Название | Beschützerin des Hauses (Neuauflage) |
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Автор произведения | Marlene Klaus |
Жанр | Историческая литература |
Серия | |
Издательство | Историческая литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862827565 |
»Scheint sich auch dieses Jahr einregnen zu wollen. Viele sind krank. Gliederreißen, Melancholie. Kein Kraut sprießt. Wenigstens ist die Birkenrinde brauchbar.« Barbara wies mit dem Messer auf die Rinden, die sie in den Weidekorb neben der Hintertür geworfen hatte. Ein zweiter Korb daneben verwahrte allerlei Leinensäckchen. Einen Teil der Rinden behielt sie für Heiltränke. Ein durchfahrender Händler kaufte ihr den Rest ab und veräußerte diesen an Gerber in Schwetzingen und Heidelberg. Barbara kratzte an einer Wurzel herum und warf sie anschließend auf den Haufen zu den bereits gesäuberten.
Ihre Mutter beobachtete ihr Hantieren mit Messer und Wurzeln und sagte: »Was gesprossen war, hat der Frost erfrieren lassen. Hätt’s wenigstens geschneit. Dann hätten die Pflänzchen überleben können.«
Barbara merkte, der Blick ihrer Mutter folgte jeder abgeschabten Wurzel. Sie beobachtet mich wie Schreihals einen Käfer beobachtet, der hin und her krabbelt, dachte sie. Und wenn ihr auch noch links ein so langes Barthaar wächst wie auf der rechten Seite, so sieht sie auch bald so aus wie Schreihals. Die aschgrauen Stellen in ihrem weiß werdenden Haar sind wie die aschgrauen Flecken im rot-weißen Fell der Katz. Und obwohl sie es nicht mochte, derart beäugt zu werden, belustigte sie diese Vorstellung und sie musste schmunzeln. »Geh dich anziehen, Mutter!«, sagte sie und spürte selbst die Wärme, die in ihrem Ton mitschwang. »Die Geiß meckert schon und die Hühner rufen nach dir.«
»Die Hühner! Es regnet ihnen ins Stroh, das mögen sie net. Drängen sich in der Ecke zusammen, legen weniger Eier und verlangen ein wasserdichtes Dach. Matthias muss endlich kommen!«
Matthias, ihr ein Jahr älterer Bruder, hatte versprochen, noch vor Georgi das Loch im Dach des Schuppens auszubessern. Aber bis jetzt war er noch nicht da gewesen. Barbara nahm ihn in Schutz: »Er muss seine eigenen Dinge in Ordnung bringen, bevor die Fron losgeht. Er wird schon kommen.«
Matthias hatte ins Nachbardorf Reilingen geheiratet und besaß dort einen kleinen Hof. Wenn seine Arbeit es erlaubte, halfen sowohl er als auch seine Frau Gundel und die Kinder Hedwig und Michel ihnen im Haus, Garten und auf der Hube. Wurde die Arbeit im Frühjahr und Herbst jedoch gar zu viel, beschäftigten sie zuweilen auch einen Tagelöhner. Der packte gegen Kost und Lager mit an, wohnte dann in der Stube im ersten Stock, die über die Außentreppe im Garten zu erreichen war.
»Na«, machte Katharina, was bei ihr alles heißen konnte.
Dieses Na mochte bedeuten: »Mal sehen, ob das vor dem Sommer noch was wird mit dem Dach.«
Nach kurzem Schweigen fragte sie: »Leute gesehen auf dem Heimweg?«
»Warum?«, wollte Barbara wissen.
»Na.«
»Ich war im Wald, Mutter. In der Nacht. Da laufen nicht gerade viele Leute herum.«
»Man wär bereit, die Obrigkeit um Untersuchung anzugehen, was die vielen Unwetter anlangt. Hat mir die Schwechheimerin vor zwei Tagen erzählt, als ich wegen ihrem offenen Bein bei ihr war.«
Barbara sah ihre Mutter verwundert an. Katharina schob die Unterlippe vor.
»Deshalb hätte mir wer begegnen sollen?«, fragte sie.
»Na!«, machte Katharina. Es klang unzufrieden, da Barbara sich so begriffstutzig zeigte. »Die Schwachköpfe wollen ernst machen und untersuchen, wer’s Wetter verhext.«
Barbara fragte sich, worauf ihre Mutter hinaus wollte. Katharina wusste so gut wie sie, dass es in ihrer Heimat als erwiesen galt, dass Unwettermachen durch Menschenhand nicht möglich war. Katharina sagte. »Die Schwechheimerin hatte eine Flugschrift. Da war eine abgebildet, wie sie Wetterzauber auf der Flur macht. In einem Kessel, aus dem Brodem aufsteigt.«
Barbara sah nicht auf. Irgendwelche Flugschriften waren ihr so gleichgültig wie das Geschwätz der Schwechheimerin. Was hatte sie mit dem zu schaffen? Sie ließ die Leute in Ruhe und wollte von ihnen in Ruhe gelassen werden. Sie erwarteten von ihr ein Kraut bei ihren Gebrechen, und das bekamen sie. Damit genug.
