Jedes Kind kann Schule. Stefan Reiner

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Название Jedes Kind kann Schule
Автор произведения Stefan Reiner
Жанр Учебная литература
Серия
Издательство Учебная литература
Год выпуска 0
isbn 9783833876769



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und für Ihr Kind tun können.

       Orientierung geben im Dschungel der vielfältigen Therapie- und Lernmethoden und beraten, welche Fachleute oder Beratungsstellen man sinnvollerweise aufsuchen kann.

       Mut machen, da es von vielen erfolgreichen Menschen erzählt, die früher erfolglose Schüler oder sogar Schulabbrecher waren.

       helfen, indem es nützliche Adressen nennt und konkrete Tipps gibt, wie Sie Ihr Kind unterstützen können.

       Ihren Blick schärfen für das, was im Leben eines Kindes wirklich wichtig ist, für Gründe, die eigene Haltung zu überdenken, und für die Gefahr, den Noten zu viel Bedeutung beizumessen.

      Der Aufbau des Buches

      Im ersten Kapitel des Buches geht es um die Grundlagen des Lernens. Sinnvolles Lernen ist, ohne Freude daran zu haben, nämlich kaum möglich (Stichwort »Lernfrust«). Die Fachleute sprechen hier von Lernflow (Lernfluss) – und genau diesen Zustand gilt es anzustreben. Der Lernflow wird begünstigt, wenn Kinder sich ihrem Alter entsprechend entwickeln dürfen und nicht mit übertriebenen Fördermaßnahmen gepusht werden.

      Auf diesen ersten Seiten geht es auch um eine sinnvolle beziehungsweise angemessene Erziehung in den verschiedenen Entwicklungsabschnitten – und wie sie sich auf den Lernprozess auswirkt. Kindgerechte (altersentsprechende) Mediennutzung und echte Motivation sind zwei weitere Voraussetzungen beziehungsweise Einflussfaktoren, damit das Lernen gelingt.

      Und es geht spannend weiter: Viele Kinder, die sich beim Lernen schwertun, haben nämlich »nur« einen anderen Lernstil, sie lernen als Bilddenker anders als ihre Altersgenossen. Aber die Schule vermittelt den Unterrichtsstoff meist nicht bildhaft, sondern sprachlich. Daher kommen viele Lernprobleme.

      Nicht zuletzt gilt es, drei weit verbreitete Irrtümer über das Lernen kritisch zu hinterfragen. Einer davon lautet: Sich-Anstrengen hilft beim Lernen. Dabei zeigt die Erfahrung ganz klar, dass in vielen Fällen genau das Gegenteil zutrifft. Und last not least ist da noch der alte Spruch: Übung macht den Meister. Ja, dem stimme ich eigentlich zu, ohne Üben geht’s meistens nicht. Aber doch erlebe ich bei vielen Schülern (und Eltern!), dass fast maßlos geübt wird, ohne entsprechende Erfolge zu erlangen. Genau hier gilt es zu schauen, warum Üben nicht zum erhofften Lernerfolg führt und welche Steine im Wege liegen, die es beiseite zu räumen gilt.

      Genau darum geht es dann in den weiteren Kapiteln des Buches. Dort werden die verschiedenen Lernprobleme systematisch abgehandelt: Lesen, Schreiben/Rechtschreiben, Rechnen, Sich-Konzentrieren, Prüfungsangst und schlechte Noten. Anhand von kurzen Fragen und Checklisten können Sie selbst herausfinden, warum das jeweilige Problem besteht. Im Anschluss daran gebe ich jeweils vielfältige praktische Tipps, wie Sie als Eltern unterstützen und welche Therapiemethode beziehungsweise welche Expertinnen und Experten wirklich helfen können. Hier stelle ich mein gesamtes Wissen aus 25 Jahren Berufserfahrung zur Verfügung. Auch wenn dies natürlich nicht immer das Aufsuchen von Fachleuten ersetzen kann, lässt sich doch oft klären, wie der nächste Schritt aussieht und was man alles selbst tun kann. Immer wieder habe ich Familien kennengelernt, die eine wahre Odyssee hinter sich hatten, um den Lernproblemen auf die Spur zu kommen, und die erst durch den hier beschriebenen ganzheitlichen Blick endlich eine klare Sicht bekamen. Vertrauen Sie also nicht nur auf Fachleute, sondern bilden Sie sich mithilfe der hier geschilderten Übersicht eine eigene Meinung. So erhalten Sie Orientierung und können mit klarem Blick den direkten Kurs zum Ziel ansteuern.

      Ich wünsche Ihnen und Ihrem Kind dabei viel Erfolg!

