Название | Tod in Amsterdam |
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Автор произведения | Ben Kossek |
Жанр | Триллеры |
Серия | Amsterdam-Trilogie |
Издательство | Триллеры |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783347017122 |
Nach festgelegten Standards des Vorstandes hatte man die Brunex AG in drei selbständig agierende Abteilungen mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen gegliedert, um die inneren Abläufe optimal gestalten zu können. In erster Linie wollte man damit sicherstellen, dass niemals nur einzelne Mitarbeiter der Firma einen kompletten Auftrag von der Anfrage bis zur Lieferung und Ausfuhr bearbeiten konnten, sondern dass stets mehrere interne Stellen in einen Vorgang involviert waren.
So hatte zum Beispiel die „Abteilung Planung und Prüfung“, kurz AP genannt, die Aufgabe, die Prüfung aller eingehenden Anfragen auf Grundlage der politischen Grundsätze vorzunehmen. Zu diesen zählten unter anderem die Einhaltung der Menschenrechte sowie das Verhalten der Empfängerstaaten.
Aber auch regionale Stabilität, internationale Beziehungen und eine besondere Prüfung bei Drittländern. Die AP war die erste Anlaufstelle im Unternehmen, wenn es darum ging, einen Deal in die Wege zu leiten und am Ende traf diese Abteilung auch die Entscheidung, ob ein solcher überhaupt zustande kam.
Die „Abteilung Koordination“ war schwerpunktmäßig für das Verhandeln von Verträgen zwischen der deutschen Rüstungsindustrie und ausländischen Interessenten sowie für die Beschaffung und Vorlage der sogenannten Endverbleibs-Erklärungen zuständig. Diese galten als Garantien der Empfängerländer, dass das gelieferte Rüstungsmaterial auch in den genannten Staaten verblieb und nicht an unerwünschte Drittstaaten weitergegeben wurde. Ohne eine solche Endverbleibs-Erklärung kam ein Waffengeschäft in der Regel erst gar nicht zustande. Letztendlich sorgte die Abteilung Koordination auch für die Erteilung der Auslieferungs-Genehmigungen durch das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft. Die AK, wie sie sich intern nannte, betreute außerdem auch alle Vorgänge, die im Zusammenhang mit ihrem Kooperationspartner, der in Frankfurt am Main ansässigen VTME standen. Von hier bezog die Abteilung für diverse Kunden auch einen Großteil der Waffen, wie gesagt, meist aus Altbeständen der Bundeswehr oder der Nationalen Volksarmee der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik.
Nachdem ein Waffenhandel geprüft, ausgehandelt und auch offiziell genehmigt war, kam die „Abteilung Logistik“ ins Spiel. Die AL sorgte für die Organisation und den Ablauf der Transporte im Inland zum Empfänger oder ins Ausland bis zu den jeweiligen Ausfuhrhäfen und der Verschiffung der Lieferungen. Sie stellte die Frachtpapiere aus und erledigte alle Zollformalitäten für einen reibungslosen Ablauf.
Mit dieser Dreiteilung der Kompetenzen erhofften sich die Geschäftsführer der Brunex AG höchstmögliche Sicherheit, was den korrekten und störungsfreien Ablauf ihrer Geschäfte mit Rüstungsgütern anbelangte, denn der Industriezweig, in dem sie tätig war, stand unter ständiger Beobachtung von Behörden und der Öffentlichkeit, insbesondere der Medien.
Werner Stamm, langjähriger Leiter der „Abteilung Logistik“ bei Brunex, hatte heute einen äußerst ungemütlichen Vormittag zu überstehen, denn einer seiner zuverlässigsten Mitarbeiter, Robert Kleinschmidt, war heute Morgen entgegen seiner sonstigen Gepflogenheiten nicht im Büro erschienen und auch nicht auf seinem Handy zu erreichen gewesen. Es gab keinerlei Hinweise, wo er sich im Augenblick aufhielt. Auch hatte er keine Nachricht hinterlassen. Mit seinem Nichterscheinen hatte Kleinschmidt für gehörige Unruhe gesorgt, denn für heute Morgen war ein wichtiges Meeting geplant gewesen und ausgerechnet seine Anwesenheit wäre dringend erforderlich gewesen. Ein bedeutender Waffentransfer von Hamburg nach Chennai in der indischen Provinz Tamil Nadu sollte in Kürze zum Abschluss gebracht werden – ein Auftrag, der von Robert Kleinschmidt in der Endphase bearbeitet wurde.
Allerdings war dies nicht der entscheidende Grund, weshalb Abteilungsleiter Werner Stamm sich Sorgen machte. Die Aktivitäten der Brunex AG unterlagen aufgrund ihrer besonderen Brisanz der strengen Geheimhaltung und man konnte sich sehr gut vorstellen, was das plötzliche spurlose Verschwinden eines langjährigen Mitarbeiters bei einem solchen Unternehmen in den Medien wie auch in der Öffentlichkeit an lebhaften Spekulationen auslösen konnte. Insofern war die Unruhe Stamms an diesem wolkengrauen Vormittag, an dem alles irgendwie schiefzulaufen schien, mehr als nachvollziehbar.
