Тотеnтаnz / Пляска смерти. Книга для чтения на немецком языке. Бернгард Келлерман

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Priesterseminar». fragte sie. Fabian sprach nur ungern von dieser Epoche seines Lebens. «Ziemlich lang», antwortete er. «Ich stand dicht vor der ersten Weihe».

      «Und weshalb haben Sie Ihre Absicht wieder aufgegeben, Priester zu werden». forschte Christa weiter, während sie Fabian mit einem Lächeln ermutigte.

      Fabian wurde verlegen. «Nun, ich war unterdessen älter geworden und zur Einsicht gekommen, dass ich nicht die nötige Eignung zum Priester besa», erwiderte er.

      «Nicht die nötige Eignung».

      «Nein. Ich fand, dass ich zu weltlich gesinnt war. Es fehlte mir der entsagungsvolle Charakter, den ein Priester haben muss».

      «Gut, dass Sie rechtzeitig zu dieser Erkenntnis kame», erwiderte Christa und lächelte. «Nur auf Wahrheit und Lauterkeit lässt sich ein Leben aufbauen, pflegt Mama oft zu sagen».

      Christa wandte sich wieder den Photos zu. «Das hie», begann sie von neuem, indem sie auf einen Stoß von Abzügen gleichen Formats deutete, «sind die Aufnahmen vom letzten Winter, den wir auf Palma de Mallorca[57] verbrachten. In diesem Dom hie», fuhr sie fort, «der berühmten Kathedrale von Palma de Mallorca, habe ich eines der tiefsten Erlebnisse meines Lebens gehabt. Hören Sie zu! Wir wohnten der Christnachtmesse bei, Mama und ich. Es war unvergesslich – einfach unvergesslich».

      Und Christa erzählte, dass tausend Kerzenflammen den mächtigen Dom erhellten. Hunderte von armdicken Kerzen brannten auf dem Hauptaltar, und doch waren die ungeheuren Umrisse des Kirchenschiffes kaum zu ahnen. Auch von der dichtgedrängten Menge sah man nicht mehr als schattenhafte Umrisse. Die Männer knieten im linken Kirchenschiff, auch ihre Bekannten, Ärzte, Anwälte, die höchsten Beamten, sonst so vornehme Herren, alle knieten, die Frauen in ihren dunklen, spanischen Mantillen knieten auf der rechten Seite. Auch sie knieten, ihre Mutter und sie. Priester wandelten die Stufen zum Hauptaltar auf und nieder, der Bischof zelebrierte die Messe. Eine Unzahl von Ministranten bewegte sich lautlos beim Altar, der Weinrauch stieg im Schein der Kerzenflammen in die Höhe, die helle Glocke klingelte, ein Buch wurde feierlich hin und her getragen. Und das alte Latein, es hatte einen feierlichen, nie gehörten Klang! Herrlich erzählte Christa.

      «Die Orgel ertönte! Ich weiß nicht, ob Sie wissen, dass der Dom von Palma eine der größten und wunderbarsten Orgeln der Welt besitzt? Diese Orgel konnte mehr als ein Mensch, sie konnte flüstern, seufzen, schluchzen, schreien, wimmern, lachen, weinen, frohlocken, jubeln, was konnte sie nicht? Ja, sie konnte noch mehr als ein Mensch, sie konnte brausen, donnern, rasen, verdammen und segnen. Wenn Gott eine Stimme hätte, so müsste er reden! Ein Mönch saß oben bei der Orgel, der berühmte Franziskaner[58] Francesco, einer der größten und unübertroffensten Meister nicht nur Spaniens, sondern der Welt. Unvergesslich wird mir für immer sein Spiel in dem von Tausenden von Kerzen erleuchteten Dom bleiben! Und das beschwörende alte Latein, es war wie ein Fest im Himmel». Sie hielt inne.

      «Ich kenne den Wortlaut der Messe sehr gu», sagte Fabian halblaut und nickte, völlig benommen von ihrer Schilderung.

      «Alle Leute weinten vor Ergriffenhei», schloss Christa, «auch Mama weinte, die niemals weint. Und auch ich weinte, dass mir die Tränen übers Gesicht liefen, überwältigt wie alle». Sie blickte Fabian an und lächelte.

      Ihr Gesicht war blasser geworden und spiegelte in allen Zügen so klar ihre Erregung wider, dass es sich verwandelte und förmlich verklärte. Niemals hatte Fabian ihr Gesicht so gesehen, niemals hatte er ein menschliches Antlitz so wahr gesehen.

      Lange blieben sie still. Fabian wagte nicht, sich zu bewegen. Er blickte in ihr verändertes, verklärtes Gesicht.

      Ich liebe diese Frau, dachte er. Ja, nun weiß ich, dass ich sie liebe.

      XX

      Noch am gleichen Abend schrieb Fabian einen Brief an Christa, aber er empfand schon beim Schreiben, dass es ihm nicht gelang, die Gedanken und Empfindungen, die ihn bewegten, auszudrücken. Immer sah er ihr verändertes, verklärtes Gesicht vor sich und zerriss dreimal den Brief. Er ging spät schlafen, aber unaufhörlich sah er ihr verklärtes Gesicht, ob er die Augen offenhielt oder schloss. Ja, bei Gott, er liebte diese Frau! Am nächsten Morgen erstand er einen Strauß herrlicher Marschall-Niel-Rosen[59], die er mit seinem Kärtchen, das nur wenige Worte trug, an Christa senden ließ.

