Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk

Читать онлайн.
Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745212532



Скачать книгу

Chance, Ihre Einladung auszuschlagen, war mir leider nicht gegeben, Herr Konsul!“

      „Vizekonsul. Tasse Kaffee? Sie können übrigens Mike zu mir sagen.“

      Den Kaffee nimmt Benedict dankend an, aber ob er den diplomatischen Vertreter der USA in der DDR beim Vornamen nennen wird, behält er sich noch vor. Der Vizekonsul bedient Benedict aus einer schwarzen Thermoskanne und stellt auch ein paar Kekse dazu. Ein Ostküsten-Ami mit blondem Scheitelhaar. Sauber und adrett in einem dieser dunkelblauen Anzüge, die immer ein wenig wie Uniformen aussehen. Nichtraucher. Duscht sicher zweimal. Vor dem Vögeln und danach. Und Mundspülung nicht zu vergessen. Benedict freut sich, dass er endlich mal im Vorteil ist, denn er kennt den Vizekonsul. Nein, nicht persönlich, aber aus Raschkes Akten. Und der hatte Mike Carrigan als CIA-Mitarbeiter identifiziert. War ziemlich einfach gewesen, denn die versammelten sich alljährlich im September zu einem großen Gartenfest in Berlin-Dahlem bei ihren Bossen. Und Mike Carrigan war immer dabei. So jedenfalls hatte es das MfS ausgespäht. Und genau dieser

      Mike Carrigan, Vizekonsul der Botschaft USA in der DDR, hatte diverse Einladungen an den US-Bürger Dean Sanger zu Empfängen und Partys ausgesprochen und versucht, den Kontakt zu ihm aufrechtzuerhalten!

      „Welcher meiner hervorragenden Eigenschaften verdanke ich nun diese Einladung?“

      „Ach, warum so bissig, Herr Benedict? Betrachten Sie es als Einladung unter Freunden, denn Sie sind ja schließlich ein westdeutscher Polizist, nicht wahr? Außerdem waren Sie schon so oft bei uns in den Staaten. Haben doch sogar da studiert. Warum sollen wir uns da nicht mal in aller Ruhe unterhalten!“

      Fixe Jungs. Hatten sie aber schnell ihre Unterlagen durchgecheckt. Das wird ziemlich psychologisch. Da heißt es, auf der Hut zu sein.

      „Worüber denn? Unterhalten?“

      „O.k., o.k.!“ Der Mann mit den rosig schimmernden Wangen wird plötzlich ernst. „Wenn ein westdeutscher Polizist, der in einer ganz bestimmten Sache nach Ost-Berlin geschickt wurde, sich plötzlich auffällig mit einer ganz anderen Sache beschäftigt, und es sich bei dieser Sache um den Tod eines früheren US-Bürgers handelt, dann könnten sich gewisse amerikanische Dienststellen natürlich dafür interessieren. Ganz sicher interessieren sie sich aber dann dafür, wenn es sich bei diesem Bürger um einen gewissen Dean Sanger handelt, der in den Osten überwechselte und hier auf etwas ungeklärte Art und Weise zu Tode gekommen ist. You check that, Mr. Benedict!“

      O ja, das begreift der Mr. Benedict. Immerhin ist ihm das heute ja schon mal ziemlich deutlich mitgeteilt worden. Und taub ist der Mr. Benedict aus Düsseldorf ja nicht.

      „Kann ich Sie irgendwo hinfahren lassen?“, wahrt der Herr Vizekonsul die Regeln der Höflichkeit bis zur letzten Minute.

      „O nein, bitte nicht!“, beeilt sich Benedict schnell abzulehnen, „ich nehme die S-Bahn!“ Kurz vor Verlassen des Büros dreht er sich nochmal um und hat für einen winzigen Augenblick das Gefühl, als hätte ihm der Steinadler im Wappen an der Wand über Carrigans Schreibtisch mit einem Auge zugezwinkert. Aber es war wohl ein Reflex der einfallenden Sonne.

      *

      Die Namensdurchgabe nach Düsseldorf hatte er dann ausfallen lassen. Waren eh nur zwei gewesen. Dafür würde er morgen richtig ran klotzen. Noch in der S-Bahn raus nach Marzahn klingen ihm Mike Carrigans Worte in den Ohren nach: „Herr Benedict, verstehen Sie mich bitte ganz richtig! Wir können einem westdeutschen Kriminalpolizisten natürlich keine Weisungen erteilen. Dazu sind wir nicht befugt. Andererseits, wenn Sie weiter da rumstochern, kann ich Ihnen nicht versprechen, dass andere Leute das nicht vielleicht aus einem anderen Blickwinkel sehen und dann...“

      Der Vizekonsul hatte den Rest des Satzes unausgesprochen gelassen, aber die Drohung, die eben gerade darin lag, war unüberhörbar gewesen.

