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eine umfassende Kompetenz für alle Belange der Besatzungsverwaltung ab.26 Unterhalb der »Regierung des Generalgouvernements«, die nach dem herkömmlichen Ressortprinzip gegliedert war, lagen die Distrikte Krakau, Warschau, Radom und Lublin. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion kam am 1. August 1941 die zuvor sowjetisch besetzte Westukraine als Distrikt Galizien hinzu.27

      Die Distrikte wurden von Gouverneuren regiert, die Frank unmittelbar unterstellt waren. In den Landkreisen und kreisfreien Städten waren Kreis- und Stadthauptmänner, etwa vergleichbar den Landräten im Reich, die Träger und Repräsentanten deutscher Herrschaft.28 Viele Kreishauptmänner betrachteten ihre ausgedehnten Territorien als persönlichen Besitz und brachten den gewünschten »Herrenstandpunkt« dadurch zum Ausdruck, dass sie sich am »fremdvölkischen« Eigentum bereicherten. Die Korruption war im Generalgouvernement endemisch und rief wiederholt den Reichsrechnungshof auf den Plan.29 Die lokale Verwaltung verblieb bei polnischen bzw. (im Distrikt Galizien) mehrheitlich ukrainischen Orts- und Dorfvorstehern, die deutscher Aufsicht unterstanden. Nicht nur auf diesem Gebiet, sondern auch im Polizeiwesen war die Besatzungsverwaltung auf die landeseigene Kollaboration dringend angewiesen.30

      Frank hatte keine Einwände gegen Himmlers und Hitlers Vorhaben.31 Die ›koloniale‹ Verwaltungspraxis sollte durch ein rassistisch abgestuftes Sonderrecht realisiert werden.32 Auch die Absicht der Führung, Polen und Juden zu Hunderttausenden in ›sein‹ Territorium abzuschieben, wurde von Frank zunächst begrüßt.33 Da rechtliche Einschränkungen solcher Politik nicht erwünscht waren, befand sich das Generalgouvernement in einer ungeklärten Zwitterstellung zwischen Annexion und formaler Selbstständigkeit, die in der offiziellen Bezeichnung »Nebenland des Reiches« nur notdürftig überdeckt wurde.34

      1.3.2Der SS- und Polizeiapparat

      Allerdings durchbrach der Polizeiapparat die von Frank nach dem Führerprinzip angestrebte »Einheit der Verwaltung« zunehmend, verstärkt seit Herbst 1941. Man berief sich auf Himmlers Vollmachten und stellte die Kompetenz der Zivilverwaltung in Frage. Ein Höherer SS- und Polizeiführer koordinierte die Tätigkeit der Sicherheitspolizei (einschließlich der für die Judenverfolgung maßgeblichen Gestapo) und der Ordnungspolizei (Schutzpolizei in den Städten, Gendarmerie auf dem Land), die jeweils über eigene Befehlshaber auf der Regierungsebene (Befehlshaber der Sicherheitspolizei, Befehlshaber der Ordnungspolizei) verfügten. In den Distrikten nahmen SS- und Polizeiführer Interessen Himmlers bzw. die des Höheren SS- und Polizeiführers wahr. Kommandeure der Sicherheitspolizei bzw. Kommandeure der Ordnungspolizei befehligten dort die beiden Polizeizweige. Den Kommandeuren der Ordnungspolizei unterstanden neben der Schutzpolizei und der Gendarmerie militärisch organisierte Polizeibataillone, die, wie bereits erwähnt, regelmäßig zur Ermordung von Juden herangezogen wurden. Auf lokaler Ebene blieb die polnische Polizei erhalten.35

      Eine nicht unwesentliche Rolle in der deutschen Besatzungspolitik spielte der ukrainische Nationalismus, der sich unter dem Eindruck der sowjetischen Okkupation Ostgaliziens radikalisierte. Das Ideal einer von Juden und Polen ›gesäuberten‹ Ukraine verband die gewaltbereiten Teile der Organisation Ukrainischer Nationalisten mit den deutschen Intentionen. Ein Ukrainischer Hauptausschuss, offiziell für sozialfürsorgerische und kuturelle Belange dieser Bevölkerungsgruppe im Generalgouvernement zuständig, plädierte für die Aufstellung einer ukrainischen Hilfspolizei in Gebieten mit ukrainischen Bevölkerungsmehrheiten und verband damit inoffiziell die Hofffnung, in der Polizei den Nukleus einer späteren ukrainischen Nationalarmee heranbilden zu können. Die deutsche Polizei kam diesen Wünschen entgegen, weil es ihr an Personal fehlte und der Antisemitismus der Nationalisten willkommen war. Von Ende 1939 bis Mitte 1940 wurden vier ukrainische Polizeischulen in den Distrikten Krakau und Lublin eröffnet, deren Absolventen später den Nukleus der ukrainischen Hilfspolizei im Distrikt Galizien bildeten.36

      Mit dem Höheren SS- und Polizeiführer bis November 1943, Friedrich Wilhelm Krüger, lag Frank im Dauerstreit.37 Formal war Krüger Frank unterstellt; de facto agierte er aber als persönlicher Bevollmächtigter Himmlers.38 Himmlers Untergebene auf Distriktebene, die SS- und Polizeiführer, hatten zum Teil ebenfalls eigene Machtambitionen. Indem Himmler Krüger und die SS- und Polizeiführer zu Beauftragten des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums ernannte, erhielten sie ein Weisungsrecht in An- und Umsiedlungsangelegenheiten.39 Das war der wichtigste machtpolitische Hebel der SS.