Es war gegen 11 Uhr 20, als Ludger Brunnhausen, Firmeninhaber der Brunex AG und einer der beiden Geschäftsführer, mit einem deutlichen Ausdruck der Verärgerung und Sorge im Gesicht in Werner Stamms Büro auftauchte, das im dritten Stock des Gebäudes zur Rheinseite hin gelegen war. Er schien sichtlich beunruhigt über die Möglichkeit, dass der Vorfall nach draußen an die Öffentlichkeit gelangen konnte. Ein Medien-Rummel war so ziemlich das Letzte, was ein Unternehmen wie die Brunex AG gebrauchen konnte. Mit ungewollt mürrischem Ton wandte er sich an seinen Abteilungsleiter „Logistik“, der mit ratloser Miene hinter seinem Schreibtisch saß:
„Was ist denn los, Werner? Haben wir immer noch nichts von Kleinschmidt?“ Mit einer ungeduldigen Bewegung schloss er die Bürotür hinter sich und steuerte auf den leeren Sessel gegenüber von Stamms Schreibtisch zu.
„Nein, Ludger, tut mir wirklich leid, keine Spur von ihm. Aber ich denke, du kannst zumindest beruhigt sein, was den Auftrag angeht. Reinhard Loose hat die Sache gestern Mittag nach seinem Unfall wieder übernommen, und ich glaube fest daran, dass wir pünktlich liefern können.“
„Das ist meine kleinste Sorge! Was ist mit Kleinschmidt?“
Stamm ging langsam zur raumhohen Fensterfront und blickte mit grübelnder Miene hinunter zum Rheinufer. „Ich verstehe das alles auch nicht“, sagte er mehr zu sich selbst. Dann wieder zu Brunnhausen gewandt: „Ausgerechnet Kleinschmidt, die Zuverlässigkeit in Person. Steinmetz sagte mir vor wenigen Minuten, er habe vorhin mit Roberts Frau gesprochen. Die hatte ihm gesagt, dass ihr Mann heute Nacht erst gar nicht nach Hause gekommen war. Ich kann mir nicht helfen, Ludger, aber das passt nicht zu Kleinschmidt! Da stimmt doch was nicht!“
„Hat der Mann vielleicht noch andere Probleme, von denen wir bisher noch nichts wissen?“ fragte Brunnhausen, wobei er die Betonung ganz bewusst auf das Wort „andere“ legte. Werner Stamm brauchte nicht lange nachzudenken, um diese Frage zu beantworten.
„Sicher nicht. Außer seiner Vorliebe für Alkohol und Weiber? Nichts, was uns nicht schon bekannt war und was wir billigend in Kauf genommen haben. Kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Dazu kenne ich ihn schon zu lange und zu gut. Er mag kein guter Vater und auch kein guter Ehemann sein, aber dafür ein hundertprozentig zuverlässiger Mitarbeiter. Du kennst ihn doch selbst gut genug, oder?“
„Natürlich kenne ich ihn, Werner. Aber wir können hier kein Spektakel gebrauchen, weder von der Presse noch von der Öffentlichkeit! Unser Ruf steht auf dem Spiel, das ist dir doch klar? Wenn sich das herumspricht und wir erst einmal in die Schlagzeilen geraten, kommen wir nicht mehr so leicht raus aus der Kiste. Du kennst die Presse. Auf so etwas stürzen die sich wie die Aasgeier. Man wird man uns das Vertrauen entziehen, das wir uns über Jahre hinweg mühsam aufgebaut haben. Unser guter Leumund begründet sich darin, dass wir unsere Arbeit im Stillen und ohne großes Tamtam erledigen. Das schätzen unsere Auftraggeber an uns. Also, denk bitte nochmal genau nach: Ist dir an ihm irgendetwas aufgefallen? War er in den letzten Tagen anders als sonst?“
„Nein, nichts Außergewöhnliches, abgesehen davon, dass er letzte Woche einige Male erst ziemlich spät das Büro verlassen hat. Die Spedition, die für den Cennai-Deal den Transport nach Hamburg übernehmen soll, hatte logistische Probleme, und er wollte sicherstellen, dass dort alles reibungslos über die Bühne gehen würde. So war Kleinschmidt nun mal, alles hundertprozentig im Griff haben, das war seine Art.“
„Die Niederländer, Steelmans Transporten?“ fragte Brunnhausen, während er nun seinerseits einen nachdenklichen Blick aus dem Fenster warf.
„Ja, die Steelmans Transporten aus Amsterdam. Ich weiß zumindest, dass er mehrfach etwas ungehalten mit denen telefoniert hat. Scheint jetzt