Grünes Gold. Helmut Ginzinger

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Название Grünes Gold
Автор произведения Helmut Ginzinger
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783957800206



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hätt’s mir doch bald meine Frühstückssemmel wieder hochgedrückt. Ich will doch kein Zimmer kaufen, sondern nur für eine Nacht drin schlafen. Onassis bin ich auch nicht, oder Rockefeller oder der Kaiser Franz.

      Maria hinter der Rezeption scheint meine Gedanken lesen zu können und sagt: »Falls Sie alleine reisen, könnte ich Ihnen noch ein kleineres Einzelzimmer mit Bergblick anbieten, Frühstück ist da natürlich auch dabei und Ihr Auto steht kostenfrei am Parkplatz. Für hundertsechzig Euro die Nacht, geht das in Ordnung?«, fragt sie mit einem Lächeln.

      Hundertsechzig Euro, dafür könnte ich beim Stoandl viermal übernachten oder zweimal und jeweils einen üppigen Bierkonsum dazu bezahlen. Aber mir bleibt fast nichts anderes übrig, wenn ich an Blondie dranbleiben will. Es macht ja wirklich den Eindruck, als könnten mir hier in Wiessee ein paar Schnappschüsse gelingen. Franzi, dieser Geizhals, wird mir meine Extras bestimmt nicht erstatten.

      »Ich nehme das Einzelzimmer«, sag ich zu Maria und lächle zurück.

      Während ich das Anmeldeformular ausfülle, kommt plötzlich der Kerner auf die Rezeption zu. Ich bleib ganz cool, der weiß ja nicht, wer ich bin.

      »Herr Kerner, wir haben Platz 3 für Sie von sechzehn bis siebzehn Uhr reserviert und einen Tisch im Restaurant des Spielcasinos für einundzwanzig Uhr, ist Ihnen das angenehm?«, fragt Marias Kollegin den Blondie.

      »Sehr angenehm, Dorothea, bitte die Platzmiete auf die 318 buchen, danke.«

      Platz 3, das hört sich nach Tennisplatz an und Casino ist mir auch klar. Tennis spielt man für gewöhnlich nicht allein und ein Tisch im Casino ... Jetzt werd ich erst mal mein Zimmer beziehen und dann hab ich ein paar Stunden frei.

      Das kleine Einzelzimmer ist nun doch nicht so klein. Da würden die Doppelzimmer vom Stoandl zweimal Platz drin finden und Sky hat’s auch, jede Menge Sender. Das Bad ist ebenfalls super exklusiv, weiße Marmorwaschbecken, vergoldete Wasserhähne, runde Glasdusche und sogar ein extra Telefon im Bad. Das WC ist natürlich separat und die Lüftung funktioniert einwandfrei.

      Der Ausblick ist genial, zwar eben nicht zum See, aber dafür direkt auf die Berge und die Tennisplätze. Als Ermittlungsprofi hab ich natürlich immer das Nötigste für eine Nacht im Auto. Ich hol also mein Zeug und ruh mich zunächst aus, in meinem Hundertsechzigeurozimmer.

      Aufschlag Kerner um sechzehn Uhr und ich bin eine Viertelstunde zu spät, hatte noch was zu erledigen.

      Statt der erhofften Dame ist sein Gegenüber allerdings ein Mann. Von der Spielstärke her scheinen sie in etwa ebenbürtig zu sein, mit leichten Vorteilen für Kerner. Der spielt mit einem Mann, eventuell einem Geschäftspartner, so ein Mist.

      Ich mach trotzdem ein paar Fotos.

      Irgendetwas scheinen die beiden während der Spielpausen miteinander zu besprechen. Obwohl die anderen Spieler bestimmt keine Ohren für deren Konversation haben, tuscheln Kerner und sein Gegner hinter vorgehaltener Hand miteinander. Selbst wenn ich von den Lippen ablesen könnte, würde mir das in der Situation nichts bringen. Sauber, die Tennisstunde ist vorbei und nichts war mit Mädels.

      Maria (die von der Rezeption, nicht mein Navi) und ich sind inzwischen schon gut bekannt. Sie empfiehlt mir ein feines und günstiges Lokal nahe der Uferpromenade, wo ich köstliche Schwammerl mit Semmelknödel bekomme. Mein nächster Beobachtungstermin findet um einundzwanzig Uhr im Casinorestaurant statt. Ohne Sakko und Krawatte kommst du da nicht rein. Maria ist die Helferin in der Not. Für Hotelgäste gibt’s beides zum Ausleihen (zwanzig Euro). Später im Casino sehe ich noch drei weitere solche Standardsakkos und Einheitskrawatten rumrennen, bestimmt alle ausgeliehen.

      Der Kerner ist auch da und ebenso wieder sein Tennispartner. Das ödet mich vielleicht an.

