Kelter Kriminial Report 1 – Kriminalroman. Nina P.

Читать онлайн.
Название Kelter Kriminial Report 1 – Kriminalroman
Автор произведения Nina P.
Жанр Языкознание
Серия Kelter Kriminial Report
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740962777



Скачать книгу

so unhaltbar er sowieso sein mochte –, dass die beiden selbst schuld seien, weg. Und nicht nur das!

      Die ersten Umstehenden hatten dies mit angesehen und gewusst, dass die Punker nicht einfach nur so auf das Eis gegangen waren. Und dennoch taten genau diese weiter so, als hätten die beiden unverantwortlich gehandelt und selbst Schuld.

      »Ach, die Scheißtöle!«, höhnte sogar einer der Angeklagten. »Was geht mich das an?«

      Doch wie gesagt, die meisten der Gaffer zeigten Reue und schämten sich für das, was sie getan oder besser, gesagt, nicht getan hatten. So wie ich.

      Fast mit Freuden nahm ich das harte Urteil entgegen, hoffte ich doch auf Sühne und dass diese mich vielleicht von meiner Last befreien würde.

      Ich wurde zu einer Bewährungsstrafe und einer sehr hohen Geldbuße verdonnert. Ich entschuldigte mich bei den Punkern, die als Nebenkläger auftraten, und gab der Hoffnung Ausdruck, dass sie mir irgendwann verzeihen würde. Sie nahmen meine Entschuldigung an. Immerhin hatte ich letztlich zu ihren Rettern gehört.

      *

      Wie geht es mir heute? Ich sagte schon eingangs, dass ich nicht damit fertig werde. Noch immer kann ich nicht fassen, dass ich einfach nur zuschaute, wie zwei Menschen beinahe untergegangen wären. Ich bin fassungslos und zutiefst traurig. Es erschüttert mich bis ins Mark, dass es eine Seite an mir gibt, die ich nicht gekannt hatte und die so abscheulich hässlich ist, dass ich sie kaum ertragen kann.

      Offenbar bin ich jemand, der nicht selbstbestimmt handelt, offensichtlich brauche ich jemanden, der mich anstößt. Dabei habe ich immer ge-

      glaubt, ich sei eine einigermaßen selbstbewusste und verantwortungsvolle Person.

      Andererseits bin ich sicher – wäre ich an jenem schlimmen Tag allein gewesen, ich hätte zumindest sofort einen Krankenwagen und Hilfe herbeigerufen. Die sprachlose, gaffende Menge hatte mich davon abgehalten. Offenbar nur zu gern hatte ich mich zu ihnen gesellt und mich hinter ihrem Nichtstun versteckt. Wie armselig! Wie feige!

      »Mein Gott!«, sagt meine Mutter. »Sie sind am Leben, und am Ende hast du sie gerettet! Jetzt gräme dich nicht bis an das Ende deines Lebens! Jeder kann mal einen Fehler machen!«

      Das ist sicherlich richtig, nur dass durch meinen Fehler beinahe zwei Menschen gestorben wären.

      -ENDE-

Vergewaltigung

      Hatte Claas von Seefeldt die Prostituierte Lucy vergewaltigt oder nicht? Ich hatte bei unserem ersten Treffen so ein vages Gefühl, ließ mich aber lange Zeit einlullen.

      Ich hab sonst niemanden!«, sagte mein Vater. »Tut mir leid! Ich brauche deine Hilfe.«

      »Aber ich bin voll bis unters Dach!«, protestierte ich. »Ich weiß eh schon nicht mehr, wo mir der Kopf steht!«

      »Tut mir leid!«, wiederholte er. »Ich kann den Fall nicht ablehnen. Heino ist zu wichtig für unsere Kanzlei!«

      »Muss das zwingend seinen Sohn einschließen?«, fragte ich müde, aber natürlich war mir die Antwort klar. »Vergewaltigung!«, stöhnte ich. »Das sollte wohl eher ein Mann übernehmen!«

      »Gerade nicht!«, widersprach mein Vater, und auch diese Antwort hatte ich erwartet.

      Selbstverständlich konnte es Ein-druck auf die Richter machen, dass eine Frau die Verteidigung bei einer solchen Anklage übernahm: Eine Frau würde doch niemals einen schuldigen Vergewaltiger verteidigen! Ich selbst hatte dies jedoch nie getan und wollte es auch nicht.

      »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Heinos Sohn schuldig ist!«, sagte Papa. »Ich kenne ihn zwar kaum, aber das erscheint mir doch sehr abwegig! Der Typ kann sich jede Frau kaufen, die er will!«

      Ich schnaubte.