      Christa fand die Rosen in ihrem Zimmer, als sie ihre Mutter von der Bahn abgeholt hatte, und war hocherfreut darüber. «Dank für die Christmesse auf Palma de Mallorc», stand auf der Karte. Nichts sonst. Sie wählte drei der herrlichsten Rosen aus dem Strauß und brachte sie hinunter zu ihrer Mutter.

      «Mam», rief sie erfreut aus, «ich bin erst jetzt in der Lage, dich würdig willkommen zu heißen». Sie beugte ein Knie und überreichte ihrer Mutter die Rosen mit einer reizenden Geste. «Lass die Faxen, Christ», erwiderte lachend Frau Beate, die noch müde von der Reise war. «Woher hast du denn die herrlichen Rosen bekommen».

      Christa erhob sich. «O», sagte sie, «ich fand einen riesigen Strauß auf meinem Zimmer. Ein Verehrer hat sie mir geschick», fügte sie hinzu und wurde plötzlich rot.

      «Ein Verehrer? Ich sehe, die Männer sind immer noch so verrückt wie vor zweitausend Jahren».

      Christa tat ein wenig gekränkt. «Aber es ist ein Verehrer, der mir außerordentlich sympathisch ist, Mama». entgegnete sie.

      Zweites Buch

      I

      Die große Rede, mit der Taubenhaus sich im Rathaussaal der Stadt vorstellte, war ohne Zweifel ein bedeutender Erfolg. Auf elf Uhr war die Ansprache angesetzt, aber bereits eine halbe Stunde vorher sah man Scharen von Geladenen die Treppe des Rathauses emporsteigen.

      Fabian war schon früh auf den Beinen. Er brauchte fast eine Stunde, um sich für die Feier in Gala zu werfen[60]. Heute wollte er zum erstenmal seine neue Uniform vorführen, die Menschen sollten staunen. Die Breeches, die scharf wie Messer auf den Schenkeln abstanden, gaben ihm das verwegene und herausfordernde Aussehen eines Menschen, mit dem nicht zu spaßen ist. Außerordentlich gut kleidete ihn der Rock, der seine Schultern breiter und kräftiger erscheinen ließ. Dieser kleine weißhaarige März war wirklich ein Künstler in seinem Fach, man konnte sagen, was man wollte. Seine Ordensauszeichnungen putzte Fabian mit einem Läppchen, bevor er sie anlegte, das Eiserne Erster trug er links unten an der Brust, wie es sich gehörte. Geschniegelt und gebügelt, sah er wahrhaftig stattlich aus. Er war nicht mehr als ein schlichter Soldat der Partei und wollte auch gar nicht mehr sein, man sollte nur seinen guten Willen sehen, der Idee zu dienen, alles andere würde sich ja finden. Ehrgeizige Ambitionen lagen ihm fern, aber man konnte schließlich nicht von ihm verlangen, den Offizier zu verleugnen, der er nun einmal war. In seiner Uniform, mit seinen Orden und seiner soldatischen Haltung musste man ihn unbedingt für einen hohen Kommandeur halten.

      Als er sich anschickte zu gehen, kam Clotilde auf den Korridor, im eleganten Mantel, einen Silberfuchs um die Schultern gelegt, den Hut auf dem Kopf. Dieser Hut war ein kunstvolles Gebäude von hellbraunen Samtschleifen, die beim Gehen lustig auf ihrem blonden Haarschopf wippten.

      «Nimm mich mit, bitte! Es wird doch das beste sein, wenn ich gleich mit dir komm», rief sie, als sei es die alltäglichste Sache der Welt, dass sie ihn begleite. «Bitt», erwiderte er und öffnete ihr höflich die Tür. Clotilde befand sich in angeregter, vorzüglicher Laune. Das bevorstehende Ereignis regte sie auf wie eine Premiere im Theater. Befriedigt schritt sie an der Seite ihres Gatten einher und genoss die erstaunten und anerkennenden Blicke, die man ihm zuwarf. Also auch er ist bei der Partei! Es war zum ersten Mal seit vielen Wochen, dass man sie zusammen auf der Straße sah. Nun, etwas war in ihrer Ehe nicht in Ordnung, das wusste die ganze Stadt, aber schließlich war ja heute ein besonderer Tag. Clotilde hielt manchmal den Schritt an und musterte ihren Mann mit prüfenden Blicken. Ohne Tadel, wahrhaftig, ohne den geringsten Tadel! Mit solch einem Mann konnte man sich recht gut auf der Straße sehen lassen!

      «Vorzüglich siehst du aus». sagte sie voll aufrichtiger Anerkennung. Es war seit langer Zeit



<p>57</p>

Palma de Mallorca – Пальма-де-Мальорка, испанский курорт

<p>58</p>

Franziskaner m – францисканец, член католического монашеского ордена

<p>59</p>

Marschal-Niel-Rosen – розы, названные в честь французского маршала Адольфа Нила

<p>60</p>

sich in Gala werfen – принарядиться, надеть парадный костюм