Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk

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Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745212532



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Dr. Katzmann, mein Assistent in Frankfurt!“

      „Lass mal, Huber. Soviel Aufwand ist die Sache wahrscheinlich gar nicht wert. Nee, nee!“

      „Wenn Sie das so sagen... also, jetzt muss ich wirklich ... sonst...“

      Kurze Zeit nachdem Dr. Siegfried Huber das Weite gesucht hat, vernimmt Benedict ein merkwürdig dumpfes, explosionsartiges Geräusch, dessen Art und Ursprung ihm längere Zeit ein Rätsel bleibt. Schnell hatte der Huber ja wieder reagiert. Sich in dieser Situation das polizeiliche Kennzeichen zu merken und dann auch noch, durch welche Quellen auch immer, den Halter des Motorrades zu ermitteln! Das war schon eine reife Leistung. Typisch Huber, eben. Schade, dass es nicht geklappt hat. Hoppegarten ... Pferdeallergie ... wieder dringt dieses gedämpfte Knallen an seine Ohren, und dann muss Benedict in seinem Bett vor Lachen fast losprusten ... richtig, da niest jemand!

      Benedict fühlt sich im Wissen um Hubers beschützende Anwesenheit bedeutend sicherer in den Straßen dieser Stadt. Er vermeidet vergewissernde Rundumblicke, denn das übernimmt viel besser jemand anderes für ihn.

      „Morgen!“

      Der Wartburg der MUK erwartet ihn am Bahnhof Lichtenberg, aber heute ist es nicht der allgegenwärtige Engel, sondern der Leiter der MUK höchstpersönlich, der ihn zu einer Spazierfahrt auffordert.

      „Ich habe da was für Sie arrangiert, draußen in Karlshorst.“

      Nach seiner knappen Mitteilung versinkt er in Schweigen, so als müsste Benedict der Inhalt dieses Satzes aus sich selbst heraus klar sein. Auch der Hauptkommissar grübelt schweigend, stellt aber nach einigen Minuten fest, dass Meißner im Kreis herumfährt, denn die gleiche Straße haben sie gerade eben schon einmal passiert. Stirnrunzelnd wendet er dem Fahrer seinen Kopf zu, aber dessen Blicke scheinen vom Rückspiegel gebannt zu sein.

      „In einer Hinsicht scheinen Sie jedenfalls Recht gehabt zu haben. Wir werden verfolgt!“

      Nach einer Weile weiteren Zickzack-Kurvens greift der MUK-Leiter schließlich zum Mikro, bastelt aber erst irgend was an dem RFT-Gerät herum, bevor er zu sprechen beginnt.

      „Sluschaitje, Towarischtsch Major! Mui idiom...“

      Perplex lauscht Benedict den russischen Wortkaskaden des MUK-Leiters. Klar, so ungewöhnlich war das ja auch nicht. Hatte wahrscheinlich sogar Lehrgänge in der Sowjetunion mitmachen müssen... war wohl üblich bei den höheren Chargen hier. Nach mehreren Minuten scheinen Meißner und sein unsichtbarer Gesprächspartner dann zu einem Entschluss gekommen zu sein. Jetzt geht es ohne weitere Umwege zügig Richtung Friedrichsfelde, wo Meißner den Wartburg schließlich am Eingang des Tierparks anhält und Benedict zum Aussteigen auffordert.

      Als sie das Eingangstor passiert haben und auf ein größeres Gebäude zugehen, spricht Meißner kurz und eindringlich auf ihn ein. „Wenn wir da drin sind, wird Sie ein Tierpfleger mit einer Tierparkuniform versehen. Die ziehen Sie ganz schnell über Ihre Klamotten, und dann folgen Sie seinen Anweisungen. Das muss alles ganz schnell gehen, sonst kommen die uns auf die Schliche. Nachher werden Sie dann erwartet!“

      „Und was ist mit Ihnen?“

      „Ich warte hier, bis Sie wieder zurück sind. Dann fahren wir wieder zusammen los!“

      „Aber...“

      *

      Zu spät, sie haben das Dienstgebäude erreicht, wo sie der Tierpfleger erwartet. Benedict streift sich das streng riechende Zeugs über, schlüpft in ein Paar übergroße Gummistiefel und bekommt abschließend noch eine speckige Mütze auf den Kopf gestülpt. Er schüttelt sich. Hoffentlich gibt das keine Herpesbläschen. Der Mann drückt ihm dann noch eine Mistgabel in die Hand, nimmt eine bereitstehende Schubkarre mit Heu, und sie verlassen das Gebäude durch einen anderen Ausgang. Zwischen zwei Gehegen hindurch erreichen sie Augenblicke später eine dichte Baumhecke. Ehe sich Benedict versieht, öffnet sich dahinter unvermittelt eine kaum wahrnehmbare Eisentür, und er stolpert hindurch. Eine Straße, eine dunkel verhangene Limousine mit laufendem Motor und ein offener Wagenschlag, in den er hineingezogen wird. Stolpernd fällt er auf die hintere Sitzbank, die Tür klappt zu, und der Wagen nimmt zügig, aber nicht übertrieben schnell Fahrt auf.

