Название | Münchner Gsindl |
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Автор произведения | Martin Arz |
Жанр | Триллеры |
Серия | |
Издательство | Триллеры |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783940839725 |
»Die Polly ist eine Liebe«, plapperte Lucky ungefragt. »Die mag immer jeden, und jeder mag sie. Oh, Shit. Sie mochte jeden! Sie war so ein Sonnenscheintyp. Immer gut gelaunt und so. Auch wenn alles Scheiße war …«
»Was denn zum Beispiel?«, fragte Pfeffer, während er an dem kleinen Schreibtisch die Schubfächer öffnete in der Hoffnung, dass Polly ganz oldschool war – in der Hoffnung, ein Tagebuch oder Briefe zu finden. Er hatte gehört, dass Mädchen das mittlerweile wieder machen würden. Offline Tagebuch schreiben und so etwas. Nichts. Stattdessen überall indischer Kitsch, bunte Tücher und Fähnchen, Ketten und Klimbim, kleine Buddha- und Ganeshafiguren, dvds mit Bollywoodstreifen und Liebesromane extrem kitschiger Natur, wenn man den Covers Glauben schenkte.
»Wie, was denn?«, echote Lucky. »Ach so, was Scheiße war. Na, eigentlich nix bei ihr. Lief bei ihr. Als Kindermädchen hat sie bei den Försters ganz gut verdient. Ging halt alles für Klamotten und so Zeug drauf. Mädels halt. Und Party machen. Und ihr Bollywoodzeugs. Sie hat auch auf einen Indientrip gespart. Keine Ahnung. Wobei, also, wenn ich meine, dass sie eine Liebe war, dann war das eher so, na ja, unverbindlich. Ich glaube, dass sie ganz viel in sich hineingefressen und weggelächelt hat. Sie wollte nie, dass man sich Sorgen um sie machen musste. Ach, und ihre Familie kommt aus Kasachstan. Voll die Russen, ey. Also diese sogenannten Deutschen.« Er machte Anführungszeichen mit der freien Hand. »Sie wissen schon. Die Eltern leben in irgendeinem Kaff im Schwabenland oder so. Voll konservativ und so. Halten Schwule für pervers, verstehen Sie? Vergöttern Putin und glotzen den Lügensender rt-Deutsch, wollen aber nicht in Russland leben. Na, kennt man ja. Und ’nen Kerl hatte die Polly auch nicht, falls Sie das fragen wollten … Jedenfalls keinen, den ich hier mitgekriegt hätte. Und wenn sie einen heimlich gehabt hätte … Nee, weiß nicht. Jedenfalls fragen Sie solche Sachen besser die Becky, die kennt sich da besser aus, die beiden waren ganz gut befreundet …«
»Langsam«, hakte Max Pfeffer ein, während er eine kleine Schmuckschatulle öffnete, die auf einer kleinen bunt bemalten Kommode stand. »Wir setzen uns nachher in die Küche, und Sie machen dann eine Aussage. Alles, was Sie uns jetzt so erzählt haben, werden wir Sie dann strukturiert abfragen, okay?«
»Okay, starker Mann.« Lucky schmollte affektiert und nuckelte an der Erdbeermilch. »Ich will ja nur sagen, dass ich eigentlich nicht viel über die Polly weiß. Ich meine, wir sind WG-Freunde. Kennen uns erst, seit sie vor anderthalb Jahren hier eingezogen ist. Sie suchte halt ein billiges Zimmer in München – ha, wer sucht das nicht! Und Becky hat sie auf ’ner Party kennengelernt und dann … na, seit sie hier ist, ist irgendwie die Stimmung immer gut. Sie war ein Sonnenschein …«
»Das sagten Sie bereits«, unterbrach Bella Hemberger. Sie schloss den Kleiderschrank, den sie inspiziert hatte. »Hatte Polly Freunde, die Sie nicht kennen? Menschen, von denen sie vielleicht mal gesprochen hat?«
»Kann sein.« Lucky zuckte mit den Schultern und zündete sich eine neue Zigarette an. »Ach, nee, eher nicht. Polly hatte sonst keine Freunde hier in München. Also keine, von denen wir wüssten. Die war ziemlich viel allein, wenn sie nicht mit uns abgehangen ist. Wir haben ihr gereicht. Ach, manchmal hat sie sich mit einer Alten, die wir beim Containern kennengelernt haben, getroffen. Ne Obdachlose, denke ich, Polly hat der Alten ab und an ’nen Kaffee spendiert oder so.«
»Machen Sie uns bitte, am besten gemeinsam mit Ihrer Mitbewohnerin, eine Liste von allen Freundinnen oder Kontakten, die Polina in München hatte. Namen, Telefonnummern, Adressen, E-Mail-Adressen, Social-Media-Profile et cetera. Alles, was Ihnen einfällt.«
»Okay, können wir mal versuchen. Becky wird vielleicht ein paar Namen wissen.« Lucky blies Rauch aus seinen Lungen. »Mei, die Polly würde ausflippen, wenn sie wüsste, dass ich in ihrem Zimmer rauche! Das mochte sie gar nicht. Also, geraucht hat sie schon ab und zu. Sie verstehen? Wir haben draußen auf dem Balkon ’ne Wasserpfeife.«
»Und auf dem Küchenschrank auch eine Bong«, bemerkte Pfeffer gelassen.
