GRIMWEAVE – Das Monster der grünen Hölle. Tim Curran

Читать онлайн.
Название GRIMWEAVE – Das Monster der grünen Hölle
Автор произведения Tim Curran
Жанр Ужасы и Мистика
Серия
Издательство Ужасы и Мистика
Год выпуска 0
isbn 9783958353848



Скачать книгу

zu fallen mit ihrer ganzen Ausrüstung. Jedenfalls war es für Spiers so. Carmody bewegte sich vorwärts wie ein Kind, trittsicher und mit tadelloser Balance. Plötzlich hielt Carmody eine Hand hoch und Spiers stand sofort still. Sein Herz klopfte, er stand bis zu den Knien im Schlamm. Wenn sie jetzt auf den Feind träfen, wäre er ein toter Mann. Nach einem Augenblick winkte Carmody ihn zu sich.

      »Siehst du das?«, fragte er.

      Ja, Spiers konnte es auch sehen, auf einem flachen Blatt waren ein paar Tropfen Blut zu erkennen. Dahinter eine deutliche Spur durch die Farnwedel. Viele Zweige waren dort abgebrochen, Blätter umgeknickt, mit der hellen Seite nach oben. Ein verfaulter Stamm lag umgedreht mit der dunklen Seite nach oben. Da ist jemand eilig durchgelaufen. Jemand, der blindlings durch den Dschungel rannte, ohne sich umzuschauen und seine Spur zu verwischen.

      Es war die Art von Spur, die eine verletzte und verzweifelte Person hinterlassen würde. Carmody grinste und bewegte sich langsam und vorsichtig geduckt weiter. Die Augen und Ohren offen und mit der Nase voran wie ein Jagdhund auf der Spur einer Beutelratte. Er sah nicht nur Blut, wusste Spiers, er roch es auch, und nichts würde ihn mehr aufhalten. Er war unbarmherzig, wenn er dem Feind auf der Spur war, absolut unbarmherzig. Wenn er jemanden verfolgte, war er knallhart und ein teuflischer Killer. Jetzt gab es kein Zurück mehr, er würde nicht eher ruhen, bis er den Offizier plattgemacht hatte. Es war undenkbar für ihn, so wie Sex ohne Orgasmus.

      Kapitel 3

      Carmody wurde immer aufgeregter. Man sah es ihm äußerlich zwar nicht an, doch innerlich konnte er sich kaum zurückhalten, da er jetzt wusste, wo sein Ziel war. Das Jagen eines Menschen war nicht nur eine Wissenschaft für sich, sondern eben auch das Lesen einer Blutspur. Als sie die Verfolgung nun aufnahmen, sah das Blut des Mannes trocken und dunkel aus. Das bedeutete, dass es schon älter war. Doch je länger sie der Spur folgten – und sie hatten eine heiße Spur hier – desto frischer wurde es. Klebriges und nasses Blut. Carmody entdeckte immer mehr davon. Der Offizier musste ziemlich stark bluten. Bald würde er leuchtend rotes Blut sehen, das noch voller Sauerstoffbläschen war, und wenn er das sehen würde, dann war er bereit für den letzten Schuss.

      Spiers hatte recht behalten mit seiner Behauptung, dass der Vietcong einen guten Schuss abbekommen hatte. Carmody konnte es daran erkennen, dass der Typ viel Blut verlor und die Art und Weise wie er durch den Dschungel stolperte. Er war in regelrechter Panik, da er wusste, dass er verfolgt wurde. Er starb wahrscheinlich sowieso, aber der Überlebenswille schleppte ihn voran wie ein verwundetes Tier. Er würde nicht eher aufgeben, bis er zu viel Blut verloren hätte und zu schwach wäre, oder bis zu dem Punkt, an dem er keine andere Wahl hätte, als sich wie ein Tier einen Platz zum Sterben zu suchen.

