Название | Geliebte Zwillingsschwester |
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Автор произведения | Trutz Hardo |
Жанр | Контркультура |
Серия | |
Издательство | Контркультура |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783347100947 |
Und er öffnete das Buch auf einer Seite, auf der er wohl vorhin gelesen hatte, und las mir einen Satz daraus vor, der lautet: Dass das Leben nur ein Traum sei, ist manchen Menschen so vorgekommen. Und er fragte mich, ob ich mir auch vorstellen könne, dass wir in einer höheren Welt wach sind und das hiesige Erdenleben dort erträumen. Und ich ergänzte: „Das würde ja heißen, dass unsere irdischen schlimmen und uns großen Schaden zufügenden Ereignisse nur erträumt sind. Und wenn wir wieder dort aufwachen, lachen wir darüber, denn es war ja nur ein Traum.“ „Bravo! Woher haben Sie diese tieferen Einsichten?“ „Dies kam mir gerade so in den Kopf, ohne nachzudenken.“
Nun, ich musste wieder gehen, um meinen anderen Pflichten nachzukommen. Doch später brachte ich ihm noch den Nachttee. Und er bat mich, auch aus dem Werther noch ein Zitat anzuhören, das lautete, wenn ich mich recht erinnere: „Was ist unserem Herzen die Welt ohne die Liebe.“ Und wir unterhielten uns beide für einige Minuten über die Macht der Liebe. Doch dann musste ich wieder hinauseilen, weil mein Pieper in meiner Schürze summte. Doch ich fügte noch beim Hinausgehen hinzu, dass ich ihm morgen ein Gedicht zu dieser Thematik mitbringen würde, über das er staunen werde. Ja, so nahm ich mir vor, morgen jenes in der Sonntagausgabe erschienene und von mir auswendig gelernte Gedicht Der Dichter abzuschreiben und ihm zu überreichen. Ich bin gespannt, was er mir dazu zu sagen hat. Ich werde dir dann, geliebte Tara, darüber berichten.
Lebt wohl ihr beiden. Ich liebe euch.
Eure Leo
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28.2.2014
Meine geliebte Zwillingsschwester, meine Tara!
Ich bin ganz aufgeregt, dir darüber zu berichten, was ich gestern am Bett von Herrn Wolter erlebt habe. Als ich sein Zimmer betrat, sagte er erfreut, dass er schon ungeduldig auf mich gewartet hätte und neugierig sei, welches Gedicht ich ihm zeigen werde. Ich nahm einen Stuhl und setzte mich an sein Bett, nachdem ich wieder auf seinen Wunsch hin die Rückenlehne etwas weiter nach obenhin einstellte. Obwohl ich, wie du weißt, das Gedicht auswendig konnte, las ich es, da ich es für ihn handschriftlich abgeschrieben hatte, vor. Er hörte aufmerksam zu. Und als ich die vorletzte Strophe, die mit den Zeilen … und er mit seinem ganzen Lieben für unser Glück sich selbst verzehrt gelesen hatte, berührte er meinen Arm und sagte zu meinem Erstaunen die letzte Strophe, ohne auf mein Blatt geschaut zu haben, auswendig auf, die da heißt:
Drum weiset ihm ein wenig Güte
für seine Lieb’ euch zugetan,
denn seines Liedes Herzensblüte
kann nur erglüh’n auf eurer Bahn.
