CORONA - Lasst sie sterben, wo sie sind.... Werner Meier

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Название CORONA - Lasst sie sterben, wo sie sind...
Автор произведения Werner Meier
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783347112346



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Pauschale für Y-Chromosomträger, seit ihr Lover einen Dozentenjob in Atlanta an- und seine Ehe mit über den großen Teich genommen hatte. Ayala hatte ihn andersrum verstanden.

      „Allah und dir auch guten Morgen, Wüstenprinzessin. Kriegen wir Sandsturm?“

      Treffer registrierte ich grinsend am Blick, den sie mir zufunkelte.

      Ich verabschiedete mich in die Küche. Als ich raus kam hatte ich die Weißwürscht aus zwei getrennten Töpfen auf den Tellern, um Verwechslungen auszuschließen. Der hinter der Wurschttheke im Supermarkt hatte mich stirnrunzelnd an die Regale mit Eingeschweißtem verwiesen. Schon beim Lesen der Zutaten auf der Dreierpackung für 2, 59 Euro von Vegan Wonderland war mir anders geworden. Kein Kalbskopf, kein Sauspeck, kein Häutelwerk. Bloß Wasser, Weizeneiweiß, Kokosfett, Weizenstärke, Hefeextrakt, Sonnenblumenöl, Zwiebeln, Zitronenschale.

      „Bittschön, Weißwürscht ohne Wurscht. Was du nicht isst, schmeiß ich weg!“

      Immerhin nahm sie süßen Senf und ein Weißbier dazu. Es gab noch Hoffnung. Ich hatte meine Terrasse als meinen persönlichen Biergarten möbliert. Wir hockten auf groben Bänken im Paradies. Das Weiß der Wildkirsche auf der großen Wiese war zwar schon vergangen. Die anderen aber trieben´s voll im Saft, als gäb´s kein Morgen mehr. Die Jahreszeiten waren in Panik, wussten nicht mehr so richtig, wann sie dran waren, ob sie überhaupt noch drankommen würden. Frühling und Sommer wussten von Jahr zu Jahr weniger wer von ihnen wer war. Der Winter musste längst befürchten, bald ganz übersprungen zu werden.

      Was wegen Corona gerade verboten oder erlaubt war, wusste von Tag zu Tag niemand mehr so genau. Ayala und ich verzichteten seit ihrer Genesung bei unseren Begegnungen auf Masken, hielten aber Abstand. Nasenund Mundschutz war anfangs dringend empfohlen, aber nicht verfügbar. Dann waren sie Pflicht und genügend da, aber die Nullachtfuffzehn-Ausgaben von den meisten Experten nicht mehr empfohlen. Weil sie angeblich kaum schützten, Träger eher zur Sorglosigkeit beim Abstandhalten verführten. Bis jetzt wusste niemand genau wo überall im Körper Covid-19 was mit welchen möglichen Folgeschäden anstellen konnte. Nach heutigem Kenntnisstand war nicht sicher, ob Genesene noch ansteckend waren, immun gegen mich war Ayala in jeder Beziehung. Feine blaue Seide fiel locker auf den Ausschnitt ihres grauen T-Shirts, führte als Kompromiss zur Maske durchsichtig über Mund und Nase und endete oben als Kopftuch. Ich hatte sie noch nie ohne gesehen und rätselte wieder ob sie kurzgeschoren oder Mähne darunter trug, blond, schwarz, brünett, oder kirschrot wie ihre Lippen? Ich mochte ihre schmucken Kopftücher, sogar den „Blödmann“. Beides sagte mir, dass sie sich noch nicht zur Grüßgottdeutschen hatte assimilieren lassen. Mir graute vor dem Morgen, an dem Ayala mich nach Leitkultur begrüßen würde.

      „Guten Morgen, Josef, wie geht es dir heute?“

      Eine vor was oder wem auch immer kuschende Ayala war allerdings nicht zu befürchten. Selbstverständlich wie Kopftuch, weil sie es wollte trug Ayala auch Bikini, wenn sie sich auf ihrem Balkon sonnte, oder an einem öffentlichen Badesee lag. Sie lebte ihren muslimischen Glauben, ließ sich aber vom Islam nicht gängeln, geschweige denn unterdrücken. Sie forderte ihre verfassungsmäßig garantierte Freiheit als gleichberechtigte Frau ein, lebte ihren Alltag deutsch im 21. Jahrhundert, ließ sich dabei von muffiger Deutschtümelei so wenig vereinnahmen, wie von altpatriarchalischen Religionsfantasien.

      Zwei Biergartenbänke am Tisch erlaubten uns locker zwei Meter Abstand. Ayala schob die Seide von Mund und Nase unters Kinn und ich versuchte, über den Rand meiner Lesebrille Rückschlüsse auf ihre Laune zu ziehen. Brille hatte ich aufgesetzt, weil ich damit seriöser ausschaute, fand ich. Sie hatte über mein Angebot von vor einer Woche nachgedacht.

