Beschützerin des Hauses (Neuauflage). Marlene Klaus

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Название Beschützerin des Hauses (Neuauflage)
Автор произведения Marlene Klaus
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783862827565



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zeigte mit seinem Krug zu Straub: »Du bist der Dummbeutel! Akte freiwilliger Gerichtsbarkeit haben mit dem Ortsgericht zu tun, ja. Aber der Schultheiß führt das Frevelregister. Was wir ihm anzeigen, muss er eintragen. Wir können verlangen, dass er ein Gesuch nach Heidelberg richtet. Wer also weiß hier Bescheid?«

      Gäßler hing noch bei den Worten des Schotten. Fuchsköpfe? Hierzulande brachte man Ochsenköpfe an der Giebelspitze an, um Krankheiten und böse Geister abzuwehren. Oder man steckte ein Messer in den Türpfosten. Aber über der Türe der Krauthex fand sich nichts dergleichen. Sie brauchte keinen Schutz vor dem Bösen, sie beherbergte das Böse selbst! Er sagte: »Wir müssen verhindern, dass Teufelswerk auf unser Dorf übergreift. Ich hab meine Pflicht getan und dem Schultheiß gemeldet, was ich sah.« Stolz drückte er den Wanst nach vorne.

      »Sagt Gäßler«, bemerkte Pfannenstiel und rieb sich das Kinn, »habt Ihr jemand bestimmten im Auge, derlei Taten zu vollbringen?«

      »Wollt Ihr ein bisschen nachdenken, Pfannenstiel? Wenn es eine gibt, die höchst verdächtig ist …« Er ließ den Rest ungesagt und blickte vom Wirt zu den Männern.

      »Die Heilmännin!«, flüsterte Schrank.

      »Du sagst es, Schrank. Wer sonst treibt sich des nachts im Wald herum und kennt keine Furcht vor dem Gelichter?« Gäßler fühlte, wie die Gewissheit in ihn einströmte wie ein guter Schluck Helles. Gleichzeitig grauste ihn. Es war eine Sache, nachts durch den stillen Ort zu gehen, Mauern und Menschen um sich, doch eine gänzlich andere, sich in der schauderhaft ungewissen Düsternis des Waldes umzutreiben.

      »Was ist mit ihren Augen?«, sagte Schrank angsterfüllt. »Dass sie weiß, wie lang einer noch …«

      »Aber seit Jahr und Tag ist sie nachts zum Sammeln unterwegs«, unterbrach Seyfried ihn in dem Bemühen, die Sache von allen Seiten zu bedenken. »Genau wie vor ihr ihre Mutter und Großmutter. Warum sollte sie Unheil stiften wollen? Hat doch ein gebrochenes Herz und lebt für sich seit damals.«

      »Möglich, sie ist gerade deshalb von Gott abgefallen! Das Weibervolk ist schwach und für den ketzerischen Aberglauben besonders anfällig. Der Gram nimmt ihr die Daseinsfreude, da kommt der Bocksbeinige daher und flüstert ihr Lebenskraft ein, wenn sie nur seine Wünsche erfüllt!« Straub war erregt.

      »Vielleicht tut sie auch nur so, damit wir keinen Argwohn hegen. Vielleicht hat sie ihr einziges Kind dem Teufel mit Leib und Seele gegeben – und an jenem Unglücksmorgen hat er’s geholt!«

      Gäßler nickte zufrieden. Es galt, sie alle zu schützen. Das war seine Aufgabe. Er trank seinen Krug leer und griff nach dem zweiten. »Ich freilich hab sie an Georgi aus dem Wald kommen sehen zu der Zeit, da sich gottesfürchtiges Volk eben vom Bettkasten erhebt. Aber rausgehen sehen, das hab ich sie nicht.« Er unterbrach sich, damit sie der Andeutung in seinen Worten auf die Spur kommen konnten.

      »Und wir wissen ja alle, dass Ihr Eure Augen überall habt, Gäßler.« Die Männer lachten über Straubs stichelnden Einwurf.

      Wieder die Anspielung auf seine alte Verfehlung. Dieser Holzkopf!

      »Solcherlei Leut’ fahren geradewegs zum Schornstein raus!«, schnaubte Gäßler. »Hexenflug zum Treffen mit dem Teufel!« Er musste sie zu der Erkenntnis bringen, dass er seiner Pflicht nachkam. »Ich sag euch, ich sah sie heimkommen. Morgennebel kroch wie Höllenbrodem am Boden. Und dort schlich etwas geduckt der Heilmännin nach. Das Herz wollt mir aufhören zu schlagen, als ich den unförmig verhutzelten Zwerg gewahrte, der ihr wie ein Schatten folgte und sich im nächsten Augenblick in eine Katz verwandelte.«

      Er hatte sie! Selbst die beiden Bärtigen starrten zu ihm herüber. Und er war noch nicht fertig. »Und denkt einer von euch noch an Kratzwurms Kälber? Ging damals nicht die Rede, die Heilmännin habe ihre Finger im Spiel?«, fuhr er fort. »Damit ein Verfahren eingeleitet werden kann, braucht‘s Zeugen.«