      »Wenn er auf Erniedrigung steht, bringt ihm sein Geld auch nichts!«

      »Das Opfer ist eine Ex-Prostituierte! Die will sich bereichern! Und weil ihre Erpressung nicht fruchtet, fährt sie ihm jetzt an den Karren!«

      Ich seufzte. Durchaus denkbar! Aber ich war auch niemand, der sich gern von Vorurteilen lenken ließ, wenngleich ich durchaus hatte lernen müssen, dass sie meistens eben doch zutrafen.

      »Also!«, sagte Vater. »Fahr zu ihm!«

      *

      Claas von Seefeldt erwartete mich im kahlen Besprech-ungszimmer des Untersu-chungsgefängnisses. Er war sehr blass, und mit seinen dunklen Haaren wirkte sein Teint bleich.

      Es gibt die Meinung, dass man Vergewaltiger und überhaupt Perverse auf einen Blick erkennen könne. Ich teile diese Ansicht. Und bei Claas dachte ich sofort: Ja! Er war‘s! Ich kann nicht so genau sagen, woran ich es festmachte. Es war das Gesamtpaket, denke ich. Die Gesichtszüge, die Körperhaltung, der Blick. Ja, vor allem in den Augen kann man es lesen. Claas hatte diese Augen: irgendwie lag ein unheimliches Flackern darin. Ich kann es anders nicht ausdrücken.

      Er stand auf und gab mir die Hand. Seine Stimme überraschte mich. Sie war tief und wohlklingend.

      »Sarah Wagenschmidt!«, stellte ich mich vor.

      Sein Händedruck war fest und selbstbewusst.

      »Ja, ich weiß! Sie sind die Tochter von Hajo, einem Freund meines Vaters! Danke, dass Sie den Fall übernehmen!«

      Ich öffnete meine Aktentasche und holte die Ermittlungsunterlagen heraus.

      »Dann schildern Sie die Sache doch einfach mal aus Ihrer Sicht!«

      Selbstverständlich hatte ich mich zwischenzeitlich mit dem Fall vertraut gemacht. Am Vorabend war eine gewisse Lucy Bartek bei der Polizei erschienen und hatte Anzeige wegen Vergewaltigung gegen Claas von Seefeldt erstattet. Sie wies am gesamten Körper Verletzungen und Häma-tome auf. Die gynäkologische Unter-suchung ergab, dass sie eindeutig Geschlechtsverkehr gehabt hatte, ob nun freiwillig oder nicht, das war nicht festzustellen. Mit dem Beschul-digten habe sie seit Längerem verkehrt, dabei sei er von Mal zu Mal brutaler vorgegangen, bis es nun – beim letzten Treffen – zu einer Ver-gewaltigung gekommen sei. Sie hatte keine Vorstrafen, war aber mehrfach wegen Prostitution aufgegriffen worden.

      »Ich kenn die Lucy… Frau Bartek… schon aus Schulzeiten«, sagte Claas. »Das heißt, sie besuchte die Haupt-schule neben dem Gymnasium, auf das ich ging. Sie und ihre Freundinnen lungerten ständig vor meiner Schule herum. Sie legten es drauf an, uns zu gefallen. Na ja, einige waren auch recht hübsch!«

      »Hatten Sie eine Beziehung mit ihr?«

      »Nein, weiß Gott nicht! Eigentlich war sie mir eher lästig. Ich war ziemlich froh, als sie aus meinem Umfeld verschwand!«

      »Das war’s?«, fragte ich.

      »Nein! Vor ein paar Wochen traf ich sie zufällig wieder. Sie erkannte mich sofort, tat, als seien wir alte Freunde!«

      Er stockte, schien zu überlegen, wie er fortfahren sollte.

      »Sie merkte wohl schnell, dass ich nichts mit ihr zu tun haben wollte. Dabei bettelte sie mich regelrecht an, mit ihr ins Bett zu gehen. Sie war auf meine Kohle scharf, das war allzu offensichtlich. Ich ließ sie einfach stehen!«

      »Das scheint mir noch kein Grund, jemandem ein Verbrechen anzuhängen!«

      »Natürlich nicht. Aber Lucy, die tickte nicht mehr richtig! Ich kann es mir selbst kaum erklären!«

      Er raufte sich die Haare und vergrub das Gesicht in seinen Händen. Er wirkte wahrlich nicht wie ein reiches Söhnchen, das es gewohnt war, von Papi überall herausgehauen zu werden. Wie er da zusammengekauert vor mir hockte, erkannte ich einen Mann, dem absolut klar war, dass er sich in einer Notlage befand.

      »Ich war das nicht!«, stöhnte er. »Ich weiß, Sie kennen mich nicht und können mich sicher noch nicht einschätzen, aber ich gebe Ihnen mein Wort, dass ich Lucy nicht vergewaltigt habe. Ich gebe aber auch zu, dass ich im Moment die allergrößte Lust verspüre, sie zu verprügeln!«

      Ich