Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk

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Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745212532



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Gebrüll im Fernsehraum des VP-Heims. Und wahrscheinlich auch zum Glück für die Gesundheit vieler passionierter Fußballfans geht das Spiel in Mailand dann 2:1 für das Team der BRD aus.

      Nein, er war nicht raus nach Rauchfangswerder gefahren, um mit Meißner über den brisanten Inhalt des Umschlags zu sprechen. Obwohl der ihn dazu in dem kurzen Begleitschreiben ausdrücklich eingeladen hatte. Aber er hätte sich erst seinen Wagen aus dem Hof des Präsidiums an der Beimler-Straße holen müssen und dann ... es gab soviel zu bedenken. Er hat sich nochmals mit Dean Sangers offizieller Erfolgsstory beschäftigt, aber viel mehr, als dass ihn auch die Menschen in der Sowjetunion geliebt haben müssen und dass er statt Alkohol lieber Spreequell Citrus trank, hat er nicht erfahren. Sicher hat er zu den Guten gehören wollen. Wollten Amerikaner ja immer. Aber seine US-Staatsangehörigkeit hat er wohlweislich nie aufgegeben.

      Aber das alles ist mittlerweile ohne Belang. Die Sache scheint jetzt wirklich erledigt zu sein. Es bleibt ein ziemlich ekliger Nachgeschmack. Sicher eine menschliche Tragödie für ihn selbst und für viele, die ihm nahestanden. Aber eben nur das.

      Diesmal hatte sich Meißner gegen mögliche Einwände des West-Polizisten von vornherein abgesichert und der Kopie von Dean Sangers Abschiedsbrief gleich ein Gutachten über umstrittene Schreibleistungen der Abteilung Kriminaltechnik beim Präsidium der Volkspolizei Berlin beigefügt. Unter dem Datum 19.06.1986 kam ein Sachverständiger für Handschriftenuntersuchung und Hauptmann der K - Benedict erinnert sich, was Meißner ihm dazu gesagt hatte - im Endergebnis zu der Schlussfolgerung: Die umstrittenen Schreibleistungen (Blatt 1-15) stammen von Dean Sanger, geb. am 22.09.1938! Die Kopie von Dean Sangers Abschiedsbrief hatte von Seite zu Seite größere Beklemmungen bei Benedict verursacht, und manches Mal hatte er sich zum Weiterlesen zwingen müssen. Sicher, er hatte die politische Naivität des Amerikaners belächelt und seine künstlerischen Qualitäten niedrig eingeschätzt, aber doch hatte sich insgeheim auch etwas wie Bewunderung für die Konsequenz dieses Lebensweges in seinem Innersten entwickelt. Und dann so etwas. Eine derart peinliche Art und Weise, andere für die eigenen Unzulänglichkeiten verantwortlich machen zu wollen, ihnen gar die Verantwortung für seinen Freitod aufzubürden ... was für ein krankes Hirn konnte so etwas ersonnen haben?

      Mein Tat hat nichts mit Sozialismus und Genossen zu tun ... Ich wollte zu Dir in Frieden mit Katarina Sonntag kommen, aber als ich Heute abend zurück aus Defa kam ... Katarina fang an

      mich an zu schrein dass ich nur ein Showman bin und es war nur ein „Show“ von mir. Ich habe sie gebidden mich in ruhe zu lassen, aber sie hat immer weiter angeschrien, dass ich war nur ein schlechter Amerikanischer Showman-

      Der Brief war mit der Hand auf die leeren Rückseiten eines Schreibmaschinentextes geschrieben worden. Dieser Text hatte sich deutlich durchgedrückt, und Benedict hatte vor dem Spiegel feststellen können, dass es sich um ein Filmscript handelte.

      Sie quält mich und Foltert mich seit Wochen weil sie is Krank eifersegtig über alle Leute die ich Liebe oder die mich lieben aber besonders meine ehemalige Frau und mein Tochter. Ich liebe Katarina Trotz ihre Krankheit, aber ich kann kein Weg finden aus von meine Problem. Ich muss ein schweres, wichtiges Film drehen in eine Woche - mit Katarina kann nichts gut gehen wenn sie mich ständig anschreit, dass ich nur ein Showman bin und keine Mut habe mich selbst umzubringen. Sie hat mich schon genug verletzt, muss ich auch das hören bis mein Tod?

      War es nur unbegründete Eifersucht gewesen, fragte sich Benedict an dieser Stelle des Briefes, oder hatte sie gemerkt, dass Dean Sanger sie Richtung USA verlassen wollte. Hatten vielleicht andere das auch bemerkt und sie gedrängt, ihren Einfluss auf ihn dahingehend geltend zu machen, dass er dieses Vorhaben wieder aufgab?

      Ich wollte bis der Tod uns scheidet mit Katarina leben - aber Sie hat mich umgebracht - Tag für Tag. - Und Heute mir zu sagen, dass ich zu feige bin mich umzubringen, is zu weit... weil sie wird wieder so machen.

      Was für ein widerliches Vermächtnis. „Sie hat mich umgebracht.“ Dieser Mensch musste von Sinnen gewesen sein.

