Kelter Kriminial Report 1 – Kriminalroman. Nina P.

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Название Kelter Kriminial Report 1 – Kriminalroman
Автор произведения Nina P.
Жанр Языкознание
Серия Kelter Kriminial Report
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740962777



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zudem. Es war mir zu Beginn gar nicht aufgefallen, aber Claas von Seefeldt war ein ausgesprochen gut aussehender Mann. Ein Umstand, der mich eher gegen ihn einnahm.

      Die attraktiven Menschen, die ich kannte, waren gleichermaßen und ohne Ausnahme alle arrogant und hochmütig. Ich wusste, dass das einen wunden Punkt bei mir berührte. Gut aussehende Männer und Frauen hatten mich –, die ich nicht übermäßig mit schönen Äußer-lichkeiten von der Natur bedacht war – immer wie Luft behandelt. Zwar hatte ich über die Jahre an Attraktivität gewonnen – ich war eine gewiefte Anwältin, der man den Erfolg absolut ansah – und die daraus gewonnene Selbstsicherheit machte mich durchaus hübsch. Doch noch immer musste ich häufig an meine Schulzeit denken, in der ich eine Außenseiterin gewesen war. In der ich gelitten hatte.

      Claas erinnerte mich an diese Zeit, und ich musste mich zusammennehmen, ihn nicht deshalb vorzuverurteilen. Er konnte schließlich nichts dafür, dass er eine Augenweide war.

      »Am einfachsten wäre es wohl, Frau Bartek eine gewisse Summe zu bieten«, sagte ich. »So, wie Sie sie be-

      schreiben, ist sie gegen Zahlung eines Schweigegeldes sicherlich bereit, die Anzeige zurückzuziehen.«

      Claas schüttelte den Kopf.

      »Das kommt nicht infrage!«, sagte er fest. »Ich habe ihr nichts getan! Es darf nicht sein, dass sie damit durchkommt!«

      »Vergewaltigungsprozesse sind schwer vorhersehbar«, sagte ich. »Es besteht immer die Gefahr, dass eine Frau mit einer Lüge durchkommt.«

      Ich hasste mich dafür, so etwas zu sagen, aber leider Gottes entsprach es nun einmal der Wahrheit. Einer weinenden, schutzbedürftigen Frau nahmen gewisse Richter gern jede Lüge ab.

      »Die Gerechtigkeit muss siegen!«, sagte Claas unbeirrt. »Ich glaube an die deutsche Justiz!«

      Dass er die Zahlung eines Schweige-geldes ablehnte, wunderte mich. Es konnte an sich nur bedeuten, dass er unschuldig war. Warum sonst sollte er ein leichtes Herauskommen aus der Sache ausschlagen?

      »Können die mich aus der U-Haft holen?«, fragte Claas.

      »Ich versuche es«, versprach ich. »Es gibt keine Beweise, die für Ihre Schuld sprechen. Nur die Aussage Frau Barteks. Für eine Inhaftierung reicht das eigentlich nicht.«

      Ich erhob mich. »Ich werde sehen, was ich tun kann. Ich melde mich in den nächsten Tagen!«

      Er sprang auf und rieb sich das Gesicht, wo ein Bart zu sprießen begann. Müssen Sie wirklich schon gehen?«, fragte er, und es klang ir-

      gendwie ängstlich. »Es… es ist so schrecklich hier!«

      »Es ändert sich ja auch nicht, wenn wir jetzt noch gemeinsam eine Tasse Kaffee trinken!«

      Er lächelte tatsächlich leicht.

      »Sie haben wohl recht«, sagte er dann. »Danke übrigens, dass Sie den Fall angenommen haben.«

      »Das ist mein Beruf.«

      »Ja, aber einen potenziellen Verge-waltiger zu verteidigen ist sicher nicht leicht für eine Frau.«

      »Auf Wiedersehen«, sagte ich und reichte ihm die Hand.

      Diesmal war sein Griff weniger fest, fast weich.

      *

      Natürlich musste ich auch mit Lucy Bartek sprechen. Es war klar, dass sie mich hassen würde, egal ob sie eine Lügnerin war oder nicht. Um sie einschätzen zu können, musste ich sie jedoch unbedingt kennenlernen. War sie wirklich eine Betrügerin? Oder war Seefeldt ein Gewalttäter?

      Je mehr ich darüber nachdachte, desto ausgeprägter pendelte das Gewicht auf unschuldig. Zum einen hatte ich keinerlei Anhaltspunkt in seinem Gebaren oder seinen Worten finden können, zum anderen sprach die Tatsache, dass er nicht bereit war, sich freizukaufen, eindeutig für seine Unschuld.