      „Wo soll’s denn hin gehn?“

      Die Antwort des Fahrers, von dem er nur den breiten Rücken sieht, ist nicht besonders erhellend.

      „Ja nje ponimaju!“

      Weitere Bemühungen um Konversation stellt der Hauptkommissar ein und ergibt sich in sein Schicksal. Was sollte er sonst auch machen. Meißner wird das schon richtig organisiert haben, oder ...?

      Lange dauert es dann aber nicht. Der Fahrer öffnet den Wagenschlag wieder, und als Benedict aussteigt, steht er vor einer etwas stockfleckigen Gründerzeitvilla, in deren Inneren er von einer uniformierten Wache in Empfang genommen wird. Diese Uniform! Endlich fällt auch bei ihm der Groschen. Karlshorst! Natürlich! Hier sitzen doch die Iwans! Noch bevor er sich mit diesem Gedanken vertraut machen kann, klopft sein Empfangskomitee an eine Tür und geleitet ihn hinein.

      Welch ein Bild.

      Das Flaggschiff der russisch-türkischen Koalitionsflotte unter voller Takelung feuert eine Breitseite gegen die französischen Inselbefestigungen in der Ionischen See. Eines dieser maritimen Kriegsgemälde in schwerem Goldrahmen, auf denen nichts von Schweiß und Mühsal der misshandelten Kanoniere und Seeleute zu sehen ist. März 1799. Russisch-türkische Streitkräfte erobern die Ionischen Inseln von den Franzosen. In Korfu fallen ihnen ein Linienschiff und eine Fregatte in die Hände. Das seemännische Bravourstück wurde von dem russischen Admiral Fjodor Uschakow, dessen Flagge am Top des Hauptmastes flattert, geführt. Welch ein Bild. An diesem Ort.

      „Gefällt es Ihnen, Herr Benedict?“

      Was für eine Frau.

      Das weiße Gesicht mit den hohen Wangenknochen von blauschwarzem Haar umrahmt, zu einem kleinen Dutt im Nacken gesteckt, versucht es Strenge zu vermitteln, kann aber die Ausstrahlung sinnlicher Weiblichkeit nicht völlig verhindern. Die etwas zu kleine Nase über den vollen Lippen widerspricht dem ernsten Eindruck zusätzlich. Das alles wird überstrahlt von nachtblauen, feucht-samtigen Augen, in denen sich die Farben aller Weltmeere versammelt zu haben scheinen. Auf den Grund dieser Meere zu tauchen ... und obwohl ihre Kleidung, grauer Rock und grauer Pullover, wohl einen uniformen Eindruck vermitteln soll, bringt sie die wundervollen Formen ihres Körpers zur Geltung, dass Benedict der Atem stockt...

      „Nu schto, gefällt es Ihnen?“

      Mit vor leichter Ungeduld gekrauster Nase wiederholt sie die Frage, und er beeilt sich, heftig zu nicken.

      „Ja, ja ... die Schlacht vor Korfu unter Admiral Uschakow!“

      Die Frau runzelt erstaunt die weiße Stirn, aber in ihren Augen beginnen kleine, fröhliche Ostseewellen zu wirbeln.

      „Sie .haben von meinem Ur-Ur-Ur-Großvater gehört? Das ist sehr ungewöhnlich. Oder habe ich eine Ur vergessen?“

      Sie lacht. Ein warmes, gutturales Lachen aus einer heiseren Kehle. Ihr Deutsch klingt bemüht korrekt und ist fast ohne bestimmbaren Akzent. Dann wird Sie wieder ernst. „Ich bin Vera Uschakowa. Mein Dienstgrad ist Major. Sicher hat Ihnen Genosse Meißner gesagt, dass ich Angehörige des KGB bin.“

      Nein. Hatte er nicht, aber er hätte es sich denken müssen.

      „Bitte setzen Sie sich doch endlich, Herr Benedict! Möchten Sie ein Glas Tee?“

      „Ja, sehr gerne!“, sagt der Hauptkommissar mit belegter Stimme und setzt sich auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch.

      „Tschai, poschalista!“, ordert sie ins Telefon und fingert dabei eine Zigarette aus der Packung neben sich.

      Aber während Benedict noch in den Taschen seiner Hose unter der Verkleidung nach Streichhölzern fummelt,