Seelenkater. Tamara Schenk

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Название Seelenkater
Автор произведения Tamara Schenk
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783347116429



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Schmerzen verursacht. Max‘ Zahnsanierung wurde für September angesetzt. Er sollte sich noch ein paar Wochen stabilisieren. Das hieß Vollnarkose, Zahnreinigung, Dentalröntgen und dann sollte eben alles raus, was raus musste. Dazu Infusionen vorher, währenddessen und danach.

      1 CNI= Chronische Niereninsuffizienz. Auch Chronische Nierenerkrankung (CNE) genannt. Laut Wikipedia ist die CNI „eine unheilbare, fortschreitende Krankheit, die durch eine allmähliche Abnahme der Nephrone und damit zu einer abnehmenden Funktion (Insuffizienz) der Nieren gekennzeichnet ist. Sie ist eine der häufigsten Todesursachen bei älteren Hauskatzen. In der gegenwärtigen Literatur wird der Begriff „Nierenerkrankung“ gegenüber dem Begriff „Niereninsuffizienz“ bevorzugt, weil die Erkrankung zunächst ohne messbares Nachlassen der Nierenfunktion abläuft.“

      2 SUC= homöopathisches Komplexmittel, bestehend aus Solidago compositum ad us. vet., Ubichinon compositum, Coenzyme compositum ad us. vet.

       Flix, der Trockenfutter Junkie

      Flix kam als Trockenfutter Junkie zu uns, anders kann man es gar nicht beschreiben. Nassfutter hatte ihn nie sonderlich interessiert, aber sobald wir ein paar Trockenfutterstückchen in seinen Activity-Feeder legten, war die Begeisterung riesengroß. Er kam freudig angetrabt und hat sich mit dem Finden und Verspeisen seines Futters beschäftigt und sichtlich erfreut.

      Flix kam jedoch auch mit Gepäck auf seiner Seele zu uns. Er erbrach des Öfteren. Wir versuchten, ein Muster herauszufinden. Wann kam es vor, in welchen Situationen und was hatte er dann zuvor gefressen? Eines der Muster war abwesendes Frauchen. Das gefiel ihm gar nicht. Ein anderes Muster war zu schnelles Fressen, was vor allem zu Anfang bei seinem geliebten Trockenfutter passierte. Ein drittes Muster war Fellwechsel, was noch am einfachsten zu behandeln war.

      Beide waren es von Anfang an gewohnt, dass ich von zu Hause arbeitete und dass sie Michael eben frühestens ab Donnerstagabend übers Wochenende sahen. Nur ab und an, vielleicht insgesamt nicht mehr als zwanzig Prozent meiner Arbeitszeit, bin ich auf Geschäftsterminen. Die ersten sieben Wochen war ich komplett zu Hause. So konnten wir uns alle eingewöhnen und unseren gemeinsamen Rhythmus finden. Dann musste ich für vier Tage in die USA und für zwei Tage hatten wir unsere Nachbarin als Cat-Sitterin gefunden, die zweimal am Tag nach beiden sehen würde. Schon am ersten Tag hatte Flix erbrochen, dann hatte er sich wieder berappelt.

      Sein letztes Blutbild, das nur wenige Wochen alt war als er zu uns kam, war prima. Keinerlei Anzeichen auf versteckte Entzündungen im Körper. Also haben wir fast das ganze erste Jahr dran gearbeitet, seine Futtergewohnheiten umzustellen. Weg vom Trockenfutter. Hin zu hochwertigem Nassfutter. Ein paar wenige Stückchen Trockenfutter pro Tag wurden nun als Leckerlis deklariert und doppelt honoriert. Es hat ungefähr acht Monate gedauert, dann waren wir mit diesem Prozess durch.

      Ich kann nur jedem anraten sich die Mühe zu machen und die Zeit zu nehmen, Trockenfutter Junkies auf hochwertiges Nassfutter umzustellen. Da Flix Futter mit Sauce bevorzugte, habe ich ein hochwertiges Futter im eigenen Sud ohne Getreide und in Bio-Qualität gefunden, das ihm schmeckte. Langsam, ganz langsam, habe ich das neue Futter in winzigen Mengen unters alte Futter gemischt. Er hatte im Tierheim das gleiche Futter wie Max bekommen. Gleichzeitig habe ich die Menge an Trockenfutter, das er in seinem Activity-Feeder hatte, schrittweise reduziert. Das Wichtigste dabei ist, ganz langsam vorzugehen und sobald der Umstellungsprozess stockt, das Rad lieber wieder etwas zurückzudrehen und den Status Quo zu stabilisieren, bevor es weitergeht.

      Katzen sind Gewohnheitsfresser. Was sie nicht von klein auf kennen, wird erst mal abgelehnt. Es ist keineswegs so, dass Katzen von Haus aus wissen, was gut für sie ist. Das mag bei Wildkatzen sicher anders sein, aber bei domestizierten Katzen leider nicht. Sie haben keine Wahl. Das was sie nach der Muttermilch als erstes Futter von Menschen vorgesetzt bekommen, was die Mutter sozusagen „freigibt“, wird akzeptiert und verspeist. Ansonsten würden Katzen sicher immer Mäuse wählen.

