Grünes Gold. Helmut Ginzinger

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Название Grünes Gold
Автор произведения Helmut Ginzinger
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783957800206



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zusammen, also so richtig, mein ich. Vorher waren wir für längere Zeit zusammen, aber sie hat mir »gekündigt«. Beziehungskisten sind halt oft nicht so einfach. Soll sie doch machen, was sie will.

      »Ich fahr jetzt erst mal raus zum Wolkenstein und geb unser Angebot ab«, sag ich zu Lena. »Danach muss ich zum Bauamt, was regeln wegen dem Laden.«

      Die Franzi kann warten.

      Die Firma Wolkenstein ist eines der größten Unternehmen in der Holledau. Die stellen Kugelhähne und Industrieventile in allen Größen und für tausend verschiedene Zwecke her. Ich als Computerheini wüsste heute noch nicht, was ein Kugelhahn ist, hätten die nicht vor ein paar Jahren einen Tag der offenen Tür mit Freibier und Weißwurstfrühschoppen gehabt. Ohne Freibier wäre ich gar nicht hingegangen, aber dann wollt ich doch sehen, wie ein paar von meinen Spezln schon seit Jahrzehnten dort ihre Zeit totschlagen.

      Ach ja, der Kugelhahn, das ist nicht etwa so ein vollgefressener Giggerl von unserem Nachbarn, der kurz vor seiner Verwertung steht. Den Kugelhahn kannst du dir in seiner einfachsten Form in etwa so vorstellen wie einen Wasserhahn, nur dass beim Zudrehen keine flache Ventildichtung, sondern eben eine Kugel den Weg des Wassers, des Gases oder von was auch immer nach außen versperrt. Damit aber beim Aufdrehen das Zeugs durchfließen kann, hat die Kugel ein Loch in der Mitte durch. Die Kugel hält im Gegensatz zu anderen Verschlüssen viel mehr Druck aus, ist viel dichter und geht auch nicht so leicht kaputt, sagen die. Der Werksleiter hat uns bei der Präsentation - die mussten wir vor dem Freibier über uns ergehen lassen - gesagt, dass einem da eher die Zuleitung um die Ohren fliegt, als dass der Kugelhahn seinen Geist aufgibt und einen Tropfen durchlässt. Heute gibt’s die Kugeldinger natürlich in allen Farben und computergesteuert, perfekt. Nach einer Stunde gab’s dann endlich die Weißwürste und das Freibier.

      Die an der Pforte beim Wolkenstein kennen mich schon, da kann ich quasi Tag und Nacht rein, weil ich einen Geschäftspartnerausweis hab.

      Wolkenstein kauft nicht regelmäßig bei mir, aber wenn mal wieder so ein Computerteil abgestürzt ist, rufen die bei uns an. Weil wir denen einen schönen Wartungsvertrag verkauft haben, tanzen dann bei Problemen entweder der Liachtl oder ich innerhalb von drei Stunden an, um das Ganze wieder ans Laufen zu bringen.

      Heut ist mal eben nichts kaputt, sondern ich will mein Angebot über vierzig neue PCs inklusive Software und Wartungsvertrag abgeben. Bevor ich das allerdings mach, geh ich noch kurz in die Produktion, um mit dem Schorsch zu sprechen. Der steht an so einer riesigen Presse mit ein paar Tonnen Gewicht. Der Schorsch selbst ist etwas zierlicher, er hat höchstens hundertzwanzig Kilo.

      Jedes Mal, wenn die Presse nach unten fährt, fliegen dir fast die Eier aus der Hose. Der Schorsch ist das gewohnt. Der macht den Job schon seit zwanzig Jahren und hat wohl extra Muskeln, damit er da nichts verliert.

      »Heut um sieben beim Stoandl!«, schrei ich ihn an und er nickt. Normal unterhalten kannst dich da nicht bei dem Lärm, und außerdem hat der Schorsch eine »Micky Maus« auf, also einen Gehörschutzkopfhörer. Ich nehm an, er liest mir von den Lippen ab.

      Heut ist Donnerstag, und das bedeutet, wie jeden Donnerstag, Gesellschaftsabend und Schafkopfen beim Stoandl. Mit Stoandl ist nicht etwa ein kleiner Stein gemeint, sondern eine der letzten verbliebenen privaten Brauereien in der Hallertau, der Steinbräu.

      Nachdem nun dieser wichtige Termin klar ist, treff ich mich mit dem IT-Fuzzi, ich mein, dem EDV-Leiter vom Wolkenstein, und der wiederum nimmt mich gleich mit zum Einkaufschef.

      Wenn man irgendwann jemanden endlos jammern hören will, dann muss man einfach einen Einkaufschef treffen. Er hat doch erst vor zwei Jahren zwanzig neue PCs gekauft und die anderen Computer sind auch erst fünf Jahre alt. Tja, die fünf Jahre alten Kisten kann er getrost entsorgen, da läuft weder die neue Office- Software noch die neue SAP-Oberfläche drauf. Da schläfst du ein, bis die neuen Programme ausgeführt werden. Kurzum, es bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als neue Computer anzuschaffen.

