Die Innenpolitik der Römischen Republik 264-133 v.Chr.. Boris Dreyer

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Название Die Innenpolitik der Römischen Republik 264-133 v.Chr.
Автор произведения Boris Dreyer
Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783534714568



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wird am Schluss des erhaltenen Teils seiner Ausführungen durch die Bezüge auf die römischen Bestattungsriten angesprochen.

      Ciceros de rep. und de leg.

      Die für die römische Kultur und das römische Geistesleben so fruchtbare Atmosphäre im Scipionenkreise bildete auch die Kulisse für Ciceros Dialogschrift über den Staat (res publica), die zusammen mit der zweiten Staatsschrift (de legibus) am Ende der 50er Jahre vor dem Hintergrund der römischen Verfassungskrise abgefasst wurde.

      Auch Cicero hielt die römische Verfassung für eine Mischverfassung, die es – mit dem Rückbezug auf die „richtig verstandenen“ mores maiorum – zu reformieren gelte, als sie aufgrund der Bedrohung der Republik durch das Übergewicht der Potentaten Pompeius und Caesar auseinander zu zerfallen drohte. Seine Lösung war die Sicherung der Dominanz des Senats unter anderem durch die Unterordnung oder Schwächung der ordentlichen und außerordentlichen Magistrate, also kein System von „cheques und balances“ wie bei Polybios. Ciceros Reformvorschlag ist ein umfassender und durchaus plausibler Versuch einer Reform des krankenden Staatswesens (Inga Meyer 2006).

      Römische Verfassung demokratisch? Nein!

      In jüngster Zeit hat es eine heftige Diskussion gegeben, wie die römische Verfassung nach heutigen Maßstäben einzuschätzen sei, obwohl doch ihr aristokratischer Grundcharakterzug klar schien. Fergus Millar forderte (mit einigen anderen Forschern) die traditionelle Sichtweise heraus, indem er behauptete, dass die römische Verfassung demokratisch sei. Diese These wird bis in jüngste Zeit heftig und in der Regel abschlägig diskutiert (Hölkeskamp 2004), obwohl der Urheber der Diskussion längst schon nicht mehr diese provokative These aufrechterhält. In der Tat ist die römische Gesellschaft und Verfassung aristokratisch. Das Institutionsgefüge verfügte allerdings auch über demokratische Potentiale, die je nach innenpolitischer Lage und außenpolitischer Situation mehr oder weniger deutlich hervortreten konnten.

      Schema: Die römische „Verfassung“

      d) Das Volk

      „Rechte“ des Volkes/ comitia/contiones

      Das Volk verfügte über starke Rechte: die Beamtenwahl, die Gesetzgebung, die Entscheidung über Krieg und Frieden. Dennoch war das politische System nicht demokratisch. Es gab vor allem kein Initiativrecht in der Volksversammlung.

      In den comitia war es den Bürgern nur erlaubt zu „wählen“, geheim ohnehin erst ab 139 v. Chr. (leges tabellariae); in den contiones wurde das Volk informiert, dort durfte man nur mit Erlaubnis der einberufenden Magistrate reden. Einberufende Magistrate waren in der Regel die Praetoren und Konsuln für alle Versammlungen. Wichtige Ausnahme war das concilium plebis, in dem die Volkstribunen die Leitung hatten. Diese Magistrate bestimmten den Verlauf der Versammlung und die Tagesordnung. Das Volk hatte nur mit einem Votum zuzustimmen oder abzulehnen (suffragium).

      e) Die obersten Magistrate

      imperium/auspicium

      Grundlage der Macht der obersten Magistrate (Konsuln, Praetoren) war das imperium. Die mit diesem Begriff bezeichnete Kompetenz umfasste den militärischen Oberbefehl (imperium militiae) sowie die Kompetenz, für die Gemeinschaft mit den Göttern in Verbindung zu treten (auspicium). Hinzu kamen die zivilen Aufgaben.

