Название | Beschützerin des Hauses (Neuauflage) |
---|---|
Автор произведения | Marlene Klaus |
Жанр | Историческая литература |
Серия | |
Издательство | Историческая литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862827565 |
»Nimmt mich nicht wunder, dass Ihr diese Möglichkeit außer Acht lasst«, giftete Margarete Herwart. »Gottesfürchtiges Volk meidet den Kirchgang nicht.«
Es reicht, und wenn du hundertmal die Frau eines Amtmannes bist, dachte Barbara. Sie wandte sich Margarete zu. Barbara zwang sich zu einem honigsüßen Lächeln. »Ihr seid entsetzt wie wir alle, Ihr zittert ja. Vielleicht solltet Ihr Euch dieser feuchten Kühle nicht länger aussetzen, wo Ihr doch zu einer empfindlichen Blase neigt.«
Margarete schluckte. »Habt ihr gesehen wie sie mich ansieht!«, keifte sie und drehte sich zu den Umstehenden. »Sie will mir den Teufel in den Leib hexen mit ihrem starren Blick!«
»Frau Herwart …«, mahnte einer aus dem Unterdorf, doch weiter kam er nicht, denn Margarete kreischte mit schriller Stimme: »Gottlose Personen gibt es nicht nur in Herrnsheim und anderswo! Auch bei uns wüten sie, doch niemand will das wahrhaben! Oh, wir werden alle Gottes Verdammnis anheimfallen, wenn wir das Pack nicht ausrotten!«
Betretenes Schweigen folgte. Barbara merkte, wie sprachloser Schrecken sich zu ihrer Wut gesellte.
Erleichtert rief jemand: »Der Zentgraf kommt!« Man ruckte die Köpfe.
Barbara bezwang ihre Erregung. Sie brauchte für das hier einen klaren Kopf. Sie sandte Margarete genau jenen Blick, vor dem diese sich fürchtete. Zufrieden sah sie, wie sie zurückwich.
Schon stapfte Johannes Zahn heran. Gewaltig, breitschultrig und mit wehendem dunkelbraunem Umhang. Hinter den grellfarbenen Straußenfedern auf seinem Barett hüpfte der kantige Hut des Ortsbüttels auf und nieder. Heinz Maurer, genannt Schockelheinz, war alles andere als schmächtig, dennoch verschwand seine Gestalt halb hinter dem Hünen.
»Was ist geschehen?«, fragte Zahn im Amtston und baute sich vor den Leuten auf wie ein Bär. Er warf einen raschen Blick auf den verletzten Baumann und sah dann Barbara an. Wiewohl um die fünfzig, strotzte er nur so vor wuchtiger Kraft. Sein Haar wallte ihm noch immer dunkelbraun über die Ohren, wo er sich rasierte, schimmerte es schattig von nachsprießendem Barthaar.
»Lebt er?«, fragte er sie.
Barbara nickte.
»Hat Gäßler ihn gefunden?«, wollte Zahn wissen und blickte umher.
»Gäßler?«, schnaubte der Kaufmann verächtlich. »Der würde doch nicht mal den Leibhaftigen bemerken, selbst wenn der sich ihm breitbeinig in den Weg stellte! Bauer Geiß hat ihn da liegen sehen.«
»Wo ist Geiß?« polterte Zahn.
»Treibt sein Vieh zur Sommerweide. Er klopfte beim Gundt« – Reinhardt zeigte auf den Kaufmann, dessen Haus das letzte am Ortsausgang nach Reilingen war, und der darin ein Ladengeschäft betrieb, in welchem er allerlei Besatzware wie Litzen, Borten, Bänder und Quasten feilbot – »der holte den Schockelheinz.«
Der Schockelheinz nickte eilfertig bei diesen Worten. »Und ich fand dann Euren Hengst, wie ich Euch schon sagte«, gab er sich emsig.
Zahn fuhr gebieterisch mit dem Arm durch die Luft. »Heilmännin!«
Barbara zuckte unter dem harschen Ton zusammen.
»Was ist ihm widerfahren?«
Zahn tat zwei Schritte auf sie zu, sofort stieg ihr sein saurer Leibgeruch in die Nase. Unauffällig, wie sie hoffte, trat sie etwas zur Seite.
»Er hat eine fingerlange Wunde im Nacken. Der Bader muss sie womöglich nähen. Das sehe ich erst, wenn der ihn auch rasiert hat.« Sie atmete flach, kämpfte mit dem Ekel.
»Unfall?«
Barbara zuckte die Schultern. »Vielleicht ist er gestürzt«, entgegnete sie.
Zahn musterte sie mit durchdringendem Blick. »Sagte er etwas?«
»Als ich kam, war er nicht bei Bewusstsein.«
Zahn trat näher, beugte das Knie und betrachtete den Verletzten aus der Nähe. Er tastete dessen Brustkorb ab, drehte den Lehrer vorsichtig hin und her. »Wo sind seine Sachen?«, fragte er, ohne aufzusehen.
