erleuchtet in den Wiesen liegen. Schlagartig wusste sie, dass irgendetwas passiert sein musste.

      Mit zitternder Hand schaltete sie den Motor aus. Ohne anzuklopfen öffnete sie die Haustür. Jonas kam gerade im Jogginganzug aus der Küche. Blass und übermüdet sah er aus. In den Händen hielt er zwei tropfende weiße Lappen.

      »Du?«, fragte er erstaunt.

      »Ich sah noch Licht.«

      »Den Kindern geht’s nicht gut.«

      »Was heißt das?«

      »Sie haben Fieber und Halsschmerzen. Ich habe dich auf Handy angerufen. Wo warst du denn?« Mit einem Ausdruck deutlichen Vorwurfes lag Jonas’´ Blick auf ihr. Sie ignorierte ihn einfach. Jetzt galt es, sich um Kim und Tim zu kümmern. Reden konnten sie noch später.

      »Gib mal her.« Sie nahm ihm die nassen Lappen aus der Hand und lief die Treppe hinauf ins Obergeschoss.

      »Amelie.« Kim lag mit triefender Nase im Bett. Immerhin winkte er ihr noch zu, hochrot im Gesicht.

      »Hast du Fieber gemessen?«, fragte Amelie ihren Vetter, der ihr gefolgt war.

      »Neununddreißig. Bei beiden gleich.«

      »Amelie«, flüsterte Tim mit weinerlicher Stimme. »Mir ist so heiß.«

      Sie bemerkte seine geröteten Augen, die Kim nicht hatte.

      »Wir machen euch jetzt Wadenwickel«, sagte sie zu den beiden.

      Die Haut der Kinder fühlte sich an, als würde sie brennen.

      Kim musste ein paarmal niesen. Tim klagte über Halsschmerzen.

      »Zeig mal deine Zunge«, bat Amelie ihn.

      Tatsächlich. Da waren kleine weiße Flecken –, ein eindeutiges Zeichen für Masern, die vor vierzehn Tagen im Kindergarten umgegangen waren.

      »Sind die beiden gegen Masern geimpft?«, fragte sie Jonas mit unterdrückter Stimme.

      »Darum hat sich Britta gekümmert«, lautete seine Antwort.

      Also nicht, schloss sie mit aufsteigender Verbitterung.

      »Ich rufe Dr. Brunner an«, sagte sie laut.

      »Weißt du, wie spät es ist?«

      »Das weiß ich, aber wenn wir das Fieber durch die Wadenwickel nicht runterbekommen, müssen wir was tun. Ich bin sicher, er kommt auch um diese Uhrzeit.«

      »Ja, das glaube ich auch, aber wollen wir nicht erst mal versuchen, es auf diese althergebrachte Art zu senken?«

      Sie presste die Lippen fest aufeinander.

      Er hatte recht. Warum sollten sie den Landarzt mitten in der Nacht herausrufen, wenn sie die Temperatur in Grenzen halten konnten?

      »Warten wir ab«, stimmte sie ihm zu. »Ich schau mal in der Hausapotheke nach, ob wir noch Paracetamol haben.«

      Kurze Zeit später verabreichte sie den Jungen das fiebersenkende Mittel, danach wechselte sie noch mehrmals die Wadenwickel. Derweil hatte sich Jonas wieder zu Bett begeben. Sie neidete es ihm nicht. Er war ja selbst krank.

      »Eindeutig Masern«, diagnostizierte Dr. Brunner, als er am nächsten Vormittag bei Kim und Tim einen Hausbesuch machte. Das Fieber der beiden Jungen war trotz Wadenwickel auf über vierzig Grad gestiegen, was Amelie und Jonas in Panik versetzt hatte.

      »Bei Kim zeigt sich schon der für Masern typische Ausschlag hinter den Ohren«, fuhr der Landarzt fort. »Die nächsten Tage werden hart für die Kleinen werden. Dann erreicht die Krankheit ihren Höhepunkt.« Er sah zuerst Amelie, dann Jonas an. »Habt ihr als Kinder Masern gehabt?«

      Die junge Frau nickte. Jonas ebenfalls.

      »Wer einmal Masern gehabt hat, ist sein Leben lang immun dagegen«, sagte der Landarzt innerlich erleichtert.

      Obwohl diese Krankheit bei Erwachsenen relativ selten vorkam, wäre sie bei Jonas in dessen gegenwärtigem Zustand eine Katastrophe gewesen.

      »Sorgt dafür, dass die Kinder warm und bequem liegen. In den nächsten Tagen wird sich der Ausschlag weiter ausbreiten. Dann kann auch das Fieber noch einmal steigen. Ruft mich sofort an, wenn die Medizin nicht fiebersenkend wirken sollte. Ich komme auch nachts.«

      An den beiden nächsten Abenden telefonierten Amelie und Torsten nur miteinander. Die junge Frau wollte Kim und Tim nicht Anna, dem Lehrmädchen, überlassen. Und Jonas hatte Pflichten im Hotel nachzukommen, die ihm die letzte