Gesammelte Erzählungen. Jules Verne

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Название Gesammelte Erzählungen
Автор произведения Jules Verne
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783958555143



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      »Wie? Sie wollen nicht? …

      – Verzichten auf die Unternehmung, im Augenblick, wo alles anzeigt, daß sie gelingen kann! Niemals!

      – So müssen wir uns entschließen, das Leben hinzugeben?

      – Nein, Axel, nein! Geh’ nur. Deinen Tod will ich nicht. Hans mag Dich begleiten. Lasse mich allein!

      – Sie verlassen!

      – Lasse mich, sag’ ich Dir! Ich hab’ die Reise unternommen, und werde sie bis zu Ende führen, oder ich kehre nicht zurück. Geh’ nur! Axel, geh’ nur!«

      Mein Oheim sprach mit größter Aufregung. Seine Stimme, die eine Weile weich geworden, ward wieder hart, drohend. Er rang mit düsterer Energie gegen das Unmögliche! Ich wollte ihn nicht in der Tiefe dieses Abgrunds verlassen, und dagegen drängte mich der Selbsterhaltungstrieb, ihn zu fliehen.

      Hans begriff, was zwischen uns vorging, aber er zeigte doch wenig Anteil an der Frage, wobei sein eigenes Dasein im Spiel war; er war bereit, nach dem Winke seines Herrn weiter zu gehen oder zu bleiben.

      Wir beide hätten wohl den hartnäckigen Professor zur Einsicht bringen, zur Rückkehr nötigen können. Ich trat zu ihm, legte meine Hand in die seinige; er rührte sich nicht. Ich zeigte ihm den Weg nach dem Krater; er blieb unbeweglich. In meinem Angesicht waren alle meine Leiden zu lesen. Der Isländer schüttelte sanft den Kopf und wies ruhig auf meinen Oheim und sprach »Master.«

      – »Der Herr, rief ich aus! Unsinnig! Nein, er ist nicht Deines Lebens Herr! Wir müssen fliehen! Ihn mit fortreißen! Hörst Du? Verstehst Du mich?«

      Ich faßte Hans beim Arm, rang mit ihm. Mein Oheim legte sich ins Mittel.

      »Ruhig, Axel, sprach er. Bei diesem unerschütterlichen Diener wirst Du nichts ausrichten. So höre, was ich Dir vorzulegen habe.«

      Ich kreuzte die Arme und sah meinem Oheim ins Angesicht.

      »Der Mangel an Wasser ist das einzige Hinderniß der Ausführung meiner Projekte. In dieser östlichen Galerie, die aus Lava, Schiefer, Kohlen besteht, haben wir nicht einen Tropfen gefunden. Möglich aber ist, daß wir in dem westlichen Tunnel glücklicher sind.«

      Ich schüttelte ungläubig den Kopf.

      »Höre mich bis zu Ende an, fuhr der Professor mit gehobener Stimme fort. Während Du regungslos da lagst, hab’ ich diesen Gang untersucht. Er führt direkt ins Innere, und in wenig Stunden mitten in den Kern des Granit. Da müssen wir reichlich Quellen finden. Die Felsart bringt es mit sich, und der Instinkt geht einig mit der Logik zu Gunsten meiner Überzeugung. Dies also ist mein Vorschlag. Columbus hat von seiner Schiffsmannschaft drei Tage begehrt, um die neue Welt zu entdecken. Ich begehre von Dir nur noch einen Tag. Stoßen wir nicht binnen dieser Zeit auf das mangelnde Wasser, so schwöre ich Dir, daß wir nach der Oberfläche zurückkehren werden.«

      Trotz meiner Gereiztheit rührten mich diese Worte, und die Gewalt, welche mein Oheim sich antat, eine solche Sprache zu führen.

      »Nun denn! rief ich, ich füge mich Ihrem Wunsch, und Gott möge Ihre übermenschliche Energie lohnen! Es sind nur wenige Stunden. Also vorwärts!«

      Zweiundzwanzigstes Kapitel

      Not

      Wir gingen also durch die neue Galerie wieder abwärts, Hans, wie gewöhnlich, voran. Wir waren noch keine hundert Schritte weit, als der Professor, die Lampe an der Wand, ausrief:

      »Hier ist Urgebirg! Wir sind auf dem rechten Weg! Vorwärts! Vorwärts!«

      Als in der ersten Epoche der Welt die Erde allmälig erkaltete, veranlaßte die Verringerung des Umfangs in ihrer Rinde Verschiebungen, Risse, Klüfte und Spalten. Der eben betretene Gang war ein Spalt dieser Art, durch welchen ehemals der ausgeworfene Granit seinen Weg fand. Seine unzähligen Wendungen bildeten ein verworrenes Labyrinth im ursprünglichen Boden.