»Welche Sachen, Zentgraf?«, fragte Gundt.
»Hatte er nichts bei sich?«
Pferdegetrappel wurde laut, alle sahen auf.
Schultheiß Würth sprengte herbei. Er griff dem Tier hart in die Zügel, so dass es den Kopf in die Höhe warf und schnaubend zum Stehen kam. Auch Agnes Zahn, die Tochter des Zentgrafen, war auf dem Weg zu dem Unglücklichen, der Schultheiß hatte sie überholt. Er sprang behände ab, streichelte seinem Gaul entschuldigend über die Nüstern und warf dem Nächststehenden die Zügel zu.
Schultheiß Nicklas Würth ging wohl auf die vierzig zu, ein spitzer, dürrer Mensch bis hinauf zum sorgfältig gestutzten, rötlich-goldenen Spitzbärtchen und der scharf gebogenen Raubvogelnase. Er hüllte seinen kleinen spitzen Leib gerne in gülden-rötliche Stoffe, die meisterhaft zu seinem kupfernen Haar passten. Sorgfältig zog er sein lohfarbenes Barett zurecht, das ihm beim scharfen Ritt verrutscht war. Es war wie stets mit drei grauen Reiherfedern geschmückt, die sich gut mit dem Kieselgrau seiner Augen vertrugen. Des Schultheißen Vorliebe für alles Sonnenrote gipfelte in dem goldenen Ring mit dem leuchtend orangenen Karneol, den er am kleinen Finger der linken Hand trug.
Er trat heran, und während man ihn ehrerbietig grüßte, machte Zahn keine Anstalten dazu. Er sah nicht einmal auf, sondern hielt das Gesicht des verletzten Lehrers in seiner Pranke als genüge dies bloße Berühren, um ihn wieder zu Bewusstsein zu bringen. Tatsächlich gab Baumann ein leises Stöhnen von sich.
Barbara hörte, wie der Zentgraf leise murmelte: »Wieso hier?«
Erst dann erhob er sich, um dem Schultheiß entgegenzutreten. Aber auch jetzt grüßte er diesen nicht, sondern sagte schroff: »Liegt wahrscheinlich noch nicht lange hier. Gäßler hätte ihn sonst bemerken müssen.«
Nicklas Würth wünschte Zahn einen guten Morgen. In beiläufigem Ton, der verdeutlichte, dass er die Gebote der Höflichkeit nicht missachtete. Barbara senkte den Kopf, damit niemand ihr Schmunzeln sah, das sie trotz der ernsten Lage nicht unterdrücken konnte. Ihr gefiel Würths tiefe, wohltönende Stimme, die so sehr im Gegensatz zu seiner körperlichen Erscheinung stand. Und wenn sie, wie eben, mit spöttischer Herablassung gegen Zahn gespickt war, gefiel sie ihr noch mehr. Der Schultheiß nickte ihr einen Gruß zu, Barbara erwiderte ihn mit ebenso raschem Nicken. Dann trat er zu dem Verletzten.
Zahn, neben Würth ein Bär, der auf einen kleinen spitzen Vogel herabschaut und sich anschickt, diesen mit einem Prankenhieb zur Seite zu fegen, blaffte: »Die blutige Wunde ist ein Fall für die Zent. Lasst mir den jungen Herwart holen, damit er die Sache protokolliert!«
Mit dem jungen Herwart war Friedgard gemeint, Margaretes Sohn und Gerichtsschreiber, dem Schultheiß zur Seite gestellt und verantwortlich für den Schriftverkehr mit der kurfürstlichen Kanzlei in Heidelberg. Barbara sah, dass Margaretes Züge sich bei der Erwähnung ihres Sohnes entspannten. Sie war sicher einmal schön gewesen, und diese sanfte Schönheit, die Pfirsichhaut, mit der die Ältere noch immer gesegnet war, hatte sie an Friedgard weitergegeben.
»Ich kann das tun«, rief Agnes Zahn aufgeregt dazwischen. Sie hatte die Ansammlung erreicht, war vom raschen Gehen außer Atem und hielt sich die rechte Seite. Bittender Eifer stand in ihrem Gesicht, ihre dünne, brüchig wirkende Gesichtshaut mit dem zarten Flaum feinster Härchen schimmerte rosa.
Zahn bedachte seine Tochter mit einem missbilligenden Blick und polterte: »Das ist nicht deine Sache! Maurer wird das übernehmen.«
Fügsam senkte Agnes den Kopf. Aber Barbara bemerkte die zusammengepressten Lippen.
Würth wandte sich an den Zentgrafen. »Selbstverständlich soll protokolliert werden. Doch wollt Ihr dies sicher nicht hier draußen tun. Es nieselt.« Er lächelte Zahn an, als habe er einen Dummkopf vor sich. »Wäre schade um das teure Papier.«
Zahn blaffte den Ortsbüttel an: »Der Gerichtsschreiber