      Der SS- und Polizeiapparat bemühte sich, die prestigeträchtige Judenverfolgungspolitik uneingeschränkt in seine Hand zu bekommen.40 Die nach dem Krieg von ehemaligen Beamten des Generalgouvernements in die Welt gesetzte Legende, man habe sich mannhaft gegen »die SS« zur Wehr gesetzt und »das Schlimmste« zu verhindern gesucht, hält allerdings dem Quellenbefund nicht stand. Einzelne Mitabeiter der Zivilverwaltung distanzierten sich von Verbrechen; die Mehrheit begrüßte und unterstützte sie.41

      1942 erreichten die Auseinandersetzungen zwischen Frank und Krüger ihren Höhepunkt. Im März dieses Jahres musste der durch Korruptionsaffären angeschlagene Generalgouverneur der Aufwertung Krügers zum Staatssekretär für das Sicherheitswesen zustimmen. Hitler bestätigte diese im Mai 1942. Mit Erlass vom 3. Juni 1942 übergab Frank die Zuständigkeit für nahezu alle sicherheits- und ordnungspolizeilichen Belange, darunter alle »Judenangelegenheiten«, offiziell an den Höheren SS- und Polizeiführer.42 Im gleichen Zeitraum fanden die ersten Giftgasmorde an der jüdischen Bevölkerung der Distrikte Lublin und Galizien statt. Sie wurden im Sommer 1942 auf das gesamte Generalgouvernement ausgedehnt.43

      Neben der von Frank geführten Zivilverwaltung und dem SS- und Polizeiapparat war auch die Wehrmacht an der Besatzungspolitik beteiligt.44 Ihr Einfluss war allerdings begrenzt. Sie war für die militärische Sicherung des Generalgouvernements verantwortlich, das 1941 zum Aufmarschgebiet für den Krieg gegen die Sowjetunion wurde. Ferner beaufsichtigte die Wehrmacht auch die Rüstungsbetriebe im Generalgouvernement, in denen 1942/43 zahlreiche jüdische Zwangsarbeiter beschäftigt waren.

      1.3.3Der »Volksdeutsche Selbstschutz«

      Der »Volksdeutsche Selbstschutz«45 war eine paramilitärische Organisation von deutschstämmigen Gewalttätern, die seit Kriegsbeginn offene Rechnungen mit Polen und Juden beglichen und eine Vielzahl von Morden begingen. Es handelte sich um eine Miliz aus Angehörigen der deutschen Minderheit, die sich durch ihre bisherige Betätigung in deutschnationalen Organisationen für diese Tätigkeit empfohlen hatten. Anstatt, wie ursprünglich vorgesehen, dem Heer als Hilfspolizei unterstellt zu werden, war der Selbstschutz seit Beginn des Krieges gegen Polen ein wichtiges Vollzugsorgan des Terrors von SS und Polizei gegen die »Fremdvölkischen«.46

      Hierfür sorgten »Führerstäbe Selbstschutz und Polizei« die Himmler im September 1939 nach Polen versetzen ließ. Es handelte sich fast durchweg um radikale Nationalsozialisten und völkische Aktivisten wie Himmlers Chefadjutant, SS-Oberführer Ludolf v. Alvensleben.47 Dieser verglich Polen mit Schweinen, die geschlachtet werden sollten. Einer seiner Untergebenen klopfte beim Appell mit der Reitpeitsche auf den Tisch, fragte: »Wie viel[e] Pollacken und Juden sind bisher umgelegt?«, und forderte, diese Zahl zu erhöhen. Und das war kein Einzelfall.48

      Himmler unterstellte den Selbstschutz mit einem Organisationserlass vom 7. Oktober 1939 den Höheren SS- und Polizeiführern und ihren Befehlshabern der Ordnungspolizei.49 Die Formation setzte sich aus »waffenfähigen Volksdeutschen im Alter von 17 bis 45 Jahren zusammen«, die ihren Dienst ehrenamtlich versahen und durch eine weiße Armbinde mit dem Aufdruck »Selbstschutz« gekennzeichnet waren.50 Bei der Rekrutierung der Volksdeutschen wurde Druck ausgeübt und mit mancherlei Versprechungen gearbeitet.51

      Der Selbstschutz genoss in den von Deutschland annektierten Gebieten Polens eine privilegierte Stellung.52 Ein regionaler Schwerpunkt seiner Tätigkeit lag in Westpolen, wo der Selbstschutz eine Vielzahl willkürlicher Tötungen, Plünderungen und Vergewaltigungen verübte.53 Nicht wenige höhere Offiziere der Wehrmacht bezeichneten diese Hilfstruppe unverblümt als »Mörderbande«. Aber auch Teilen der Sicherheitspolizei