Die Innenpolitik der Römischen Republik 264-133 v.Chr.. Boris Dreyer

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Название Die Innenpolitik der Römischen Republik 264-133 v.Chr.
Автор произведения Boris Dreyer
Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783534714568



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der patrizischen Vormacht wurde bei der Erfassung der Bürger unternommen. Die tribus – ursprünglich rein gentilizisch organisiert, es gab derer drei mit etruskischen Bezeichnungen – wurde zur lokalen Einheit: Die römischen Bürger waren von nun an in den (ab 241 v. Chr. 35) tribus neuen Typs registriert (zum Beispiel im concilium plebis).

      Bislang war das Volk nach den gentilizischen curiae (comitia curiata) zusammengetreten. Um 450 v. Chr. wurde eine neue Form der Versammlung (comitia) eingeführt, die neben die etablierte trat. Das ist typisch für antike Gesellschaften, respektive die römische: Aus Ehrfurcht vor dem Althergebrachten (mos maiorum) trat das Neue neben das Alte, das Alte blieb aber bestehen und „trocknete allenfalls mit der Zeit aus“.

      Comitia centuriata

      In diesem Fall wurde die Untergliederung der Wahlbevölkerung in der neuen Volksversammlung durchaus nicht untypisch nach dem Einteilungsprinzip des Heeres, den Hundertschaften (Zenturien), vorgenommen und danach comitia centuriata benannt. Die Einteilung bemaß sich nach dem Anteil an der Verteidigung in der Bürgerschaft. Dies war charakteristisch für eine sogenannte Hoplitenpoliteia (politeia = Verfassung), nicht nur für die römische: Wer vorne in der Kampflinie stand und demnach mehr Vermögen zur Anschaffung einer Vollrüstung (hoplon) mit den teuren Defensivwaffen (Panzer, Schild, Beinschienen) hatte, erhielt mehr politische Rechte. Diese Privilegien konnten unterschiedlich gewährleistet werden.

      Im römischen Falle avancierte die comitia centuriata zum zentralen Abstimmungsorgan (bis etwa 200 v. Chr.), entschied also über Krieg und Frieden, ratifizierte Gesetze und wählte Magistrate. In dieser Versammlung wurden auch die Prozesse gegen ehemalige Magistrate durchgeführt.

      Abstimmung nach Körperschaften/ Zenturien

      Die Abstimmung wurde auch hier nicht nach Köpfen, sondern nach Körperschaften vorgenommen, das heißt in diesem Fall nach den Zenturien der comitia centuriata. Es gab in der „klassischen“ Zeit bis zu den Reformen nach dem Ende des Ersten Punischen Krieges (dazu unten) 193 Zenturien als Wahlkörperschaften.

      Timokratie

      Nach Vermögen (Zensus) waren die Bürger auf die Zenturien verteilt. Die Abstimmung begann bei denjenigen Zenturien der Reichsten und ging dann abwärts bis eine einfache Mehrheit erreicht war, das heißt in der Hierarchie von oben angefangen – wie im Senat. Mit anderen Worten: Häufig kamen die Zenturien der Ärmsten gar nicht zur Abstimmung. 18 Zenturien waren für die Ritter/Reiter (equites) vorgesehen. Darunter zählten auch die Senatoren. 80 Zenturien waren der ersten Klasse, das heißt den Hopliten (Schwerbewaffneten), vorbehalten. Damit hatten diese beiden reichsten Gruppen, wenn sie einheitlich stimmten, eine qualifizierte Mehrheit gegenüber den 95 Zenturien der 2. bis 5. Klasse, ungeachtet der Tatsache, dass die 95 Zenturien der unteren Klassen die überwältigende Mehrheit an römischen Bürgern umfassten, die ärmer als diejenigen waren, die zur 1. Klasse gehörten. Die Kategorie infra classem meinte die Bürger, die nicht für den Kriegsdienst tauglich, das heißt vor allem zu arm waren, sich eine Ausrüstung zu finanzieren. Das Abstimmungssystem war also timokratisch.

      Mit der Rechtssicherheit und der Umstrukturierung der Volksversammlung trat vorerst Ruhe ein, doch verlangten ab etwa 400 v. Chr. nun auch die vornehmen Plebejer Anteil an der Exekutive.

      f) Die zweite Phase

      Gallierkatastrophe

      Wegen des Versagens bei der Gallierkatastrophe im Jahre 387 v. Chr. hatten die Patrizier allen Kredit verspielt, der die Rechtfertigung für die Privilegien lieferte. Daher musste die Basis der Führung erweitert werden. Die Patrizier waren klug genug, rechtzeitig, wenn auch nur Schritt für Schritt nachzugeben, um nicht ganz von der Entwicklung hinweggefegt zu werden.

