ELDORADO - Räuberpistole mit Fremdenführer. Klaus Schafmeister

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Название ELDORADO - Räuberpistole mit Fremdenführer
Автор произведения Klaus Schafmeister
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783347068315



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und Unschlittkerzen hinausgekommen.

      Dona Mahagonia Pelargo zehrte zuletzt nur noch vom Export von Saubohnen und Ziegenwolle (kaum nennenswert) sowie dem Pirazzo (etwas besser) in die europäischen Afrika-Kolonien. Dort diente der Cacafuego den Baassen als billige Grundsubstanz für allerlei Gesöffe; aus ihm ließen sich sowohl Whiskey als auch Cognac panschen, selbst Rum, Wodka, Gin und Doppelkorn bot er eine preiswerte Basis. Doch der Mezcal begann auch hier, aufzuholen. Mahagonias Konten bewegten sich letztlich kaum mehr vom Nullpunkt fort.

      Außer LaPelargo, ihren Pirazzobrennern und einem verrückten Forscher aus dem alten Europa interessierte sich dazumal niemand fürs staubig-stachlig-stürmische Malpais. An Urbanisationen, die diesen Namen einigermaßen verdienten, gabs nur den Seeport Vayacondios und gut 160 Kilometer westwärts das kleine Städtchen Nombredelrio - die insulare Besiedlung bestand ansonsten (wie heutzutage noch) aus winzigen Bergkäffern, notdürftig verbunden durch achsen- und maultiermordende Schotterpfade und Wüstenwege. Diese Pisten bildeten auch die Wegstrecken des präsidialen Trosses, der gleich mittelalterlichen Herrschern des alten Europas rastlos durchs Reich bzw. Randgebirge zog, um die pelargo'schen Besitzungen - sprich: die Republica - zu kontrollieren. Ein glänzender Treck aus drei IronMaiden (mit je einem aufs feinste möblierten Wohnabteil dahinter) und jeder Menge Eselskarren und Packmulis fiel regelmäßig und nacheinander - eine Hauptstadt gab es ja nicht - über die Gebirgskäffer her, sog diese und die als Lehen an treue Gefolgsleute verteilten Estancias bis aufs Blut aus und verzehrte nahezu die in den Jahrhunderten mühsam aufgewachsenen Holzbestände des Randgebirges. Dieses Heuschrecken-Procedere führte schließlich dazu, dass ab 1868 die Dampfmaschinen mangels ausreichendem Brennholz für letztes teures Geld auf den aufkommenden Gasbetrieb umgerüstet werden mußten. Als sich später dann der Präsidentin Ertragslage entscheidend verbessert hatte, erwarb sie in den Staaten und im alten Europa ausgemusterte, trotzdem noch teuer zu berappende Ford- und Renault-LKWs, die mit Petroleummotoren fuhren, einige auch mit Holzvergasern. Doch sowas konnten sich natürlich nur Patriziat, Kirche und Armee leisten.

      Im November 1870, genau acht Jahre nach der pelargonischen Unabhängigkeitsausrufung und auf dem Höhepunkt des finanziellen Desasters, wendete sich das Blatt, denn Mahagonia lernte zufällig wieder einen interessanten Mann kennen: den kleinen dicken Professor und mehrfachen Doktor Jaroslaus Pancratius Nimrod von der böhmischen Universität Lobkowitz, für die der Wissenschaftler in den Semesterferien chemisch-geologisch-technische Feldversuche auf Pelargonien betrieb. Und weitere acht Jahre später war Mahagonia nicht nur reich, nicht stinkreich - sie besaß Geld wie Dreck!

      Über die schicksalhafte Begegnung zwischen der großen Inselpräsidentin und dem kleinen Professor und besonders über das Ergebnis dieses Treffens wird noch genauer berichtet.

       Kaliber 9 - Der Kuriositätensammler

      „Teniente - bekommen Sie es hin, mir den großen Menschen da halbwegs unbeschadet einzufangen?“ Auch Sonderagent Hanns Streng besitzt diesen überheblichamüsierten Unterton, der vielen Hunnen zu Eigen ist.

      Ein merkwürdiger Heiliger! denkt sich Luan diStronzo, Teniente Erster Klasse und Oberer der 1.Regulares Pelargonias, genannt Los Lobos Infernales, und wird nicht schlau aus dem Bürschchen. Sammelt Krüppel und Wunderliche, fängt Seltsamkeiten ein wie andere Leute Schmetterlinge - und jetzt dieser kantige Bock! Doch letztlich ist Strengs Wunsch diStronzos Befehl.

      Der Teniente führt heute Anabol, seinen Mastino Neapolitano bei Fuß; er hat ihn just von zuhause kommen lassen und will mit ihm vor dem Hunnen ein wenig protzen: das Rassetier selbst abgerichtet und scharf wie ein Rasiermesser, vielleicht imponierte das sogar dem blassen Bürschchen.

      „Naturalemente, Senor Streng! Habe aber einen Vorschlag zu machen in der Sache - wetten wir um fünf Flaschen Cognac, dass allein mein Anabol es sekundenschnell schafft, den Kerl zum Winseln und Ihnen zu Füßen zu bringen?“

      „Meinetwegen“, erwidert Hanns Streng. „Wenn Ihr Hund so gut ist, wie Sie sagen … jedoch auch, wenn der Mann unterliegen sollte, möchte ich ihn halbwegs unbeschadet und lebendig haben!"