      Pfannenstiel mischte sich ein: »So einfach ist das nicht Gäßler, das wisst Ihr. Zum einen saßen erst neulich wieder zwei Juristen hier, die auf dem Weg waren zum Reichskammergericht nach Speyer. Selbst drüben bei den Papisten legen die Richter Wert darauf, ordentliche Beweise beizuschaffen. Die Schuld der Angeklagten muss erwiesen sein. Die mala fama reicht nicht. Und zum anderen hat Kratzwurm damals seine Aussage zurückgenommen, die Heilmännin habe seine Kälber aus Rache krank gemacht.«

      »Und ob du derlei wirklich gesehen hast …«

      »Hört mal … der junge Herwart?«, sinnierte Schrank unvermittelt.

      »Was ist mit dem?«, fragte Straub überrascht.

      »Der hockt doch ständig bei ihr.«

      Die Männer sahen sich an, als ginge ihnen eben ein Licht auf.

      »Der hilft der womöglich?«

      Schrank schüttelte den Kopf. »Dieser blasse Besenstiel? Denkt nach!«

      Gäßler konnte sich keinen Reim drauf machen, worauf Schrank hinauswollte, aber dass der diesen dünnen Furz offenbar auch nicht leiden konnte, gefiel ihm.

      Schrank genoss, dass alle ihn erwartungsvoll anstarrten. Schauerliches Behagen lag in seinem Blick, als er sich vornüberbeugte, alle nacheinander ansah und schließlich verkündete: »Ein junger Kerl. Ein Weib, das auf die vierzig zugeht. Warum treibt’s ihn zu ihr?« Er schaute fragend.

      »Sie ist so alt nun auch wieder nicht«, warf Seyfried ein.

      »Auf jeden Fall zu alt für den jungen Herwart«, röhrte Straub und fasste sich unterm Tisch in einer wüsten Gebärde ans Gemächt.

      »Vielleicht gefällt’s ihm«, grinste Ackermann lüstern.

      Schrank verengte die Augen zu Schlitzen und raunte in die Runde: »Ver…hext!«

      Überrascht schwiegen alle. Gäßler klappte ’s Maul auf. Warum hatte er daran noch nicht gedacht? Dabei war’s so offensichtlich. Mit ihren Zauberkräften lockte sie den Schreiber zu sich ins Bett! Warum sonst war der noch nicht verheiratet? Das musste er dem Zahn unter die Nase reiben. Das wär schon mal was, auf das der eine Anklage aufbauen konnte. Unzüchtiges Verhalten, im Zusammenwirken mit Zauberei. Gäßler war hochzufrieden. »Ihr seht, es muss zu einer Untersuchung kommen. Verhören muss man sie«, pflichtete er bei. »Am besten gleich morgen beim Ortsgericht.«

      Straub nickte zustimmend. »Festsetzen, ab nach Heidelberg, peinlich befragen! Anders geben die ihre Schandtaten doch nie und nimmer zu!« Die Sache war für ihn eindeutig.

      Die Tür hinter Pfannenstiel wurde aufgestoßen, dessen Frau Rosa trat herein, hielt zwei dampfende Schüsseln vor ihrem großen Busen und rief wohlgemut: »Ihr Leit, fa wenn sinn die sau’re Buuhne?!«

      8

      Das Klopfen klang frisch und beherzt.

      Barbara war im Begriff, zu ihrer Mutter in den Garten hinaus zu gehen. Sie stellte die Schale mit dem Saatgut zurück auf den Küchentisch und ging die Tür aufmachen.

      Vor ihr stand der Königsmann, dem sie vor zwei Tagen begegnet war. Ehrerbietig zog er den Hut mit den weißen Federn darauf. »Ich komme ungelegen?«, fragte er höflich.

      Barbara starrte ihn an.

      »Verzeiht, wenn ich störe. Ich brauche einige Rezepturen aus Eurer heilkundigen Hand.« Seine schwarzen Augen blickten freundlich. Und Barbara bemerkte erneut, dass sie am unteren Lidrand schwarz geschminkt waren. Wollte er grimmig wirken? Wie die Osmanen, die sie auf Flugschriften gesehen hatte, mit ihren Krummsäbeln, den gewickelten Tüchern auf dem Kopf und ihren stechenden, schwarz umränderten Augen? Nur dass er nicht besonders grimmig aussah. Eher … kühn.

      Der Mann räusperte sich und ergänzte: »Man hat Euch mir empfohlen.«

      Er hielt den Hut in der Rechten und drehte mit der Linken daran. Dunkelbraunes Haar wellte sich locker einen fingerbreit über sein kantiges Kinn. Er lächelte bestätigend und dies Lächeln glitt über sein Gesicht, fächerte seitlich seiner Augen Fältchen auf, leicht wie die fein gefiederten Blättchen des Dill. Das sah so aufrichtig