Beschützerin des Hauses (Neuauflage). Marlene Klaus

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Название Beschützerin des Hauses (Neuauflage)
Автор произведения Marlene Klaus
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783862827565



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Wie gut, dass er sich Eigner anvertraut hatte. Er überprüfte seine Haltung, schob den Bauch ein wenig weiter vor und sagte fest: »Ich weiß, was ich gesehen hab!«

      Würth schwieg, drehte an seinem Ring und starrte an ihm vorbei ins Leere. Dass er, Gäßler, so beharrlich war, schien ihm nicht recht. Aber bevor er etwas erwidern konnte, suchte Gäßler sich zu erinnern, was er von den Bekanntmachungen der Landes- und Polizeiordnung noch behalten hatte. Er wollte dem Schultheiß mit seinem Wissen zu verstehen geben, dass er mit den Rechtmäßigkeiten vertraut war. Er sagte: »Steht nicht geschrieben: was wider die Billichkeit oder unsere gegebenen Ordnungen begangen, so der Obrigkeit oder privat Personen Schäden zugefügt oder sonst strafbar …«

      »Gäßler!«, unterbrach Würth ihn unwirsch. »Es ist ja löblich, dass Ihr den XIIten Titul der Landesordnung hersagen könnt. Doch sehe ich keinen Zusammenhang zwischen Eurer –« der Schultheiß wedelte mit der Hand durch die Luft und folgte der Bewegung mit dem Kopf auf der Suche nach dem rechten Wort – »dem Gesetzestext und Eurer Einbildungskraft«, fand er es. »Soweit ich weiß, ist niemandem ein Leid zugefügt worden. Und dass jemand zum Schornstein hinausfliegt – Gäßler …« Würth blickte ihn mitleidig an, so, als habe er ein Kind vor sich, das eine einfache Rechenaufgabe falsch löste obwohl es sie beim letzten Mal richtig machte, und als brauche es nur ein wenig Ermunterung, um von selbst zu merken, dass es falsch lag.

      »Denkt darüber nach. Oder seht Ihr schon Dinge, die in Wirklichkeit nur Schatten und Steine sind?«

      Gäßler schluckte erneut. Scham kroch herauf, sie wand sich von seinen Eingeweiden aufwärts in den Hals wie eine Natter. Erneut spürte er den Furz in sich rumoren. Aber so wollte er sich nicht zurechtweisen lassen. Nicht nachdem Eigner ihm den Rücken gestärkt hatte.

      »Was ist mit Baumann?«, fragte er daher und hörte selbst, dass es fast trotzig klang. Die Sache mit Baumann, das war ihm bei Eigner klar geworden, war seine einzige Aussicht, bei Würth Gehör zu finden. Dem Schultheiß konnte er nicht mit Dämonen kommen. Und erst recht nicht mit seinem Verdacht, die Heilmännin habe es auf ihn selbst abgesehen. Baumann indes war eine Möglichkeit, auf das Wirken von Unholden hinzuweisen. Hätten Unholde dem Lehrer mitgespielt, so lastete auf ihm, Gäßler, keine Schuld, seine Pflicht vernachlässigt zu haben, indem er nicht wachsam genug war. Das Teufelspack war boshaft und führte einen an der Nase herum! So war’s!

      »Was soll mit ihm sein? Dem Lehrer ist ein Missgeschick widerfahren, oder habt Ihr andere Kunde?«

      »Wenn es nun kein Missgeschick war, sondern das Werk übler Gesellen?«

      »Gäßler, redet nicht um den heißen Brei herum! Habt Ihr etwas vorzubringen oder nicht?«

      »Wäre es nicht möglich, dass Unholde ihren Schabernack mit ihm trieben? Eine Unholdin?«

      »Das ist ein so unglaublicher Unsinn, dass ich mich wundern muss, Gäßler, wie Ihr es wagen könnt, derlei auszusprechen!« Würth tat zwei Schritte auf ihn zu, blieb stehen und breitete die Arme aus. »Unholde, die zum Schornstein hinaus fahren, Unholde, die einen Unfall verursachen – Gäßler, wo habt Ihr Euren Verstand?! Und wenn Ihr so überzeugt von alledem seid, warum um alles in der Welt müsst Ihr mich damit heute in aller Frühe plagen, statt die Rüge morgen selbst im Ortsgericht vorzubringen? Ihr verderbt mir den Morgen mit Eurem Geschwafel!«

      »Ich wollte zuerst mit Euch darüber sprechen.«

      »Wenn Ihr auf dieser Aussage beharrt, wäre das ohnehin eine Sache für die Zent, obwohl das keinen Bestand haben wird, das wisst Ihr ebenso!«

      »Zum Ortsgerichtstag müssen alle kommen, auch Wittweiber. Steht die Rüge bereits im Frevelregister, weil ich sie Euch heute zur Kenntnis bringe, könnt Ihr das Weib morgen schon befragen. Sie möglicherweise gleich festsetzen lassen. Sieht die Landesordnung dies nicht eindringlich vor? Auch, dass ich mich strafbar mache, wenn ich es nicht melde?«

      Missmutig starrte Würth ihn an. Er hatte noch nicht gefrühstückt, er wollte zu seinen Damen und er hatte keine Lust, am frühen Morgen derlei Rechtsdinge zu besprechen. Gäßler konnte es ihm vom Gesicht ablesen. Der Schultheiß machte erneut einige Schritte im Zimmer, blieb vor dem Kasten neben dem Bett stehen und nahm den Weinkelch auf. Er nahm schließlich einen winzigen Schluck, wobei er die Lippen spitzte. Er stellte das Glas ab und wandte sich Gäßler zu.