      „Ich gebe nicht die Quotenmuslima für dein Underground-Blättchen.“

      „Schiss vor Shitstorm hast. Wegen dem Kopftuch, gib´s zu.“

      „Wegen des Kopftuchs, Genetiv wenn schon, Blödmann. Und ich hab keinen Schiss vor Arschlöchern.“

      „Dann schreib uns eine Kolumne über Studieren in Bayern in Zeiten von Corona! Gern witzig anghaucht.“

      „Witzig angehaucht. Hörst du dir selber noch zu? Eure erste gedruckte Ausgabe ist beschlagnahmt worden, bevor ihr ein einziges Exemplar verkauft habt. Du stehst ständig mit einem Bein auf dem Index.“

      Der Start war holprig gewesen. Die Titelseite der ersten Kuh mit zwei Ärschen hatte einen Shitstorm entfesselt, vom üblichen Hassmob inklusive AfDlern, von Parteichristlichen und Berufsbayern. Obwohl noch gar nicht erschienen. Die Zeitung hatte sogar eine Anzeige zum geplanten Verkaufsstart abgelehnt. Wegen des Titels. Der Ministerpräsident als schwarzer Kreuzritter im Staub liegend, neben dem bayerischen Löwen, der ihn abgeworfen hatte und ihn anfauchte.

      „Ich trag keine AfD-Laufburschen.“

      Die Auslieferung der ersten gedruckten Auflage von 800 Exemplaren hatte dann die lokale Staatsgewalt verhindert, wegen Verunglimpfung des Freistaats und seines obersten Repräsentanten. Nach einer vom Oberbürgermeister persönlich erwirkten einstweiligen Verfügung hatte Polizeidirektor Schwammerl die Ausgabe noch in der Druckerei einkassieren lassen. Der bei der Zeitung frisch zum Redaktionsleiter berufene Kasperl war mit persönlicher Autoren- und Schlagzeile gekommen.

       Unser OB stoppt Teufelswerk gegen unsere bayerische Heimat und unseren Ministerpräsidenten!

      Was schon egal war. Kein Kiosk in Heiligbrück hatte die Kuh verkaufen wollen. Mein Anwalt hatte mir von einer Klage gegen die einstweilige Verfügung abgeraten. „Faktisch haben Sie Majestätsbeleidigung begangen.“ Faktisch gab´s den Paragraphen nach Böhmermann nicht mehr, hatte ich eingewandt und mein Anwalt ein Totschlagargument gebracht.

      „Wir leben in Bayern.“

      „Schlampenschorsch schreibt Horoskope für uns.“

      Versuchte ich Ayala zur Mitarbeit zu bewegen.

      „Er heißt Georg, nicht Schlampenschorsch.“

      Korrigierte mich Ayala, was ich übersprang. Mit Schlampenschorsch. ärgerte ich Georg, seit ich ihn an einem Sonntag in seinen Porsche hatte steigen sehen. In heißen Höschen, Netzstrumpfhosen und Stöcklpumps auf dem Weg zu einem Slutwalk in der Hauptstadt. Über seinen Horoskopen fürs online-Magazin erschien natürlich sein richtiger Name Georg Brunnhuber. Anderen ihre Sterne zu deuten empfand er als Berufung, hatte das freiberuflich für ein Taschengeld, aber mit Leidenschaft für die Leser der Heiligbrücker Zeitung getan, bis Kasper Redaktionsleiter wurde und ihn von einem Tag auf den anderen feuerte. Er misstraute Georgs Nähe zu mir, weil wir in einem Haus wohnten. Finanziell hatte Georg die Horoskopschreiberei nicht nötig. Mit Sci-Fi-Groschenromanen unter dem Pseudonym Burt Logan machte er Kohle wie´s Böse. Mit Titeln wie >Das Grauen kam von XMY12<. Menschen standen sprach- und willenlos auf Laufbändern, die sie in einem Lichttunnel verschwinden ließen. Anfangs hatte ich mich gefragt, ob der geneigte Leser das als Wiedergeburt der Menschheit verstehen sollte, oder als ihr Ende. Letzteres, wusste ich inzwischen. In Brunnhuber-Logans Zukunftsvisionen gingen Zivilisationen dauernd und zwangsläufig den Bach runter. Jetzt mit Blick auf Corona erschien Schlampenschorsch mir tatsächlich unheimlich visionär, und ich überflog zwischendurch seine Horoskope. So ganz nebenbei. Ich warf Ayala noch einen Köder hin.

      „Ich kann dir vierhundertfünfzig pro monatliche Kolumne anbieten. Das wär deine Nettomiete an Tschälo.“

      Das Hausküken biss nicht an.

      „Ich gehe jetzt.“

      Sie hatte alle drei Veganer verputzt. Mein Blick folgte ihren festen Apfelbacken im roten Hosenboden. Ein Reflex ohne einen Hinterngedanken auf mehr. Die jungen Äpfel hingen längst zu hoch für mich alten Sack. In Ayalas knappen Einssechzig steckte eine Menge mehr Power als in meinen träge überfüllten Einssiebzig. Sie strampelte früh auf ihrem feuerroten Drahtesel zum Bahnhof, fuhr dann eineinhalb Stunden mit Bahn und U-Bahn zur Uni in der Hauptstadt. Dort eine bezahlbare Wohnung finden war schwieriger als am Südpol einem FKK-Klub beitreten.

      Sonntag hin oder her. Forster würde an Jane Doe zugange sein, und ich hatte seine Handynummer auf Kurzwahl und einen guten Draht zu ihm, siezte ihn beim Vornamen,