Dass es seit Jahren so verregnet und eisig war, die Kälte sich bis weit ins Frühjahr hinein hielt, das Getreide auf den Fluren vom Hagel zerschlagen wurde, das ging nicht mit rechten Dingen zu, sagten die Leute. Sie sagten, eine Hexensekte sei für das Widernatürliche in der Welt verantwortlich. Der Teufel rotte sich mit seinen Helferinnen zusammen, um den Menschen zu schaden, sie von Gott und dem rechten Weg abzubringen. Welch unsinnige Vorstellung, jemand könne Wetter machen! Gott sei Dank glaubte man das hier in der Kurpfalz nicht. Außer natürlich die Schwechheimerin und einige andere Weiber.
»Geschwätz!«, entgegnete sie deshalb. »Wollen sich doch nur um die Abgaben drücken! Es verbietet’s Gesetz einen solchen Glauben. Es besagt, der Teufel hat nicht die Macht, Wetter zu machen. Erst recht kein Mensch.« Mit raschen Bewegungen schnitt sie eine Wurzel nach der anderen in kleine Stücke.
»Was die Leute glauben und was das Gesetz ihnen befiehlt zu glauben, Tochter, sind ebenso zweierlei Wesen wie Regen und Sonnenschein. Vergiss net, dass sie auch über dich tratschen.«
»Pah«, machte Barbara und erhob sich. Die letzte Wurzel landete klein geschnitten im Topf. »Luftgeplärr!«
»Die Elli sagt, im Wirtshaus reden sie«, ließ ihre Mutter sich nicht beirren.
»Elli ist eine dumme Schnattergans.«
»Sie sagt, die hohen Herren steigen dort ab, da würde sie so einiges hören.«
»Auch die hohen Herren scheißen wie alle!« Aus einem braunen Steingutkrug goss Barbara kaltes Wasser über die Wurzeln und schob den Topf an den Rand des Eichentisches. Sie stemmte die Arme in die Seiten und sah die Mutter herausfordernd an. »Gott ist für uns, drum kannst du, Teufel, uns schaden nicht ein Haar. So sagt der Katechismus.«
»Weil du dich so viel um den Katechismus kümmerst!«
»Niemand kann Unwetter machen!«
Katharina stützte die Hände auf den Tisch und zog sich in die Höhe. »Manchmal wünschte ich, ich könnt’s.« Sie beugte sich zur Katze hinunter und ergänzte: »Hier und da zwei Handvoll Mäuse auf die Flur der aufgeblasenen Wichtigtuer plumpsen lassen, was meinst du, Schreihals? Fette Mäuse?« Sie verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen, das Barthaar zuckte. Schreihals erhob sich ebenfalls, machte einen Buckel und blinzelte Katharina an. Katharina schlurfte Richtung Schlafkammer.
»Ich gebe jetzt die Hirse rein«, sagte Barbara, griff nach der Holzkelle und schöpfte Hirse aus dem Sack, der in einer gezimmerten Kiste neben dem Herd stand. Zwei andere lagerten dort ebenfalls, in welchen sie Hafer und Spelz aufbewahrten. Sie überlegte, ob Mutter wohl recht hatte mit dem, was sie zuvor gesagt hatte. Dass man die Amtsleute um Untersuchung angehen wolle. Sie gab das Getreide in das kochende Wasser. Nein, Schultheiß Würth würde das zu verhüten wissen, da war sie sicher. Er hielt nichts von dem dummen Aberglauben. Er war ein rechtschaffener, gebildeter Herr. Barbara nahm einen Scheit Holz vom Stapel, der zwischen Herd und hinterem Eingang aufgeschichtet war. Das Ofentürchen quietschte sanft, als sie es öffnete und schloss. Gewissenhaft prüfte sie den eisernen Haken, ob er sich auch richtig einhängte.
Ein lautes Poltern an der Haustür ließ sie zusammenzucken. Katharina, die eben in die Kammer verschwinden wollte, machte einen Schritt auf die Tür zu, als diese auch schon aufgestoßen wurde und eine junge Magd derart ungebärdig hereinstürmte, dass das Stroh auf dem Boden einen halben Klafter weit in den Raum hinein wirbelte.
»Schnell!«, schrie die junge Frau mit weit aufgerissenen Augen. Sie legte ihre Hand auf den Busen wie jemand, der sein Herz beruhigen möchte, und wies mit dem anderen Arm zur Tür hinaus.
»Morgen, Elli«, grüßte Barbara mit Nachdruck.
»Kommt schnell, Heilmännin«, rief Elli atemlos. Ihre Backen, auch sonst recht gut durchblutet, waren vom Laufen sehr gerötet, Gestank nach Schweiß und Kochdünsten wehte mit der Magd in die Küche, ihre lange weiße Schürze hatte Flecken. Schreihals suchte mit zitternden Schnurrhaaren das Weite.
»AchGottachGott,