Die Eiswolf-Saga. Teil 1-3: Brudermord / Irrwege / Wolfsbrüder. Drei historische Romane in einem Bundle. Holger Weinbach

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Abt.“

      Der Mönch betrachtete den staubigen Krieger vom Scheitel bis zur Sohle. Es war ein abschätzender Blick aus dem Brandolf nicht lesen konnte, was sein Gegenüber dachte. Der Mönch war in ein derart dunkles Habit gekleidet, dass es beinahe schwarz wirkte. Als er sprach, klang seine Stimme klar und deutlich mit einem Hang zur Arroganz. „Das ist leider nicht möglich.“

      „Aber es betrifft eine wichtige Mission.“

      „Vielleicht kann ich Euch weiterhelfen. Wie lautet Euer Auftrag?“

      „Der Kaiser ersucht um Verstärkung seiner Truppen im Kampf gegen die aufsässigen Langobarden. Während des heißen Sommers sind in den Lagern Seuchen ausgebrochen, die viele Recken dahingerafft haben.“

      „Weshalb seid Ihr dann nicht dort und kämpft für ihn?“

      „Das habe ich bis vor wenigen Wochen getan. Doch die Lage wendete sich zum Schlechten. Als sein Gesandter komme ich mit der Bitte um Unterstützung.“

      „Ihr werdet mit leeren Händen zurückkehren müssen, denn diese Abtei unterliegt direkt dem Grafen Rurik. Ihm haben wir bereits Beistand zugesagt, denn auch er kam vor einigen Tagen mit der gleichen Bitte zu uns. Mehr kann Kaiser Otto nicht von uns erwarten.“

      Der Mönch wandte sich wieder ab und glaubte wohl, dass der Adelige damit zufrieden sei und die Räumlichkeiten wieder verlassen würde, doch das Gegenteil war der Fall. „Verzeiht, ehrwürdiger Bruder, doch das ist nicht mein einziges Anliegen, weshalb ich mit dem Abt sprechen möchte.“

      Entnervt wandte sich der Mönch noch einmal um. „Ich habe Euch doch schon gesagt, dass der Abt Euch nicht empfangen wird. Geht endlich oder vertraut mir Euer Begehren an.“

      Brandolf wusste nicht, ob er diesem Mann vertrauen konnte, doch er schien keine andere Wahl zu haben. „Wie lautet Euer Name?“

      „Ich bin Prior Walram, Stellvertreter des Abtes. Wenn Ihr also mit mir nicht Vorlieb nehmen wollt, so rate ich Euch, endlich zu verschwinden. Ich habe keine Zeit für sinnloses Geschwätz.“

      Plötzlich erklang eine Kirchenglocke. Angespannt schaute der Prior aus dem Fenster, als müsse er dem Ruf augenblicklich folgen. Seine Worte klangen jetzt harsch: „Entscheidet Euch endlich. Sprecht oder geht!“

      Faolán hatte vor langem aufgehört, die Tage in der Büßerzelle zu zählen. Sein Fristen wurde einzig von Erings Besuchen und dem Bringen eines Wasserkruges unterbrochen. Heute allerdings regte sich etwas vor seiner Zelle, obwohl er bereits einen Krug frischen Wassers erhalten hatte.

      Die schwere Holztür wurde entriegelt und noch bevor sie sich ganz geöffnet hatte, erklang plötzlich die große Kirchenglocke, als rufe sie zum Gebet. Faolán begriff sofort, dass sie zu einer außerordentlichen Kapitelsitzung rief. Es war an der Zeit, ein Urteil über die Sünder zu sprechen.

      Als der Cellerar den kargen Raum betrat, überkam Faolán ein unbeschreibliches Glücksgefühl. Am liebsten wäre er dem beleibten Mönch um den Hals gefallen. Bruder Ivo zögerte anfänglich, vermied direkten Blickkontakt und sprach mit gesenkter Stimme. „Es ist soweit. Warte vor der Zelle.“

      Faolán trat vor die Tür und wartete. Konrad verließ ebenfalls seine Büßerkammer. Die Blicke der beiden Freunde trafen sich nur kurz, doch Faolán erkannte Hilflosigkeit und Furcht in Konrads Augen. Dann folgten sie dem Kellermeister, der die Sünder durch das Kloster führte. Es war ein trauriger Marsch ins Ungewisse. Keine Menschenseele war zu sehen, die Abtei schien wie ausgestorben. Nicht nur der Kellermeister schwieg – die gesamte Bruderschaft war verstummt. Sogar die Vögel schienen das Kloster verlassen zu haben und der Wind hatte sich gelegt, so dass noch nicht einmal das Laub der Bäume raschelte. Einzig die Kirchenglocke war laut und weithin zu hören, als wolle sie die Vergehen der Novizen sowohl auf Erden wie auch im Himmel verkünden.

      Brandolf zögerte noch immer, verließ die Gemächer des Priors aber nicht. Walram war angespannt. Das Läuten der Glocke wurde leiser und der Prior blickte nervös immer wieder aus dem Fenster.

