Aufgang. Jahrbuch für Denken, Dichten, Kunst. Heinrich Beck, Barbara Bräutigam, Christian Dries, Silja Graupe, Anna Grear, Klaus Haack, Rüdiger Haas, Micha

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mei“, sagt der, „der Kreis is kloa, de letztn Jahr war i alloa.“9

      („Wie viele sind denn noch da?“

      „O“, sagt der, „der Kreis ist klein, die letzten Jahr war ich allein.“)

      Und auf der Rückfahrt werde ich mich fester in meinen Mantel kuscheln, der mir schon zu groß geworden ist, und dann leise mein Abschiedslied vor mich hin summen:

      Wenn meine Freunde alle geh’n,

      hör ich die Stille und ich frier.

      Ingrid Lanzl

      Berufliches Wachstum

      Vorbemerkung

      München, den 21. November 2015, 11.00 Uhr. Der Schriftleiter von Aufgang, Herr Dr. Rüdiger Haas, trifft Frau Dr. Ingrid Lanzl in einem Café in München an der Donnersberger Brücke. Es ist ein Samstag. Das Ambiente ist ruhig und entspannt, die Gesprächsteilnehmer sitzen an einem kleinen Tisch. Beim persönlichen Kennenlernen ist Frau Lanzl überrascht, mit philosophischen Fragen konfrontiert zu werden, und betont, keine Philosophin zu sein. Nach der kurzen Klärung, dass man nicht Philosophie studiert haben müsse, um über Sinnfragen des Lebens sprechen zu können, leitet das Gespräch direkt über zum beruflichen Werdegang von Frau Dr. Lanzl.

      *

      Das Gespräch

      Aufgang: Unser Thema „Facetten des Wachstums“ fragt nach den verschiedenen Wachstumsaspekten. Was uns interessiert, ist Ihr persönliches berufliches Wachstum, die Stationen und persönlichen Erfahrungen, die Sie durchlaufen haben, um Ihre verantwortungsvolle Tätigkeit in der privaten Wirtschaft ausführen zu können. Welche Schulausbildung haben Sie genossen?

      Lanzl: Es für mich schon frühzeitig klar, dass ich aufs Gymnasium gehen würde. In der siebten Klasse konnten wir uns zwischen dem mathematisch-naturwissenschaftlichen und dem neusprachlichen Zweig entscheiden. Da meine Interessen im Bereich Naturwissenschaften lagen, war auch hier die Entscheidung klar.

      Aufgang: Wie ging es nach Ihrem naturwissenschaftlichen Abitur weiter?

      Lanzl: Schon während meiner Schulzeit habe ich mich für Technik interessiert. Bei Wanderungen mit der Familie durfte ich als Kind Wasserkraftwerke besichtigen. Die Nutzung der vorhandenen Wasserkraft und die Möglichkeiten einer effizienten Energiegewinnung haben mich so begeistert, dass ich mir überlegte, so etwas auch einmal machen zu wollen. So entstand mein Berufswunsch: Maschinenbau-Ingenieurin.

      Aufgang: War das damals nicht ungewöhnlich, als Mädchen Maschinenbau studieren zu wollen?

      Lanzl: Meine Begeisterung für Technik und mein Berufswunsch waren für mich überhaupt nicht ungewöhnlich. Es war für mich selbstverständlich, für eine bessere Energieversorgung arbeiten zu wollen. Dass nicht jeder die Vorstellung einer geschlechterunabhängigen Berufswahl teilt, erkannte ich erst, nachdem ich einige negative und aggressiv ablehnende Reaktionen auf meinen Berufswunsch erhalten hatte.

      Davon habe ich mich nicht einschüchtern lassen. Es gibt keinen Grund dafür, ein bestimmtes Fach nicht zu studieren, nur weil man eine Frau ist. Dasselbe gilt auch für Männer.

      Aufgang: Sie haben Ihr Studium mit Freude geradlinig bis zum Diplom durchgezogen.

      Lanzl: Ich habe konsequent und mit Begeisterung Maschinenbau mit dem Schwerpunkt Energie- und Kraftwerkstechnik studiert. Danach konnte ich im Fachbereich Thermodynamik promovieren und auf diese Art auch das wissenschaftliche Arbeiten lernen.

      Aufgang: Wie lange hatten Sie die Forschungsstelle und wann schlossen Sie Ihre Promotion ab?

      Lanzl: Ich war fünf Jahre an der Technischen Universität München als wissenschaftliche Mitarbeiterin angestellt. Mit Auslauf des Forschungsauftrags wurde ich promoviert.

      Aufgang: Sie wurden mit 28 Jahren zum Doktor Ing. promoviert. Was war das Besondere an Ihrer Doktorarbeit?

      Lanzl: Das Thema hieß „Teilkondensation am horizontalen Rohrbündelwärmetauscher“. Es ging um Kondensation in Anwesenheit von Luft und Wasserdampf und darum, herauszufinden, wie man diese Kondensationseffekte berechnet. Mein Beitrag war die Entwicklung einer neuen Formel sowie die Korrektur einer Phänomen-Beschreibung.

      Aufgang: In der Phänomenologie beschreiben wir menschliche Phänomene, die aber nicht berechenbar sind, weil das Phänomen der Psyche grundsätzlich über den Berechnungsaspekt hinausgeht.

      Lanzl: Auch die Phänomene in der Thermo- und Strömungsdynamik sind nicht so einfach zu berechnen.

      Aufgang: Sie mussten aber vertiefte mathematische Erkenntnisse in die Arbeit einbringen.

      Lanzl: Es war eine experimentelle Arbeit, bei der ich einen Prüfstand aufbaute und mit studentischen Hilfskräften Messungen durchführte. Aus den Messdaten habe ich versucht, einen logischen Zusammenhang zu entwickeln, was mir dann auch gelungen ist. Dieser Zusammenhang musste beschrieben werden. Ich bin ein Mensch, der nicht so schnell aufgibt. Natürlich gab es bei der Forschung immer wieder reale Hindernisse. Wenn bei der Durchführung von Versuchen etwas nicht funktioniert hatte, musste man es eben auf anderem Weg noch einmal probieren. Durchhaltevermögen zeigen und an der Sache dranbleiben sind wichtige Grundvoraussetzungen für den Erfolg.

      Aufgang: Durchhaltevermögen und die Überwindung von Hindernissen führten Sie zu kontinuierlichem beruflichem Wachstum. Nun waren Sie Mitte der 90er Jahre promoviert. Was war Ihre erste berufliche Station außerhalb der Uni?

      Lanzl: Die Lage auf dem Arbeitsmarkt war zu dieser Zeit sehr schlecht. Aufgrund meiner Vorkenntnisse in der Energietechnik und Thermodynamik konnte ich trotzdem eine sehr interessante Aufgabe in der Entwicklung bei einem Automobilzulieferer bekommen. Für meine berufliche Entwicklung war das eine wichtige Stelle, weil ich schon sehr früh Verantwortung übernehmen durfte. Zudem konnte ich das nutzen, was ich während der Promotionszeit gelernt hatte, einschließlich des Durchhaltevermögens.

      Aufgang: Wie lange waren Sie in diesem Betrieb?

      Lanzl: Sieben Jahre. Ich bekam immer mehr Aufgaben übertragen, mehr Verantwortung und auch Führungsverantwortung. Zudem fand ich es sehr interessant, gesammelte Erfahrungen an Leute weiterzugeben und sie entsprechend anzuleiten, nicht sofort