Ich war ganz erstaunt, dass er dieses Gedicht von Unbekannt ebenfalls auswendig wie ich gelernt hatte. Und ich fragte ihn, ob er dieses ebenfalls in jener Sonntagsausgabe gelesen habe. Das verneinte er. „Aber woher kennen Sie es?“ fragte ich weiter. Und er entgegnete: „Ich habe es zwar aufgeschrieben, aber es ist nicht von mir.“ „Wer hat es Ihnen diktiert?“ „Das bleibt unbekannt. Denn es kommt aus einer höheren Quelle.“ „Das heißt also“, forschte ich weiter, „dass Sie der Dichter dieses Gedichtes sind?“ „Wie ich schon andeutete, es ist nicht von mir. Doch es ist mir eingegeben worden, so dass ich nachts aufwachte und es einfach wie nach einem Diktat niederschrieb, ohne dabei nachzudenken.“ Mir kamen die Tränen vor Rührung. Und als ich ihn bat, ihn umarmen zu dürfen, gestattete er es mir. Doch dann fragte ich weiter, warum nicht sein Name unter diesem Gedicht in der Zeitung stand. Und er erklärte mir: „Wenn ich meinen Namen genannt haben würde, hätte man es nicht abgedruckt.“ Ich drang in ihn, mir das genauer zu erklären. „Ich bin gerichtlich verurteilt worden und als solcher verfemt. Deshalb traut sich kein Zeitungs- oder Buchverleger mit meinem Namen etwas zu veröffentlichen. Also musste ich, um dieses Gedicht der Öffentlichkeit zu präsentieren, es anonym oder mit der Unterschrift ‘Unbekannt‘ an die Redaktion schicken.“ Ich wollte nun wissen, warum er verfemt sei. Doch er antwortete, dass dies eine lange Geschichte sei. Doch er würde morgen aus der Klinik entlassen, und wenn ich wollte, könnte ich ihn ja mal besuchen. Dann entnahm er aus der Nachttischschublade seine Brieftasche und überreichte mir seine Visitenkarte.
Liebe Tara, was sagst du dazu? Welch ein Zufall, dass jener Dichter, der mit diesem Gedicht als Unbekannter uns zu Tränen rührte, nun ausgerechnet auf der Krankenstation zu liegen kommt, die ich mit anderen zu betreuen habe. Ich muss das alles erst einmal verkraften. Ja, auf jeden Fall werde ich ihn in Lankwitz aufsuchen. Darüber werde ich dir natürlich ausführlich berichten.
Ich schicke euch beiden viel Liebe.
Eure Leo
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4.3.2014
Meine geliebte Zwillingsschwester, meine Tara!
Noch bin ich nicht dazu gekommen Herrn Wolter aufzusuchen. Aber wir haben für nächsten Mittwoch einen Termin ausgemacht. Und nun was zum Lachen. Elisabeths Kusine Conny hatte sie angerufen, ihr die Namen von uns drein zu nennen, die von Dr. Dudszinski belästigt worden waren. Und zwei Tage später erhält sie von dieser eine E-Mail, die sie mir wiederum zumailte. Hier ist sie:
Meine liebe Elisa!
Gestern hatte Dr. Dudszinski, wie wir aus seinen Unterlagen ersehen konnten, Geburtstag. Wir Stationsschwestern hatten uns was ganz Gemeines ausgedacht. Nebst einem Blumenstrauß überreichten wir ihm ein in Geschenkpapier eingewickeltes Kästchen. Du wirst nicht glauben können, was darin lag. Eine große Packung Präservative mit einer Glückwunschkarte zu seinem zweiunddreißigsten Geburtstag. Wir hatten alle unterschrieben und auch Geburtstagsgrüße von den drei Schwestern aus eurer Berliner Klinik hinzugefügt. Er schaute auf einmal ganz verdutzt. Und als wir aus vollem Herzen zu lachen begannen, da lachte er ebenfalls mit und umarmte uns und bedankte sich für die „Blumen“. Und ich sagte noch ganz mutig: „Wenn Sie jemanden von uns benötigen, um ihre kleinen Unglücksverhüter auszuprobieren, dürfen sie zugreifen.“ Und weißt du was? Ich war sein Zugriff. Ich brachte ihm bei, wie er eine Frau mit Vorspielen erst anheizen muss. Und dann …? Na schade, dass ihr euch das entgehen lassen musstet. Ich habe meinen anderen drei Schwestern auch von meiner wiederholten Explosion berichten müssen. Sie sind nun ebenfalls heiß auf ihn. Er wollte natürlich wissen, woher wir die drei aus Berlin kennen. Und ich erklärte ihm, dass Elisabeth meine Kusine sei, mit der ich auch ganz intime Geheimnisse austausche. Ich hoffe, dass ich nicht zu viel gesagt habe. Küsschen von deiner Conny. Besuch uns doch mal!
Liebe Tara,
sollten denn Männer doch umwandelbar sein? Könnte ein stürmischer egoistischer und rücksichtsloser Sexprotz auf einmal sich in einen sanften, rücksichtsvollen und Frauen befriedigenden Liebhaber verwandelt haben? Ja, es bedarf oft einer mutigen Frau, den Partner liebevoll in die körperlichen Geheimnisse der Frau einzuführen und nicht wie üblich zu denken, dass er sicherlich wohl wissen muss, wie man körperliche Gefühle