      Der Trupp Soldaten kauert hinter der Mauer, zur Plaza hin, die Karabiner im Anschlag, den Befehl ihres Teniente erwartend, der Feuer! heißen könnte – nun hatte der blasse Hunne mit diStronzo eine Schnapswette laufen, nicht um den gewöhnlichen Kaktusfusel, sondern um edle Franzentropfen. Vielleicht fiel ja was ab für die Männer.

      Luan diStronzo beobachtet den Gegner durch den Feldstecher. Neben dem Teniente hockt der Mastiff reglos auf den Keulen. Aber wer ganz genau hinsieht, merkt, dass es zittert vor Anspannung, das gewaltige Tier: Muskeln wie Schiffstaue, ums Maul flockigen Geifer, drinnen eine Sammlung Stilettos. Der Officir hat vor einer Woche seinen 31. Geburtstag gefeiert, ein zäher Bursche aus dem Nest LasGrappas im Nordosten, wo viele italienischstämmig sind und Haie mit 100e Meter langen Angelschnüren von der Steilküste hinab aus dem Meer fischen - LasGrappas, wo die harten Männer wachsen!

      Sein Marschbefehl lautet: Aufspüren und Arrestieren der üblichen Verdächtigen wie Cimarrones, Schmarotzen, Ziganisten und dergleichen Pack! und zu seinem Leidwesen Sie sind mit ihrer Bandera Senor Hanns Streng von der Vereinigung proPatria unterstellt, er handelt als Sonderagent im Namen und persönlichen Auftrag unseres gesegneten Caudillo Magno Don Episcopao Sprizz. Wenn also eine Sezession vorgenommen ist, sortieren Sie alle aus, welche Ihnen jener Herr Streng weisen mag, egal ob es Krüppel sind, Bauern, Weiber, Ausländer - und wenns die Nonnen von SanctaClara wären: wundern Sie sich nicht, gehorchen Sie, und befördern Sie das Geschmeiß direkt in die Ihnen von Senor Streng gewiesene Örtlichkeit. Doch Vorsicht: dem Pack auf der Landstraße ist nicht zu trauen. Liquidieren jedoch nur, wenn Gefahr im Verzuge! Weggetreten!

      Cognac. Fünf Flaschen. Dabei begehrt Luan diStronzo nicht viel vom Leben: Anerkennung, Sportautos, grazile Weiber mit Riesentitten, edlen Schnaps, ein volles Portemonaie. Und ein einem Hidalgo angemessenes tiefes Gefühl! Da diStronzos Familie und die Vorfahren arm waren wie Kirchenmäuse, er selbst in der Länge recht kurz gekommen ist, dazu mauleselgesichtig und selbst als Teniente erster Klasse nur mit schmalem Sold entlohnt, hält sich die Erfüllung seiner Träume in Grenzen.

      Das Schicksal hat diStronzos Begehrlichkeiten nur beim letzten Wunsch übererfüllt und ihn mit einem herztiefen Gefühl, nämlich unbändigem Hass, ausgestattet. Hass auf alles Große, Kleine, Un-Ordentliche, Un-Militärische. Hass auf alte Weiber. Starke Männer. Kleine Männer. Ziganisten. Ausländer. Und auf dreckige Cimarrones selbstredend. So führte er schon seit frühester Kindheit den Hass als Heiliges Feuer im Herzen; irgendwas muss der Mensch ja an Gefühlen haben, sonst verfault er innerlich. Und es war die einhellige Meinung seiner Familie, dass er deshalb beim Militär am besten aufgehoben wäre.

      Luan diStronzo hatte sich in uniformierten Mörderkreisen stolze Meriten erworben. Ob dunkle Elemente zu beseitigen oder zu arrestieren waren - diStronzo erledigte alles flink, geräusch- und gewissenlos, so dass sein Name und der seiner Einheit Los Lobos Infernales mit der Zeit einen besonderen Klang bekamen. Bei den Regulares zog man respektvoll den Eisenhut, der gemeine Guanito machte sich vor Angst ins Hemd, und der Cimarronesrebell zuckte bei der Namensnennung wütend zusammen.

      Ansonsten gestattet sich Luan diStronzo nur diese einzige winzige Schwäche: Anabol, seinen sechsjährigen Mastiff. Den, mit einem Meter Schulterhöhe und 100 Kilogramm Gewicht extrem mächtigen Rüden, besitzt er von Welpenzeit an, hat ihn scharf abgerichtet. Der ist sein kleiner Überschwang.

      Der Teniente blinzelt in die Sonne und prüft kundigen Auges das Gefechtsfeld. Der tumbe Bauernklotz würde hinterm Brunnen Schutz suchen, sich vielleicht sogar wehren Soll er! Anabol würde den Preis gewinnen, und der hunnische Milchbart Brandy bluten müssen. DiStronzo fährt sich mit der Zunge genießerisch über die Lippen … bluten … Cognac nur, diStronzo könnte sich auch anderes vorstellen, doch das brächte den Teniente um den Hals. Seine Männer hinter der Mauer hingegen bewundern heimlich diesen seltsamen, immer präsenten Hunnen, genauso wie sie ihn fürchten: geradeaus auf den Endsieg zu, kein Gefackel, kalt, sauber, klare Verhältnisse, Kruppstahl! Leder!

      Der Teniente: „Was wollen Sie eigentlich mit solchen Subjekten? Sie lassen sie doch sowieso zumeist wieder