Homöopathie. Michael Kotsch

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Название Homöopathie
Автор произведения Michael Kotsch
Жанр Эзотерика
Серия
Издательство Эзотерика
Год выпуска 0
isbn 9783869549552



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zum Umgang mit Homöopathie

       Literatur

      Vorwort

      Die Homöopathie ist eine der bekanntesten alternativen Heilmethoden. Sie ist individuell, günstig und scheinbar ohne unerwünschte Nebenwirkungen. Vor dem Hintergrund einer in Aberglauben und Alchemie verstrickten Medizin des frühen 19. Jahrhunderts, entwickelte der innovative Arzt Samuel Hahnemann (1755-1843) ein vollständig neues Konzept von Krankheit und Heilung. Seine Betonung des ausführlichen Patientengesprächs (Anamnese), sein Ähnlichkeitsprinzip (Substanzen, die Krankheitssymptome hervorbringen, können diese beim Kranken auch heilen), seine Auffassung von der menschlichen “Lebenskraft” und seine Idee von der Dynamisierung (je höher die Verdünnung, desto stärker die Wirkung) werden bis heute lebhaft diskutiert. In dieser Veröffentlichung sollen die geschichtlichen, medizinischen, weltanschaulichen und geistlichen Hintergründe der Homöopathie eingehend betrachtet werden.

      Homöopathie heute

      Im Gefolge des allgemeinen Trends hin zu alternativen Heilmethoden gewinnt auch die Homöopathie wieder zunehmend an Interesse. Nach einem ersten Höhenflug Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts ging die Bedeutung der Homöopathie in den folgenden Jahrzehnten eher zurück.

      Gegenwärtig gibt es keine einheitliche homöopathische Szene. Verschiedene Schulen und Ausrichtungen konkurrieren miteinander. Neben klassischer Homöopathie wird mit homöopathisch verdünnten Schüsslersalzen, Bach-Blüten und bakteriellen Krankheitserregern (Nosoden) experimentiert. Homöopathische Medikamente werden nicht mehr nur nach Hahnemanns Ähnlichkeitsregel verschrieben, sondern mit Hilfe astrologischer Berechnungen, zweifelhafter Muskeltests oder durch Pendeln und Ruten bestimmt. Zeitweilig wird Homöopathie als Allheilmittel gegen Umweltgifte, Krebs, AIDS, Erdstrahlen, Charakterschwächen, psychische Probleme und Sinnlosigkeit angepriesen. Die vom Haus- oder Kinderarzt verschriebenen Komplexmittel haben mit der klassischen Homöopathie nur noch am Rande zu tun, da sie zumeist ohne eingehende Anamnese verschrieben werden. Außerdem ging Hahnemann davon aus, dass sich in einer Kombination verschiedener homöopathischer Heilsubstanzen deren unterschiedliche Wirkung gegenseitig behindern oder gar aufheben würde. Im Extremfall könne ein nicht genau auf den Patienten abgestimmtes homöopathisches Medikament sogar zu schweren neuen Krankheitssymptomen führen.

      Außerdem wehrten sich Hahnemann wie die meisten seiner Schüler vehement gegen eine Kombination klassischer (“allopathischer”) mit homöopathischer Behandlung. Da es sich um zwei einander ausschließende Medizinkonzepte handle, sei es sinnlos oder sogar schädlich beide nebeneinander anzuwenden. Entweder stören die naturwissenschaftlich ausgerichteten Medikamente die Wirkung der homöopathischen Arzneien oder verhindern sogar deren Heilwirkung.

      Einem weit verbreiteten Missverständnis muss an dieser Stelle auch noch entgegen getreten werden. Bei der Homöopathie handelt es sich nämlich nicht um eine Pflanzen- oder Naturmedizin im eigentlichen Sinne. Einerseits greifen Homöopathen bei der Erstellung ihrer Medikamente neben pflanzlichen auch auf tierische und mineralische Substanzen zurück. Andererseits setzte Hahnemann gerade nicht auf die materielle, biochemische Wirkung einer Pflanze, sondern auf deren “dynamisierte” immaterielle Kraft, die in keinem direkten Zusammenhang mit der chemisch und physikalisch wahrnehmbaren Ausgangssubstanz steht. Heilung soll durch die nicht näher definierte “Energie” der pflanzlichen oder tierischen Substanz bewirkt werden. Deren Potenz liegt nicht in ihrer chemischen Struktur, sondern in dem von Hahnemann entwickelten Prozess der Wirkungssteigerung durch “Dynamisierung”.

      Auch dem weitverbreiteten Irrtum, homöopathische Medikamente seien weitgehend frei von Nebenwirkungen, muss hier aus Hahnemanns Sicht deutlich widersprochen werden. Demnach können falsch angewandte homöopathische Wirkstoffe erhebliche Nebenwirkungen verursachen, im Extremfall sogar zum Tod führen. Hahnemann hielt seine Medikamente nicht für harmlos, sondern für weit wirkkräftiger als herkömmliche Medizin.