      Beim Anblick vom Gesamtpreis, inklusive telefonischem und Vor-Ort-Support für drei Jahre, bleibt ihm fast die Luft weg. Armer Kerl, dabei bin ich ja eh schon an meiner untersten Preisschmerzgrenze angelangt.

      »Das geht ja überhaupt nicht! Da haben wir schon viel bessere Angebote«, gibt er mir zu verstehen.

      Obwohl ich weiß, dass das wahrscheinlich überhaupt nicht stimmt, verspreche ich ihm, noch mal neu zu kalkulieren. Das übliche Spiel halt. Seine ehrwürdige Daseinsberechtigung als Einkaufschef besteht darin, noch einige Prozent Nachlass herauszuholen, die ich natürlich vorher draufgeschlagen habe. Für Anfang nächster Woche sage ich ihm ein optimiertes Angebot zu.

      Nach dem Meeting brauch ich dringend was zum Essen, und weil die Wolkenstein-Kantine gar nicht so schlecht ist, begebe ich mich direkt dorthin. Eine Kantine hat nicht nur den Vorteil, dass du dich für ein paar Euro satt essen kannst, sie ist in vielen Betrieben die Kommunikationszentrale schlechthin. Dort erfährst du mehr über gewisse Interna als am Besprechungstisch.

      Die Geschäftsleitung plant organisatorische Änderungen und die Prozesse sollen optimiert werden, heißt es, welch eine Überraschung! Den üblichen Tratsch gibt’s natürlich auch. Einer der Abteilungsleiter war wohl während der Überstunden etwas enger mit seiner Sekretärin beschäftigt. Harter Job!

      Das Einzige, was mich bei dem Getratsche aufbaut, ist das Schimpfen der Bürohexen über die langsamen PCs und darüber, dass sie den EDVlern schon Feuer unterm Arsch machen würden, damit neue Computer herkommen. Gut so, meine Damen, der Bedarf ist geweckt!

      EDV ist übrigens die Abkürzung für »Ende der Vernunft« und nicht wie vielfach angenommen das Kürzel für »Elektronische Datenverarbeitung«.

      Ein kleiner Spaziergang nach dem reichlichen Essen tut gut und überbrückt die Mittagsmüdigkeit.

      Am frühen Nachmittag mach ich mich auf den Weg zur Stadtverwaltung. Um halb drei stehen die Chancen gut, dass die vom Bauamt nun auch schon aus ihrer Mittagsruhe erwacht sind und ich eine Audienz bekomme.

      »Servus, Norbert, nun schau dir diese Verbrecher vom Landratsamt an, die wollen mir doch glatt meinen Laden zusperren, obwohl ich überhaupt nichts gemacht habe.« Ich halt ihm das Schreiben vom Landratsamt unter die Nase, das ich vor vier Wochen bekommen habe.

      »Zeig den Schrieb mal her, Vinzenz, was wollen die denn von dir?« Der Norbert liest sich das Schreiben aufmerksam durch. »Ah so, die mahnen zum dritten Mal an, dass du beim Notausgang in deinem Laden ein vorschriftsmäßiges Geländer anbringen musst, damit sich bei einem Notfall keiner die Haxen bricht, wenn er da raus muss.«

      »Dass ich ned lach! Wer außer mir, der Lena und dem Liachtl sollte denn da raus oder rein wollen? Ein anderer hat bei unserem Notausgang gar nichts zu suchen. Wenn ein Unberechtigter da rumturnt, macht’s nix, wenn er sich was bricht. Und weißt du eigentlich, was so was wieder kostet? Da muss ich mindestens zehn PCs verkaufen, bis ich das wieder reingeholt hab.«

      »Weißt was, Vinzenz, ich schreib jetzt dem Kollegen im Landratsamt, dass du bei mir vorstellig geworden bist und dass du alsbald das Geländer anbringen lassen wirst, sagen wir innerhalb der nächsten vier Wochen, okay?«

      Seit Neuestem gibt’s zu Notausgängen sogar eine EU-Verord-nung und die soll angeblich auch für mich gelten, meint der Norbert.

      »Na meinetwegen, aber in Ordnung ist so was nicht. Da würde mich schon interessieren, ob zum Beispiel ein Marcello auf Sizilien, der vielleicht auch einen Computerladen hat, ob der auch so schikaniert wird. Der würde sich einen Dreck drum kümmern, ach, was sag ich, der würde erst gar kein Schreiben vom Amt bekommen! Aber mit uns können sie es ja machen, die im Landratsamt. Nichts für ungut, Norbert, aber das muss doch echt mal gesagt werden.«

      Mir ist schon klar, dass der Norbert auch nicht viel gegen die EU ausrichten kann, ist halt vielleicht doch ein Sklave, ein »servus«, wie der Lateiner sagte.

      »Servus, Norbert«, sag ich noch und schließ die Tür hinter mir.

      Abends um dreiviertel sieben brech ich auf zum Stoandl. Die Brauerei-Gaststub’n ist nur zehn Minuten zu Fuß von mir entfernt und deswegen hab ich auch keine Bedenken,