      leges Liciniae Sextiae

      Die Führer der plebs wurden zu den Senatssitzungen hinzugezogen – erst später mit vollem Stimmrecht. Unter den zwei Konsuln (von consalire = zusammenspringen), die nach der Überlieferung 367 v. Chr. im Rahmen von zwei Plebisziten (sogenannte leges Liciniae Sextiae: die Anträge der Volkstribune hatten damals noch keine Gesetzeskraft!) entstanden sein sollen, durfte nunmehr ein Plebejer sein. In dieser Zeit sollen auch die zunächst rein patrizische Gerichtsmagistratur mit der alten Bezeichnung des Praetor (urbanus) geschaffen und den plebejischen die kurulischen (patrizischen) Aedilen beigestellt worden sein.

      An diesen Regelungen, die auf einen Ausgleich der Stände zielten, ist zu erkennen, dass zu dieser Zeit die zentrale Motivation der Vertreter der aufstrebenden Plebejerfamilien für ihren Protest im politischen Bereich lag. Sie waren bereits (als größere Grundbesitzer) wirtschaftlich potent und wegen ihrer Klientel (ihrer Anhängerschaft) einflussreich.

      Die römische Tradition will allerdings einem der genannten Plebiszite wirtschaftliche und soziale Motive zuordnen, die jedoch ebenso wie die dort formulierten, einer späteren Zeit angehörenden Besitzregelungen (an ager occupatorius ein Höchstmaß von 500 iugera = 125 ha) anachronistisch sind.

      Annuität und Kollegialität

      Mit dem Zugang zum Konsulat war zugleich ausgemacht, dass die Plebejer im Senat auch ein Stimmrecht erhielten. An der Obermagistratur sind zwei fundamentale Prinzipien für die römischen Magistrate der „klassischen Zeit“ zu studieren, das der Annuität und der Kollegialität.

      Konsul/imperium

      Folgende Aufgaben hatten die Konsuln zu versehen: Sie führten das Bürgeraufgebot zu Felde, das fortan aus vier Legionen, später aus vier Legionen bestand, die auf die Konsuln aufgeteilt wurden. Sie leiteten die Zenturiatskomitien und die Senatssitzungen. Ihre Amtsgewalt (imperium) war ungeteilt und ihr veto legte alle Amtshandlungen – einschließlich derjenigen des Kollegen – lahm. Dies konnte sonst nur noch der Volkstribun (nach der Legalisierung seiner Befugnisse im Jahre 287 v. Chr.). Generell waren die kontrollierenden Elemente stärker als die Exekutive im institutionellen Gefüge Roms.

      Das „imperium ist die Amtsgewalt der höchsten römischen Magistrate und Inbegriff absoluter magistratischer Gewalt. Nach der Lehre Mommsens ist das imperium die unbeschränkte, alle militärischen, jurisdiktionellen, politischen und sonstigen Kompetenzen einschließende Vollgewalt des obersten Magistrats“ (Jochen Bleicken).

      Praetor/potestas

      Die gerichtlichen Aufgaben wurden dem Praetor zugewiesen, der auch über die imperium-Gewalt verfügte. Er unterstand den Konsuln aber infolge des vergleichsweise eng umgrenzten Aufgabenfeldes (minor potestas) als Richter oder später als Provinzstatthalter. Die übrigen niederen Magistrate hatten kein imperium. Diese reihten sich wiederum in eine Hierarchie durch ihre unterschiedliche potestas (zum cursus honorum siehe unten) ein.

      Nobilität

      Auch auf den übrigen politischen Feldern und zuletzt unter den Priesterstellen (pontifices/augures) wurden den (reichen) Plebejern bis zum Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. der Zugang gewährt. Allmählich konnte auf diese Weise durch Symbiose eine neue Führungsschicht, die Nobilität (nobiles), aus Patriziat und reichen Plebejern entstehen.

      g) Weitere Einigungen

      Concilium Plebis/ Volkstribun: lex Hortensia

      Die zweite Phase der Ständekämpfe wurde beendet, indem die Kampforganisation und das Kampfverfahren der plebs legalisiert und damit integriert wurden, so dass die römische „Verfassung“ ihre „klassische“ Gestalt erhielt.

      Die Imperiums-Allgewalt der Konsuln im Felde schränkte man im zivilen Bereich (das heißt innerhalb der Stadtgrenzen, des pomerium) Roms ein, indem jedem Bürger um 300 v. Chr. durch die lex Valeria de provocatione die Möglichkeit der Berufung an die Volksversammlung garantiert wurde.

      Und zu guter Letzt wertete im Jahr 287 v. Chr. die lex Hortensia das concilium plebis, das der Volkstribun leitete, auf, indem die dort getroffenen Entscheidungen (plebiscita) Gesetzeskraft erhielten. Wegen des