      Aus den Augenwinkeln bemerkte der Krieger, dass drei Personen am Fenster vorüber gingen. Der Mönch sah es ebenfalls und machte einen ungeduldigen Schritt auf die Tür zu. „Ich habe jetzt keine Zeit mehr für Euch. Geht jetzt oder sprecht geschwind!“

      „Was ich zu sagen habe, ist nicht mit zwei Sätzen erläutert.“

      „Einen endlosen Sermon kann ich mir jetzt nicht anhören.“

      „Wenn Ihr gestattet, ehrwürdiger Prior, so werde ich in Euren Gemächern auf Euch warten, bis Ihr mehr Zeit für mich habt.“

      Walram schien in Gedanken nicht mehr bei Brandolf zu sein. Als habe er nur zum Teil verstanden, was der Edelherr von ihm wollte, nickte er leicht mit dem Kopf und gestattete die Anfrage, als wäre sie von keinerlei Bedeutung.

      „Ja, ja, wie Ihr wünscht.“ Sein Blick folgte allerdings den drei Personen, die soeben vorüber gegangen waren.

      Als sie nicht mehr zu sehen waren, kam Walram wieder zur Besinnung und sprach den Krieger an: „Wartet hier und rührt Euch nicht von der Stelle. Weiß außer mir sonst noch jemand von Eurer Ankunft?“

      „Nein.“

      „Gut! Ich werde bald zurück sein, dann kann ich Euch möglicherweise weiterhelfen.“

      Brandolf willigte ein und ließ sich auf einem Schemel nieder, während der Prior den Raum verließ. Der Ritter blickte ihm nach. Er konnte sich das sonderbare Verhalten des Mönches nicht erklären. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn. Dieser Prior schien intelligent zu sein und Macht zu besitzen, die er sicherlich auch zu nutzen wusste. Jeder, der ihn zum Feind hatte, war zu bedauern. Brandolf hoffte, dass der Mönch ihn nicht als lästigen Störenfried ansah, sondern ihm bald einige nützliche Informationen würde geben können.

      Der Cellerar führte die beiden Sünder bis vor den Kapitelsaal, dessen zweiflügliges Portal weit offen stand. Der Saal selbst war menschenleer. Bruder Ivo gebot den Novizen sich zu entkleiden und in Büßerhaltung auf den Boden zu legen. Sie folgten der Anweisung und legten sich stumm hintereinander auf den Steinboden des Arkadenganges, unmittelbar vor das Portal, mit ausgestreckten Armen und geschlossenen Beinen, einem Kreuz gleich. Ihre Gesichter hielten sie zu Boden gerichtet, sodass sie nichts weiter sehen konnten. Gebannt lauschten sie in die Stille des Klosters.

      Einige Zeit verharrten die Sünder in dieser Haltung und Faolán begann der Rücken zu schmerzen. Doch er wagte nicht, sich zu bewegen. Dann vernahm er die leisen Schritte vieler Personen, die sich dem Saal näherten. Es war die Bruderschaft. Um den Saal betreten zu können, mussten sie an den Sündern vorbei. Doch es war kein einfaches Vorübergehen: Jeder Bruder verpasste den Novizen einen Streich mit einer Rute. Viele der Schläge wurden nur angedeutet und Faolán hoffte, es würde bei diesem symbolischen Akt bleiben. Etwas anderes bewies ihm ein heftiger Streich, der ihm Tränen in die Augen trieb. Der Novize musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht aufzuschreien. Er hatte zwar nicht sehen können, wer ihn derart geschlagen hatte, doch er wusste genau, dass der Hass in diesem Streich nur von Walram kommen konnte. Ähnlich hart schlugen auch die Anhänger des Priors zu. Sie nutzten die Gelegenheit, den Büßern vor allen Augen eine harte Bestrafung und Demütigung zuteil werden zu lassen.

      Nachdem die Bruderschaft vorbeigezogen war, waren die Rücken der Sünder wund und blutend. Die Pforte zum Kapitelsaal schloss sich langsam mit einem dumpfen Geräusch. Stille kehrte im Arkadengang ein. Niemand hatte die beiden Novizen aufgefordert, sich zu erheben oder gar an der Sitzung teilzunehmen. Ihre Taten waren zwar der Grund für die Zusammenkunft, sie selbst waren jedoch Ausgeschlossene.

      Faolán blieb demütig und regungslos liegen. Konrad hingegen wurde unruhig. In ihm kam der waghalsige Gedanke auf, einfach aufzustehen und davon zu laufen. Wer hätte ihn daran hindern sollen? Die gesamte Bruderschaft befand sich im Kapitelsaal, um über ihn und Faolán zu richten. Doch es war letztlich nicht Gehorsam oder Ehrfurcht vor den Mönchen, die ihn davon abhielten, sondern der Gedanke an Faolán. Konrad wusste, dass sein Freund ihm bei einer Flucht nicht folgen würde und er wollte ihn unter keinen Umständen allein im Kloster zurücklassen.

      So