      Erbrechen, weil er haarte und dicke Fellbüschel mit dem Futter ausspuckte, war einfacher in den Griff zu bekommen. Es wurde besser mit etwas Malzpaste und Eilecithinpulver. Und wir haben langsam eine Routine entwickelt, ihn zu bürsten. Das war er nicht gewohnt, aber er nahm es mehr und mehr an.

      Als sein Erbrechen, nachdem es nahezu im Griff war, dann allerdings gegen Ende des ersten Jahres wieder schlimmer wurde, haben wir ihn gründlich untersuchen lassen. Gleich in der Tierklinik, bei Max‘ Tierärztin.

      Gerade hatten wir Max wieder stabil nach der ersten Zahn-OP. Also haben wir den Quartals-Check wegen Max‘ CNI genutzt, um auch Flix gründlich untersuchen zu lassen.

      Es stellte sich heraus, dass seine Nierenwerte OK waren, nur ganz leicht erhöht. Seine Entzündungswerte waren aber erhöht, also schlug sich die Entzündung seiner Darmwände bereits im Blutbild nieder. Darin sah die Tierärztin auch das Grundproblem des Erbrechens. Es ginge entweder hinten in Form von Durchfall oder vorn als Erbrechen raus. Bei Flix ging alles vorne raus. Durchfall hatte er keinen.

      Seine Darmwände waren bereits verdickt wegen der Entzündung. Mit der Futterumstellung auf hochwertiges Nassfutter waren wir da schon auf dem richtigen Weg. Dazu mehr im Kapitel „Mal wieder beim Tierarzt.“

       Max‘ Zahnsanierung, die erste …

      Im September, als Max gerade mal neun Monate bei uns in seinem neuen und Für-immer-Zuhause war, habe ich ihn morgens in die Tierklinik gebracht, damit seine Zähne saniert werden konnten. Das bedeutete, dass direkt nach der Narkose seine Zähne professional gereinigt und der Zahnstein entfernt würde. Dann würden seine Zähne mit einem Dentalröntgengerät untersucht werden. Damit ließe sich zum Beispiel die tückische Zahnkrankheit FORL3 erkennen und man könne entscheiden, ob und wenn ja, welche Zähne raus müssten. Diese würden dann gleich im Anschluss auch extrahiert werden. Ich war nervös. Vorher, während und nach der OP sollte er als CNI-Patient Infusionen bekommen.

      Ich kann an dieser Stelle nur jedem raten, bei einer Zahnsanierung immer ein Dentalröntgen machen zu lassen. Es bringt gar nichts, nur den Zahnstein entfernen zu lassen und gegebenenfalls FORL nicht zu entdecken. Das würde bedeuten, dass die Zähne oberflächlich „gut“ aussehen, die Katze aber weiterhin immense Schmerzen hat. Wie im Fall von Max würden außerdem die Nieren weiterhin durch diese nicht entdeckte Erkrankung geschädigt. Man sieht FORL lange Zeit nicht, da es sich aus dem Zahninneren entwickelt. Eine Autoimmunerkrankung, die extrem schmerzhaft ist. Und nein, man erkennt es nicht unbedingt am Fressverhalten. Ich habe es wieder und wieder in der Katzen-Community erlebt, dass Katzen mit extrem kranken Kauleisten wegen FORL, ohne äußere Anzeichen immer noch „normal“ gefressen haben.

      Max hatte das Talent, im Auto permanent zu sprechen. Er kommentierte die Fahrt zur Tierklinik in großer Klarheit und Direktheit, dass es mich zu Tränen rührte. Noch bevor wir dort waren.

      Er wurde aufgenommen und an den Tropf gelegt für seine Infusion. Ein letztes Mal knuddeln und ihn an mich drücken. Oh Mann, war das schwer. Ich hatte gleich gesagt, dass ich auf die Zahntierärztin warten würde. Ich kannte sie noch nicht und unter gar keinen Umständen würde ich Max in die Hände von jemanden geben, den ich nicht kannte. Sein Leben hing schließlich von meinen Entscheidungen ab. Nicht mehr. Nicht weniger.

      Ich hatte meinen Laptop mitgenommen. So konnte ich die nächsten zwei Stunden arbeiten. Und dann noch etwas länger, weil es einen Notfall gab und Max noch eine weitere Stunde am Tropf blieb. Dann kam die Zahntierärztin. Wir haben uns kurz unterhalten und sie hatte mir alles nochmal genau erklärt. Ich hatte gleich ein gutes Gefühl. Sie würde das alles prima machen. Ich war so nervös, weil mir plötzlich bewusst wurde, dass ich Max‘ Leben in ihre Hände legte.

      Ich hörte mich fragen, ob ich ihn nochmal sehen könne. Sie sah mich nur kurz an und verstand genau, was in mir vorging. Sie holte ihn und ich nahm meinen Max in die Arme und sah in seine Augen. Große Pupillen schauten mich an. „Was machen die hier mit mir? Wie kannst Du das zulassen? Ich will sofort nach Hause. Ich habe solche Angst.“ Ich habe ihn gedrückt, ihm gesagt, dass nun seine Zähne gerichtet werden und ich ihn heute Abend wieder abholen würde und wir wieder zusammen nach Hause fahren würden. Dann habe ich ihn der Tierärztin zurück auf den Arm gegeben und bin gegangen.