      Katarina brauchte für ihre Ego nur die berühmtesten männer - und sie hat es geschafft und sie dann hat uns alle vertig gemacht... es tut mir leid dass ich nicht mit mein Freund Victor gefallen bin. Aber jeder hat sein eigenes Schicksall... Gerhard - du warst immer ein Treuer Freund - Hass mich bitter nicht. Ich war am ende Gestern - Und alles wäre besser geworden wenn Katarina hätte schon Heute nicht angefangen mich als Feigling zu nen ... Sie sagte dass Du hast gesagt, das dass war „Show“ gestern. Ich bin sicher sie lügt wie immer wenn Sie mich von meine Freunde trennen will... Lebt wohl - Meine Liebe geht an meine Mutti die ich so liebe und war so ein Vorbild für mich. An Ramona meine Tochter ... ich umarme Dich - Dean Sanger 12/6/86

      Nachdem der Hauptkommissar Sangers Brief gelesen hat, kam er sich wie ein Voyeur vor. Sicher waren in dem mit fliegender Hand und in schlechtem Deutsch geschriebenen Abschied an Mein Freund und Gen. Gerhard Felmer auch noch die fast obligatorischen Ideologiepassagen, aber sie konnten die faulige Essenz aus persönlicher Gekränktheit und Racheschlägen gegen seine Frau nicht mildern. Was musste passiert sein, um einen Menschen dahin zu bringen!

      Dieser Brief schließt nun wirklich den letzten Zweifel an Dean Sangers Freitod aus. Jetzt kann Benedict für sich die Sache beenden. Morgen würde er sich ausschließlich auf die Raschke-Vorgänge konzentrieren. Den Huber würde er zurückschicken müssen. Zu dumm, dass er ihn jetzt nicht mehr erreichen kann. Sitzt mit Sicherheit schon im Flugzeug nach Berlin.

      Trotz des gefassten Entschlusses kann Vitus H. Benedict an diesem Sonntagabend kaum in den Schlaf finden. Zu viel geht ihm durch den Kopf.

      Dass Meißner ihn ausgerechnet immer dann mit neuem Sanger-Material gefüttert hat, wenn er sich nicht von seinen Nachforschungen abhalten ließ ... oder dieses plötzliche Interesse Annkatrins an seiner Arbeit hier in Ost-Berlin ... oder Oberleutnant Engel, der ihm einfach zu oft begegnet... oder ein amerikanischer Konsul, der unbedingt mit ihm Kaffee trinken will... oder Dixie, die aus dem Nichts auftaucht, um ihm von irgendwo in Amerika zuzuschreien: „Glauben Sie nicht, was man Ihnen sagen wird. Es war Mord ... Mord ... Mord ...“

      *

      Huber ist also schon eingetroffen.

      Der Objektleiter hat ihm das Päckchen aus Köln gleich zum Frühstück in den Essraum gebracht. Gleichgültig steckt Benedict es in die Tasche seiner Jacke.

      Vor der Tür des VP-Heims versucht er, Hubers massige Gestalt irgendwo ausfindig zu machen, aber er kann ihn nicht entdecken. Muss er eben den vereinbarten Treff abwarten, bis er ihn wieder nach Hause schicken kann. Jetzt weiß er aber wenigstens, warum er diese Nacht so schlecht geschlafen hatte. Das kühle Tief der vergangenen Woche hat sich über Nacht in ein strahlendes Hoch gewandelt.

      Der Wagen mit den gelangweilten Männern darin entgeht ihm nicht, als er in der Normannen-Straße eintrifft. Ob er ihnen sagen sollte, dass sie sich die Mühe sparen können.

      Auch auf dem Weg hat er vergeblich nach Huber Ausschau gehalten. Einmal glaubte er, ihn im morgendlichen Gewühl ausgemacht zu haben, aber der Mann in der Windjacke und dem Kunstlederhütchen auf dem Kopf war es dann doch nicht.

      Meißner ruft gegen 11 Uhr in der Zentral-Kartei an, um zu fragen, ob er die Unterlagen heute Abend bei ihm im VP-Heim abholen kann. Benedicts Bestätigung, dass die Geschichte damit für ihn endgültig vom Tisch sei, scheint er als eine Selbstverständlichkeit zu betrachten. Beim Mittagessen in der Kantine erzählt ihm seine leicht aufgelöste Staatsarchivarin dann auch, warum das Treffen mit ihrem DEFA-Freund geplatzt ist. Seine Frau hatte ihn davon abgehalten. Sie hätten damals genug Ärger gehabt, und irgendwann müsse ja mal Schluss sein.

      „Aber er hat mir seine Telefonnummer in Babelsberg gegeben. Wenn Sie möchten, können Sie ihn da während der Dienstzeiten anrufen!“

      Höflich nimmt Benedict die Nummer entgegen. Es ist müßig, ihr zu sagen, dass er davon keinen Gebrauch mehr machen wird.

      So geht nun wirklich alles seinen geregelten Gang, und der Hauptkommissar kann sich am Nachmittag ohne weitere