      Beide sind edel gekleidet und ich mach ein paar gestochen scharfe Fotos von ihnen. In mir steigt da so ein Verdacht hoch und der würde auch das Tuscheln am Tennisplatz erklären. Sind die beiden etwa … Da hab ich die ganze Zeit gewartet, dass sich in Blondies Umgebung eine wirkliche Blondine einfindet oder eine rassige Rothaarige oder Schwarze, und am Ende ist der noch nicht mal an Mädels interessiert! Am Ende macht der sich hier mit seinem Penisspezl, sorry, Tennisspezl, ein Lover-Weekend, während seine Frau die neuesten Tomatenzüchtungen in Hamburg bestaunt.

      Ja, da legst di nieder.

      Was du in meinem Job alles erlebst, du glaubst es nicht. Jeder Fall birgt so seine Geheimnisse. Egal, das ist das Leben vom Kerner. Hauptsache, ich hab die Fotobeweise.

      Noch während ich mich diesem Gedanken hingebe, wird allerdings mein kleines niederbayerisches Weltbild umgehend wieder zurechtgerückt. Fast pünktlich um viertel nach neun tauchen zwei waschechte Blondinen im Abendkleid am Empfang des Casinorestaurants auf und steuern geradewegs auf den Tisch von Kerner und seinem Begleiter zu.

      Alle vier umarmen sich liebevoll, essen zusammen und haben sichtlich viel Spaß. Von der Bar aus knipse ich schöne Fotos und bin fast erleichtert.

      Mein Pärchen, »Blondie und Blondinchen«, macht sich gegen zwölf auf, um zu bezahlen. Ich ruf rasch den Kellner, damit ich den Anschluss nicht verpasse.

      Manchmal hasse ich diesen Privatdetektivjob, aber meine Fotos, die ich auf dem Casinoparkplatz und anschließend vor dem Hotel gemacht hab, sind super gelungen, beste Qualität. Feierabend ist jetzt noch nicht. Ich geh gleich mal auf mein Zimmer und schau, was da sonst noch an Fotos kommt.

      Ach, das hatte ich ganz vergessen zu erwähnen: Wie der Kerner zu seinem Tennismatch aufgebrochen ist, war ich kurz in seinem

      Zimmer 318. So eine Hotelzimmertür ist ja so was von sträflich einfach zu »öffnen«. Ich hab eine nette kleine Kamera, kaum größer als eine Streichholzschachtel, neben seinem Fernseher in einem Korb mit lauter nützlichen Sachen stationiert. Diese Kameras haben inzwischen Funk und WLAN und können aus fast jeder beliebigen Entfernung gesteuert werden, cool, oder? Die Aufnahmen sind auch bei schummrigem Licht noch klasse.

      Ich setz mich an meinen Laptop und stell die Verbindung zur Kamera in Kerners Zimmer her, einwandfreies Signal. Bei Blondies Schäferstündchen bin ich live dabei und mach ein paar Schnappschüsse.

      Nach zehn bis fünfzehn eindeutigen Aufnahmen mach ich Schluss mit der Fotosession, ist ja schließlich seine Sache, was er die ganze Nacht treibt.

      Als Abschluss des Abends genieße ich ein kleines Bier in der Hotelbar, ehe ich mich in meinem Zimmer zur Ruhe begebe.

      Ein Sonntagsfrühstück auf der Terrasse vom Kranzbichler, das hat schon was. Gute Hotelwahl, da hätt ich fast was versäumt, wenn ich woanders genächtigt hätt. Dieses Frühstücksbuffet ist der Hammer, sagen wir’s einfach so.

      Gegen elf beende ich mein Frühstück und schlendere in Richtung Zimmer 318, ich muss noch was abholen. Die Türe steht offen. Blondie und Blondinchen sind wohl grad unterwegs und das fleißige Putzlieschen ist am Aufräumen. Glänzende Gelegenheit, meine »Streichholzschachtel« einzusammeln, die kann man ja wieder verwenden.

      Für den Rest des Tages hab ich frei und da ich schon mal hier am Tegernsee bin, könnt ich mir doch glatt ein Radl ausleihen und auf den Wallberg radln.

      Gesagt, getan - oder auch nur fast. Nachdem ich ausgecheckt und mich noch von Maria verabschiedet hab, fahr ich auf den Wallberg. Der Einfachheit halber nehme ich allerdings doch das Auto bis zur Talstation und dann eine der schönen neuen Gondeln. Bei dem Wetter heut ist die Aussicht unbeschreiblich und ich genieße den Panoramablick vom Gipfel bei einer kleinen feinen Portion Kaiserschmarrn mit Apfelmus. Sauguad!

      Damit ich noch vor der Rückreisewelle der Münchner Wochenend- und Sonntagsausflügler auf die Autobahn komm und vielleicht noch eine Biergartenmaß beim Stoandl erwisch, brech ich aber bereits um halb vier wieder auf und mach mich auf den Heimweg.

      Das mit der zügigen Heimfahrt klappt nur teilweise. Wenn die Straße frei wäre, würde ich nur etwa zwei Stunden für die Strecke brauchen. Ich bin aber erst nach sieben Uhr beim Stoandl im Biergarten, hat also fast doppelt so lange gedauert.

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