      Neben den Riten und Kulten verraten die Bezeichnungen und die äußeren Insignien der magistralen Macht, die fasces und die sella curulis, den etruskischen Einfluss:

      fasces

      Die fasces, die aus einem Rutenbündel mit Richtbeil (die oben herausragten und nur bei Trauer umgekehrt wurden) bestanden, waren seit den Etruskern Zeichen richterlicher Gewalt des römischen Magistraten. Sie wurden diesem von Liktoren, die zahlenmäßig nach der Bedeutung und Kompetenz des Magistraten bestellt wurden, vorangetragen. Zwölf Liktoren standen für Konsuln zur Verfügung, sechs für die Praetoren. Die Liktoren durften keine Sklaven sein, wurden zunächst jährlich, später lebenslang bestellt. Sie waren in Dekurien zu 24 Mann gegliedert.

      sella curulis

      Die sella curulis (von currus/Wagen) war unter den etruskischen Königen Wagen- und Richtstuhl. Sie blieb in republikanischer Zeit Zeichen richterlicher Gewalt höherer Beamter. Sie stand dem Interrex, Konsul, Praetor, Decemvir, Konsulartribun, Prokonsul, Propraetor, Diktator, magister equitum und curulischem (seit Sulla auch plebejischen) Aedil zu. Dazu verfügten über ihn die Censoren und der Flamen Dialis (nicht curulisch). Bei Leichenfeiern wurde das Ahnenbild auf die sella gesetzt.

      pomerium

      Sobald der Konsul – oder an seiner statt der Praetor – nach Vollzug der entsprechenden religiösen Riten das pomerium, die Stadtgrenze, überschritten hatte, war er erst wieder zu belangen, wenn er als Privatmann nach Rom zurückkehrte. Davor war er nur durch das imperium seines Kollegen zu stoppen, der aber in der Regel und besonders in späterer Zeit nicht an demselben Ort operierte.

      provincia

      Der Senat tagte in der Stadt, „beriet“ den Magistrat nur in Rom, konnte demnach dem Konsul höchstens den Nachschub und Sold verweigern. Die Volksversammlung hatte nach der Wahl den Zugriff nur bis zur Vergabe des „Amtsbereiches“ (provincia, erst im ersten Jahrhundert v. Chr. dem heutigen Verständnis nach rein geographisch zu verstehen), die zeitlich auf ein Jahr und örtlich auf eine geographische Einheit oder einen Gegner begrenzt war. Der Volkstribun musste stets in der Stadt bleiben.

      prorogatio

      Sogar die Regel der Annuität wurde unterlaufen, da häufig ein objektiver Zwang die Beendigung der Aufgabe jenseits der Jahresgrenze erforderte. Der Konsul beziehungsweise der Praetor amtierte dann nach seinem Amtsjahr als Prokonsul beziehungsweise Propraetor noch so lange, bis er entweder – das war der Normalfall – die Aufgabe gelöst hatte oder aber abgelöst wurde. Den Provinzstatthaltern wurden auch Quaestoren für die Bewältigung der administrativen und finanziellen Angelegenheiten beigegeben.

      Prorogationsrecht

      Erst später (im 2. Jahrhundert v. Chr.) wurde die absolute Verfügungsgewalt über römische Bürger eingeschränkt auf die Soldaten unter seinem Befehl. Zivilisten konnten sich nach Rom überführen lassen, wo sie Provokationsrecht besaßen und unter dem Schutz des Volkstribuns standen.

      imperium domi

      Das imperium domi war dagegen wesentlich eingeschränkter: Der Imperiums-Träger hatte mit den Standesgenossen im Senat zu verhandeln, sein Zurücktreten in diesen Kreis nach seiner Amtszeit zu bedenken und war vor allem der Interzession seines Kollegen und des Volksstribunen ausgesetzt, die jedes Verfahren sistieren konnten (siehe Schema und Tabelle 1).

      Die Machtkontrolle war bis ins Letzte perfektioniert. Die Exekutive war nur im Konsens handlungsfähig.

      Tabelle 1: Magistraturen

      a) außerordentlich:

      b) ordentlich:

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      f) Der Senat

      Konsens und Erfahrung

      Der Kitt der Verfassung und der Zusammenhalt der institutionellen Glieder waren nur durch den Senat und im Senat sichergestellt. Er garantierte den Konsens und Interessensausgleich,