      Ächzend lässt er sich auf sein Bett im VP-Heim fallen und starrt mit offenen Augen an die Zimmerdecke. Ein übler Tag. Erst diese Order des „Leitenden“, sofort die Sanger-Nachforschungen einzustellen, auf wessen Weisung auch immer. Dann Annkatrin, die genau zu wissen schien, wo er sich aufhielt und was er hier machte, und schließlich noch die unverblümte Drohung eines amerikanischen Konsuls, der auch genau wusste, wo er sich aufhielt und was er machte. Jeder in dieser verdammten Hauptstadt schien zu wissen, wo er war und was er machte. Zum Kotzen! Dass er sich aber auch mit niemandem bereden konnte ... Vielleicht sollte er doch mal versuchen mit Meißner ...„Herr Benedict! Herr Benedict! Kommen Sie schnell!“, reißt ihn dann die Stimme des Objektleiters aus seinen Gedanken. „Da ist jemand am Telefon bei mir. Ich glaube, aus dem Ausland!“

      In Socken hastet er dem Mann hinterher zum Telefon in der Eingangshalle.

      „Ja, Benedict!“

      Die Stimme klingt so weit entfernt und leise, dass der Hauptkommissar den Hörer hart ans Ohr pressen muss, um sie überhaupt zu verstehen.

      „Ich rufe aus den Staaten an. Mein Name ist Dixie, wahrscheinlich kennen Sie mich nicht...“ Irgendein Akzent aus dem amerikanischen Mittelwesten, den er nur mit Mühe versteht. Dazu der echoartige Verzögerungsnachhall eines Überseegespräches.

      „Woher rufen Sie an? Was wollen Sie von mir?“

      „Ich kann nicht lange sprechen. Sie versuchen mich aufzuspüren, aber...“

      „Wer versucht Sie aufzuspüren?“

      „CIA, FBI, Stasi, KGB ... who cares! Listen, Mr. Benedict: ich habe Dean Sangers Rückkehr in die Staaten gemanagt. Er wollte ganz bestimmt zurück, und sie haben ihn vorher umgebracht! Glauben Sie nicht, was man Ihnen sagen wird. Es war Mord, und ich kann Ihnen auch sagen, wer ... die Leute ... oh shit..."

      „Ja, Dixie. Ich bin noch am Apparat. Wer? Sprechen Sie!!!“

      Aber in dem Hörer ist nur noch ein von Knacklauten unterbrochenes Rauschen zu vernehmen. Er legt auf.

      „Alles in Ordnung?“, fragt der Objektleiter mit einem besorgten Blick auf Benedicts schweißnasse Stirn.

      „Ja“, antwortet der. „Alles in Ordnung! Wirklich!“

      9

      „Vorsicht an der Bahnsteigkante! Zurückbleiben!“

      Der Mann auf dem Platz gegenüber hat seine Zeitung auseinandergefaltet. Die letzten Schlagzeilen wackeln vor Benedicts übernächtigten Augen herum. Volkskammer billigt Staatsvertrag, und fast noch größer: Überraschender sowjetischer Vorstoß: Im Laufe von fünf Jahren Abzug der Alliierten? Was das noch werden wird?

      Er hat nicht lange darüber nachgedacht. Natürlich würde er weitermachen. Wenn ihm auch jeder, angesichts der erfolgten Warnungen und Weisungen, einen anderen Rat gegeben hatte. Halte dich strikt an deinen Auftrag, Benedict. Lass die Finger von der Sanger-Geschichte und kümmere dich nur um „deine eigene Wasserleiche in Düsseldorf“! Nicht dass er leichtfertig wäre und die möglichen Konsequenzen nicht einschätzen könnte. Aber noch hält der „Leitende“ schließlich die Hand über ihn, und das Innenministerium in NRW, die Haroldstraße, ist weit. Aber wenn man jemandem wie Benedict ständig auf die Finger zu klopfen versucht, erreicht man bei ihm eben genau das Gegenteil. Es ist diese verfluchte Neugier! Die gleiche Neugier, die ihn zur Kripo getrieben hat. Er will jetzt wissen,