      »Bei weitem nicht alle Zentverwandten kommen der Anwesenheitspflicht nach. Ich meine, Wittib Heilmann nicht sonderlich oft beim Ortsgericht gesehen zu haben.«

      Gäßler, selbst überrascht über seine sachkenntliche Beharrlichkeit, entgegnete: »Sie muss aber morgen kommen. Sicher wird die Sache Baumanns zur Sprache gebracht, man wird sie doch als Zeugin hören? Noch heute Abend kann man sie laden lassen.«

      Würth starrte ihn verblüfft an.

      »Sagt Gäßler, Ihr habt nicht zufällig einen persönlichen Zwist mit der Heilmännin? Warum der Unfug mit der Zauberei?«

      Gäßler fühlte Wut auf diesen faulen Strick aufkommen. Würth hoffte wohl, dass er einen Rückzieher machte. Aber da hatte er sich geschnitten.

      »Es sind dem Bauer Kratzwurm zwei Kälber elendig verreckt, nachdem die Heilmännin bei ihnen auf der Allmende gesehen worden ist. Grün und geel Ding ist ihnen zum Hals ausgelaufen, vorletztes Jahr um Johanni war das. Dann die Unwetter. Und das Gemunkel über eine Schuld am Tod der ersten Frau des Zentgrafen ist nie wirklich verstummt.«

      Würth hatte ihm aufmerksam zugehört. Er sagte: »Darüber weiß ich nichts, das war vor meiner Zeit. Genau wie das Unglück, das der Heilmännin zustieß. Schlimme Sache, der Brand damals.« Er räusperte sich.

      Gäßler war einen Herzschlag lang unangenehm berührt. Er verbarg es, indem er kühn sagte: »Das muss endlich untersucht werden. Bevor noch mehr Böses geschieht.«

      »All das kann man in der Tat nicht einfach unbeachtet lassen«, sagte Würth nachdenklich. Er hielt sein Kinn in der Rechten und klopfte sich mit dem Zeigefinger auf die Lippen.

      Gäßler fühlte Stolz in sich aufwallen. Er hatte es geschafft! Er hatte diese schwierige Aufgabe gemeistert!

      Würth senkte den Arm und ging auf und ab. »Zudem die Anweisung aus Heidelberg befiehlt, sämtliche Hinweise bezüglich Hexenwerks zukünftig ernster zu nehmen und dem Oberrat zu melden. Seit den Anschuldigungen aus Herrnsheim greift der Kurfürst schärfer durch. Ich bezweifelte, dass dies lange anhalten wird. Der junge Friedrich sagt von sich selber, er sei der Edelleute Freund und der Schreiber Feind. Die zahlreichen Gesuche und die damit verbundene Mehrarbeit werden ihm sicher bald zum Hals heraushängen. Obendrein steht er im Begriff sich zu vermählen. Der hat anderes im Sinn.«

      Und gibt sich eh lieber der Jagd und dem Saufen hin als dem Regieren, dachte Gäßler. Der Schultheiß schien ihm schwankend. Es wunderte ihn nicht und bestätigte den Eindruck, den er schon immer von diesem putzbesessenen Zieraffen hatte: Der wollte zwar seiner Pflicht nachkommen, doch stimmte ihn jede damit verbundene Anstrengung verdrossen. Wie zur Bestätigung dessen seufzte Würth und sagte: »Es ist meine Aufgabe, für Ordnung in der Gemeinde zu sorgen. Also muss ich die Richter benachrichtigen, Indizien müssen angezeigt werden. Man muss prüfen, was an alledem dran ist.« Würth blieb vor ihm stehen. »Sollte es tatsächlich dazu kommen, dass es auf die Zent geschrieben wird, wartet auf mich und die anderen Zentschöffen ein Haufen Arbeit.«

      Fauler Strick, dachte Gäßler noch einmal und sagte: »Recht und Unrecht sollen aufgedeckt werden, Schultheiß. Ihr tut gut daran, dem nachzugehen.«

      Würth starrte ihn an als gewahre er ihn eben zum ersten Mal. »Wie ist es um den Leumund der Heilmännin bestellt?«, fragte er. »Ich kenne sie kaum. In den drei Jahren, die ich nun im Amt bin, sind mir durchaus Dinge zu Ohren gekommen. Doch selbst mit ihr zu tun hatte ich nur einmal, vor zwei Jahren, da ihre Mutter ihr das Haus am Heidelberger Weg überließ. Das wurde vor dem Ortsgericht verhandelt. Sie erschien mir bescheiden und aufrecht.« Er hob mahnend die Hand. »Ich habe darauf zu achten, dass niemand zu Unrecht bestraft wird. Hat sie sich sonsten etwas zu schulden kommen lassen?«

      »Man sagt, sie meide den Kirchgang, Herr. Sie ist verschlossen und eigensinnig und treibt