      Auch richtig diagnostizierte und dosierte Homöopathika führen gewöhnlich zu einer “Erstverschlimmerung” der behandelten Erkrankung. Es können auch lange überwundene Phasen der Krankheit erneut ausbrechen oder zum Heilungsprozess gehörige unangenehme Begleiterscheinungen auftreten. Hahnemann ging davon aus, dass durch “allopathische” Medizin unterdrückte Symptome durch die homöopathische Behandlung erneut sichtbar werden können.

      1. Vorgeschichte der Homöopathie

      1.1. Medizin am Ende des 18. Jahrhunderts

      Nach der im 18. Jahrhundert vorherrschenden Lehrmeinung war die Gesundheit (Eukrasie) von dem optimalen Verhältnis der vier Kardinalsäfte (Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle) abhängig. Krankheit (Dyskrasie) wurde vorzugsweise mit ausleitenden Verfahren (Aderlass, künstliche Hauteiterung, Brech- und Abführmittel) behandelt. Ein intensiver Gebrauch dieser Methoden verschlimmerte den Zustand vieler Patienten, manche fanden dabei auch den Tod. Nicht besser sah es mit der medikamentösen Behandlung aus. Zahlreiche Heilmittel entstammten der Alchemie, magische Vorstellungen über die Wirkung besonders eklig angesehener oder außergewöhnlich wertvoller Substanzen mischten sich mit punktuellen klinischen Erfahrungen. Die Dosierung wurde weitgehend willkürlich vorgenommen. Immer wieder starben Patienten an tödlichen Medikamentenverschreibungen (z.B. Quecksilber). Auch die häufig abstrusen Diäten hatten kaum Einfluss auf die Krankheitsbekämpfung.

      Für den Tod Kaiser Leopold II waren wohl auch seine Ärzte verantwortlich, die den schwerkranken Monarchen mehrfach einem Aderlass unterzogen. Nachdem der erste nicht half, ließ man das Blut laufen, bis er tot war. Schuld daran war nach Ansicht der Ärzte natürlich nicht ihre Therapie, sondern die Schwere der Krankheit.

      Die medizinische Diagnostik war Ende des 18. Jahrhunderts mehr als dürftig, die Therapiemöglichkeiten äußerst eingeschränkt. 20% der Krankheiten wurde ohne nähere Differenzierung als “Fieber” bezeichnet. Daneben fanden sich “Auszehrung”, “Pocken”, “Schlagfluss” oder “Rheumatismus”. Wobei die konkreten Erkrankungen mit den heute diagnostizierten Erkrankungen nicht unbedingt zu tun haben. Krankheitsursachen sah man in Diätfehlern, Lebensumständen, Umweltbedingungen (Miasmen, Energien) oder übernatürlichen Kräften (Gott, Dämonen, Hexen). Krankheiten wurden häufig auch moralisch gewertet: Gott straft die Sünde, die Natur rächt sich, die maßlose Lebensweise fordert ihr Tribut.

      Angesichts hoher Sterblichkeit in den Krankenhäusern und den pauschalen Rosskuren der Ärzte wurden Kranke erst in letzter Not zu “medizinischen Spezialisten” gebracht. War der Kranke erst einmal den Ärzten ausgeliefert, herrschte ein strenges Regiment. Der Mediziner verstand sich als unhinterfragbare Autorität, dem der Patient und die Angehörigen sich zu unterwerfen hätten. Die tatsächliche Kompetenz des Heilkundigen allerdings war von beträchtlichem Unterschied. Studierten Wundärzten, Apothekern und Hebammen stand eine große Gruppe von Kräuterweibern, Magiern, Privatgelehrten und Kurpfuschern gegenüber. Wer von denen die bessere Therapie hatte, stand nicht von vornherein fest. Beide griffen gleichermaßen auf die Lehren des griechischen Mediziners Galen (ca. 129-216) zurück, nachdem das korrekte Verhältnis der vier Körpersäfte über Krankheit und Gesundheit entschied. Heilsubstanzen aus Kräuter- und Ekelmedizin (Kot, Sperma, Quecksilber) fanden sowohl hier als auch dort Anwendung. Der Zuspruch eines Arztes maß sich mehr an seinem durch spektakuläre Heilungen begründeten Ruf, nicht so sehr an dessen Ausbildung oder theoretischer Befähigung.

      Krankheitsursachen wurden gewöhnlich von philosophischen Systemen, nicht von pathologischen Studien abgeleitet. Und nur wer die inneren Ursachen einer Krankheit benennen konnte, wurde in jener Zeit als kompetenter Arzt gehandelt. Die naturhistorische Richtung (1825-1845) stützte sich auf empirische Daten, die naturphilosophischen Mediziner (1800-1840) hofften durch spekulatives Denken den Geheimnissen von Leben und Krankheit auf die Spur zu kommen. Insbesondere mit der letztgenannten Gruppe setzte sich Hahnemann des