      Im Verhältniß, wie wir abwärts kamen, zeigten sich klarer die aufeinanderfolgenden Schichten, woraus das Urgestein besteht. Die Geologie sieht dieses als die Unterlage der mineralischen Rinde an, und hat erkannt, daß es aus drei verschiedenen Schichten besteht, dem Schiefer, Gneis und Glimmerschiefer, welche auf dem unerschütterlich festen Granit lagern.

      Nun befanden sich nie Mineralogen in einer so merkwürdig günstigen Lage, um die Natur an Ort und Stelle zu studieren. Was die Sonde, die rohe Maschine ohne Intelligenz über das innere Gefüge nicht zu Tage fördern konnte, waren wir im Begriff mit eigenen Augen zu sehen, mit Händen zu greifen.

      Quer durch die Lage des Schiefergesteins in schönen grünen Schattierungen zogen Erzgänge, Kupfer, Braunstein und etliche Spuren von Platina und Gold. Ich dachte mir, wie die Habgier der Menschen von diesen so tief vergrabenen Schätzen nie einen Genuß haben wird. Sie sind bei dem Durcheinanderrütteln jener Urzeit so tief versenkt worden, daß sie von Schaufel und Hacke nicht zu erreichen sind.

      An die Schiefer reiheten sich die Gneis, von geschichtetem Bau, merkwürdig durch regelmäßig parallele Blätter, sodann die Glimmerschiefer in großen Stücken, welche durch das Funkeln des weißen Glimmers in die Augen sprangen.

      Das Licht der Apparate, von den kleinen Facetten der Felsenmasse zurückgeworfen, kreuzte seine Feuerstrahlen unter allen Winkeln, so daß man denken konnte, man reise durch einen hohlen Diamanten, worin tausendfach blendend die Strahlen sich brachen.

      Gegen sechs Uhr fing dieser Glanz an merklich schwächer zu werden, fast zu verschwinden; die Wände nahmen eine krystallisierte, aber düstere Färbung; der Glimmer mischte sich inniger mit dem Feldspat und Quarz, um das allerhärteste Gestein zu bilden, welches, ohne zerdrückt zu werden, die vier Stockwerke des Erdreichs trägt. Wir befanden uns mitten im Granit.

      Es war Abends acht Uhr. Immer noch kein Wasser. Ich litt fürchterlich. Mein Oheim schritt immer voran, wollte nicht stehen bleiben. Er lauschte mit dem Ohre das Murmeln einer Quelle zu erhaschen. Vergebens!

      Inzwischen versagten mir meine Beine den Dienst. Ich widerstand meinen Qualen, um nicht meinen Oheim zum Stillestehen zu nötigen. Es wäre für ihn ein Verzweiflungsschlag gewesen, denn der Tag lief zu Ende, der letzte, welcher ihm gehörte.

      Endlich gingen mir die Kräfte aus. Ich fiel nieder mit einem Schrei: »Hilfe! Ich sterbe!«

      Mein Oheim kam augenblicklich herbei. Er sah mich an mit gekreuzten Armen; dann murmelte er dumpf: »Es ist alles aus!«

      Eine fürchterlich zornige Bewegung war das letzte, was ich sah, als ich die Augen schloß.

      Beim Wiederausschlagen derselben gewahrte ich meine Gefährten unbeweglich in ihre Decken gewickelt. Schliefen sie? Ich meines Teils konnte nicht einen Augenblick in Schlaf kommen. Ich litt allzu sehr, zumal bei dem Gedanken, daß nicht zu helfen sein solle. Meines Oheims letzte Worte, »Alles ist aus!« hallten in meinem Ohre wieder, denn bei dem hohen Grade meiner Schwäche war kein Gedanke, wieder auf die Erdoberfläche zu kommen.

      Wir befanden uns fünfzehn Kilometer in der Tiefe!

      Es war mir, als laste diese ganze Masse auf meinen Schultern. Ich fühlte mich wie zerschmettert und strengte mich vergebens an, mich auf meinem Granitlager umzudrehen.

      So verflossen einige Stunden. Tiefe Stille herrschte um uns, Grabesstille. Kein Laut drang durch diese zum Mindesten fünf Meilen dicken Mauern.

      Inzwischen glaubte ich mitten in meinem Schlummer ein Geräusch zu vernehmen. Es war dunkel im Tunnel. Als ich recht achtsam blickte, schien mir’s, als sähe ich den Isländer mit der Lampe in der Hand verschwinden.

      Weshalb entfernt er sich? Will Hans uns verlassen? Mein Oheim schlief. Ich wollte schreien; die Stimme versagte mir zwischen den ausgetrockneten Lippen. Es war völlig dunkel geworden, und das letzte Geräusch war verstummt.

      »Hans verläßt uns! schrie ich. Hans! Hans!«

      So rief ich, jedoch nur im stillen Innern. Inzwischen,