»Hmm, ja.« Lucky kaute auf der Unterlippe. »Macht ja jeder, ist ja nichts dabei. Aber Tabakrauch mochte sie nicht.«
»Und dann noch das hier.« Max Pfeffer hielt ein buntes Tütchen hoch, das im Schmuckkasten lag.
»Was?« Lucky verschluckte sich fast an seiner Milch. »Wie? Keine Ahnung. Was ist das?«
»Schlecht gespielt, Luciano Russo«, sagte Pfeffer. »Sie wissen genau, was das ist. Eine Kräutermischung.«
»Klar«, sagte Lucky schwach, »zum Anzünden, zum Räuchern.«
»Ach, Herr Luciano«, antwortete Pfeffer. »Wir drei hier wissen, was man mit dieser Art von Kräutermischung aus synthetischen Cannabinoiden macht.«
»Keine Ahnung. Echt nicht. Ich wusste nicht, dass Polly so was im Haus hat.«
»Hat Polly außer Cannabis auch andere Drogen genommen?«, fragte Pfeffer und fixierte Lucky, der unsicher mit den Schultern zuckte.
»Keine Ahnung.«
»Und Sie?«
»Nein, echt nicht.«
»Was machen Sie eigentlich, wenn ich fragen darf«, fragte Hauptkommissarin Hemberger.
Lucky verdrehte die Augen, eher amüsiert als genervt. »Ich studiere.« Er kicherte kurz. »Na ja, Sie findens ja eh raus. Also, immatrikuliert bin ich schon. Geschichtsdidaktik. Aber ich komme grad nicht so zum Studieren. Ich orientiere mich. Ich arbeite mit Becky im Gsindl an der Bar. Vier Mal die Woche. Da kommt halbwegs die Kohle rein, um in dieser scheißteuren Stadt zu überleben, aber man hat keine Zeit mehr zum Studieren.«
»Gsindl?«, hakte die Hauptkommissarin nach.
»Ein … ähm … nicht ganz legaler Club«, druckste Lucky herum.
»Ein illegaler Club in einem ehemaligen Autohaus im Industriegebiet zwischen Friedenheimer Brücke und Laim, neben den Puffs«, sagte Pfeffer trocken.
»In München gibts illegale Clubs? Woher kennst du illegale Clubs?«, fragte Bella verwundert.
»Cosmo legt dort ab und an auf. Er hat letztes Jahr sogar eine Gsindl-Compilation herausgebracht. Und so illegal, wie die immer tun, ist er gar nicht. Ist vor allem Marketing.« An Lucky gewandt fuhr Pfeffer fort: »Sie arbeiten im Nachtleben und wollen uns erzählen, dass Sie keine Hilfsmittel nehmen, die Ihnen zum Beispiel helfen, die ganze Nacht wach zu bleiben? Oder mehrere Nächte?«
Lucky grinste. »Echt nicht, Chef, echt nicht. Da können Sie jeden fragen. Ich nehme keine Amphetamine oder so’n Scheiß. Ausprobiert ja, aber für schlecht befunden. Und Becky ist auch nicht so drauf. Bei Polly weiß ich es nicht. Wobei … nein, kann ich mir nicht vorstellen.«
»Waren Sie gestern Nacht auch im Gsindl? Mit Polly und Becky?«, fragte Hauptkommissarin Hemberger.
»Ja, nein, gestern waren wir nur so aus. War ja richtig schön und warm. Ist doch geil, der frühe Sommer dieses Jahr. Ich liebe es! Da sind wir ein bisserl an die Isar. Chillen. Einer der wenigen Vorteile, wenn man hier in dieser Asselbude am Candidplatz leben muss – man hat die Isar vor der Tür! Das ist echt geil, wenn man …«
»Und dann?«, unterbrach Pfeffer.
»Dann waren wir noch ein bisschen im Gsindl. Abtanzen und so.«
»Sie gehen an Ihrem freien Abend zur Arbeit?«
»Ja.« Lucky zuckte mit den Schultern. »Ist doch klar, da kriegen wir Angestelltenpreise. Muss man ausnutzen.«
»Wann sind Sie heimgekommen?«
»Ich so gegen halb zwei. Mit der Becky. Haben noch ein Bierchen in der Küche gezischt und sind dann in die Heia. Also