      Lucy wohnte in einem schicken Neubau etwas abseits vom Kiez, eindeutig ein beliebter Wohnort für Prostituierte und Ex-Huren, die gutes Geld verdient hatten. Im Hausflur traf ich auf einen Anwohner, der mich missbilligend musterte. Offenbar jemand, der seine Nachbarinnen nicht sonderlich schätzte. Da ich wohl nicht dem gängigen Frauentypus seiner Nachbarschaft entsprach, grüßte er jedoch kurz, was ich freundlich erwiderte.

      Lucy schien sofort zu ahnen, wer ich war, und machte Anstalten, mir die Tür vor der Nase zuzuschlagen.

      »Jetzt geben Sie mir doch die Chance, Ihre Version zu erfahren!«, sagte ich eindringlich, und nach einem langen Zögern öffnete sie doch.

      »Wie können Sie dieses Schwein nur verteidigen!«, sagte sie böse.

      »Ich …«

      Doch sie ließ mich gar nicht zu Wort kommen.

      »Sehen Sie das hier?«, Sie riss sich ein Tuch vom Hals und zeigte die darunter verborgenen dunklen Würge-male. »Und hier!« Sie zog ihren Pullover hoch und entblößte ein nahezu schwarzes Hämatom, das sich über ihre gesamte Flanke erstreckte.

      »Glauben Sie, das habe ich mir selbst zugefügt?«

      »Um diese Frage zu beantworten, bin ich hier.«

      Ich mochte Lucy nicht. Wie sie da stand und mir ihre Wunden zeigte, machte sie auf mich den Eindruck eines Racheengels, keinesfalls den einer geschändeten armen Seele. Ihre Wohnung war protzig und voller Statussymbole. Sie trug auffälligen Schmuck, und ihre Garderobe war – wenn sie auch ein wenig vulgär wirkte – sicherlich ausgesprochen teuer. Ja, Lucy Bartek war eine Frau, die Geld besaß und es gern ausgab. Und sie war bereit, dafür das einzige Kapital einzusetzen, das sie besaß: ihren Körper. Dennoch: das hieß noch nicht, dass sie log.

      »Wie lange kennen Sie Herrn von Seefeldt?«

      »Herrn von Seefeldt?«, äffte sie mich ätzend nach. »Ich kenne Claas seit Ewigkeiten! Seit der Schule. Eine Zeitlang hatten wir uns aus den Augen verloren, aber dann war er plötzlich wieder da. Leider!«

      »Leider?«, hakte ich nach. »Er hatte doch gutes Geld! Und erzählen Sie mir nicht, dass Ihnen das egal ist!«

      Ich hatte die Stimme erhoben. Ich wollte keinesfalls, dass sie mir wieder ins Wort fiel.

      »Ja!«, sagte sie. »Geld hatte er! Aber leider mochte er es hart! Zu hart für mich! Ich hab ihm zigmal gesagt, dass er sich woanders ausleben soll. Aber er liebte es nun mal, mir wehzutun! Körperlich weh!«

      »Inwiefern?«

      »Inwiefern?« Sie lachte hässlich auf. »Er mochte es, wenn ich dalag und wimmerte. Wenn ich weinte und ihn anflehte aufzuhören!«

      »Und trotzdem waren Sie offenbar bereit, ihn immer wieder zu empfangen?«, fragte ich. »Entschuldigen Sie! Wer soll Ihnen das glauben?«

      Einen Moment wusste sie eindeutig nicht, was sie erwidern sollte. Sie blickte zu Boden, und verschwunden war der vor Hohn triefende, arrogante Blick.

      »Er hat gut gezahlt«, sagte sie leise.

      Und plötzlich flossen Tränen aus ihren Augen. Dieser rasche Wechsel hin zum armen Opfer ließ mich stutzig werden. Zu schnell war es gegangen. Doch sicher war ich beileibe nicht. Herrgott! Sie musste eine verdammt gute Schauspielerin sein, wenn das alles gelogen war. Ich traute es ihr jedoch durchaus zu.

      »Auf Wiedersehen!« Ich drehte mich um.

      »Sie glauben mir nicht«, stellte sie fest.

      »Entscheidend ist, was die Richter glauben!«, sagte ich über die Schulter hinweg.

      »Lassen Sie sich nicht von ihm manipulieren! Er ist sehr gut darin!« Damit schloss sie die Tür.

      Im Foyer traf ich auf denselben Anwohner wie bei der Ankunft. Aus dem Bauch heraus fragte ich ihn, ob er Lucy Bartek kannte.

      »Ist das die Blonde?«, fragte er. »Mit den großen Ohrringen? Aus dem zweiten Stock?«

      Ich nickte.

      »‘Ne Hure!«, sagte