      Stefan Reiner

      GRUNDLAGEN FÜR ERFOLGREICHES LERNEN

      Wie gut die Sache mit dem Lernen läuft, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Als Eltern können Sie viel dafür tun, um die Voraussetzungen zu schaffen, die es Ihrem Kind leichter machen.

      LERNFLOW STATT LERNFRUST

      In der frühen Kindheit lernen wir wie von selbst, freiwillig und so schnell wie niemals später: unsere Muttersprache, unzählige Bewegungsabläufe, soziale Prozesse und weitaus mehr. Und wir lernen vieles davon ohne Lehrer und in den meisten Fällen hochmotiviert. Während der Schulzeit sieht das mit dem Lernen dagegen leider oft ganz anders aus: Frust statt Lust, Fremdbestimmung statt Freiwilligkeit, Versagensangst statt Begeisterung.

      Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) stellte schon 2014 auf seinem 20. Kongresses mit dem Titel »Macht Schule krank?!?« eine steigende Zahl an Depressionen, Angst-, Schlaf- und psychosomatischen Störungen unter den Schülerinnen und Schülern fest und forderte menschlichere Schulen.

      Drei Jahre später ergab die umfangreiche Studie »Präventionsradar« der DAK-Gesundheit, dass 43 Prozent der Schülerinnen und Schüler im Alter von 10 bis 18 Jahren häufig Stress haben – eine erschreckend hohe Anzahl und ein trauriges Ergebnis, wie ich finde. Denn Notendruck belastet durch Vorwürfe, ein schlechtes Gewissen, enttäuschte Erwartungen und Tränen nicht nur die Kinder, sondern liefert auch immer wieder Anlass für Streit und belastet so massiv die gesamte Familiensituation.

      Trotz allem sollte man sich von solchen negativen Schlagzeilen nicht entmutigen lassen. Die Haltung der Mütter oder der Väter und natürlich auch der Lehrerinnen und Lehrer ist entscheidend und prägend für Kinder und Jugendliche. Jeder kann dazu beitragen, dass sie (wieder) mehr Lust aufs Lernen haben und Lernen mehr Spaß macht.

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      In den Lernflow kommen

      Den Begriff »Lernlust« findet man in Fachbüchern zwar nicht, sehr wohl aber den des »Lernflows«: Wenn wir einen sogenannten Lernflow erleben, lernen wir am leichtesten – mühelos, wie von selbst und äußerst ausdauernd. Doch was ist dieser Flow?

      Flow (englisch: fließen, strömen) bezeichnet das beglückende Gefühl eines mentalen Zustandes völliger Vertiefung (Konzentration) und restlosen Aufgehens in einer Tätigkeit. Wenn wir im Flow sind, erledigen sich Aufgaben wie von selbst. Wir merken nicht, wie die Zeit vergeht, und verspüren keine Anstrengung. Im Grunde könnte man statt Flow also auch das gute alte Wort Schaffensrausch verwenden.

      Als Schöpfer der Flow-Theorie gilt der Psychologe Mihály Csíkszentmihályi. Er beschreibt den Flow als eine Tätigkeit, bei der man so in eine Sache vertieft ist, dass nichts anderes eine Rolle zu spielen scheint.

      Auch beim Lernen kann man in einen wunderbaren Flow geraten – das sollte sogar das Ziel sein. Die gute Nachricht ist, dass der Lernflow quasi von allein entsteht, wenn ein Kind genügend motiviert ist (siehe > ff.) und die Anforderungen, die an es gestellt werden, als angemessen erlebt. Das bedeutet: Die beziehungsweise der Lernende dürfen weder überfordert noch unterfordert sein.

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      Der Flow-Bereich (grün) befindet sich zwischen Überforderung (rot) und Unterforderung (blau). Stress, Angst und Überforderung liegen über der roten Linie, Langeweile und Routine unter der blauen. Steigen Fähigkeiten und Anforderungen gemeinsam an, wird auch der Bereich des Flows größer.

      DIE KINDLICHE ENTWICKLUNG

      Ist die Traubensorte Rivaner besser als Spätburgunder oder Riesling, weil die Weintraube früher reif ist? Natürlich nicht! Späte Ernte steht im Gegenteil oft für süßere Trauben und einen hochwertigeren Wein. Für unsere Kinder dagegen scheint zu gelten: Je früher sie sprechen, laufen oder lesen können, desto besser. Darum gibt es immer mehr Frühfördermaßnahmen für immer jüngere Kinder. Aber so, wie das Gras nicht schneller wächst, wenn man daran zieht, entwickeln sich auch Kinder nicht besser, wenn