      Es war Carmodys größte Sorge, dass der Offizier – sein Opfer, soweit es ihn betraf – sterben würde, bevor er ihn erreichte. Das wäre extrem enttäuschend für einen Kerl wie Carmody, der nicht nur seine Gegner wissen lassen wollte, dass sie getötet wurden, sondern auch von wem. Bei seiner Verfolgung durch das Dickicht und der Blutspur konnte er nicht erkennen, ob der VC angehalten hatte, um seine Wunden zu versorgen. Vielleicht machte er das während des Laufens. Das wäre natürlich möglich. Manche dieser Bastarde waren zähe Schweinehunde. Aber die Tatsache, dass Carmody keine Anzeichen von Verzögerung in der Flucht des Offiziers erkennen konnte, ließ ihn vermuten, dass noch genug Leben in ihm war, und das ließ ihn lächeln. Du kleiner Hosenscheißer bereitest mir das größte Vergnügen seit Wochen. Es machte Spaß, aber es war auch ein ernstes Geschäft und man musste pragmatisch und überlegt handeln. Carmody war angespannt, aber auf eine positive Art, verbunden mit Aufregung, doch er wusste, er musste auf der Hut sein und durfte keinen Fehler machen.

      Dieser schlitzäugige Offizier war wie jeder andere Soldat auch. Wenn man wusste, dass man stirbt, dann will man das nicht allein, und er hatte vielleicht entschieden, seine Verfolger mit in den Tod zu reißen. Das Letzte, was Carmody wollte, war in eine Falle zu treten und mit einer AK-47 aufgeschlitzt zu werden. Folglich bewegte er sich ruhig und vorsichtig, mit geschärften Sinnen. Er konnte Spiers hinter sich hören. Der machte nicht viel Lärm, aber mehr als Carmody lieb war. Spiers war ein guter Mann. Carmody würde schon noch einen richtigen Marine aus ihm machen, auf die eine oder andere Weise. Er würde einen erstklassigen Kundschafter-Scharfschützen aus ihm machen, ob er es nun wollte oder nicht. Ja, Carmody wusste, dass er das nicht mochte. Nicht wirklich. Er selbst war das Ergebnis seiner Generation und des Krieges. Diese neuen Jungs wollten losziehen, Erfahrungen sammeln, einen VC töten und rechtzeitig zum Essen wieder im Kamp sein, sich dann besaufen und einen schlampigen Blowjob bekommen. Doch das machte ihm Sorgen bei den Nachwuchs-Marines. Sie schienen die Härte der alten Schule nicht zu begreifen. Zu viel Technik, zu viele raffinierte Spielsachen.

      Manchmal ertappte er sich dabei, dass er den leichten Weg ging und sich anpasste. In Korea waren Kundschafter-Scharfschützen-Teams tagelang auf Mission unterwegs gewesen, doch in Vietnam war es anders. Hier waren es für gewöhnlich Tagestouren. Die Helis machten es möglich. Es gab wenige Nachteinsätze. Ab und an ging er mit einer Platoon- oder Einsatztruppe raus, immer auf der Jagd nach VC- oder NVA-Vorhut oder Kundschafter. Es war sein Job, diese kaltzumachen, und er liebte es. Aber es war mehr ein schnelles Zielen und Schießen und man benötigte dafür nicht wirkliches Können, keine Strategie oder Taktik. Der befehlshabende Offizier schrie: »Scharfschütze rauf«, und sagte ihm, wo er gefordert wurde. Wie er es machte, war seine Sache. Hauptsache er erledigte seinen Job. Das war ja ganz okay, aber es gab ihm nicht das gleiche Gefühl wie mit einem fünfköpfigen Jäger-Killer-Team in den Dschungel zu ziehen und nach möglichen Zielen Ausschau zu halten, oder so wie er und Spiers als Kundschafter-Scharfschützen-Team nach einem bestimmten Ziel zu jagen. Das waren die guten Jobs. Carmody mochte es so am liebsten, nur sie beide. Zwei Kerle konnten ernsthaften Schaden anrichten, waren aber wesentlich schwerer zu verfolgen im dichten Dschungel. Es war wie das berühmte Katz-und-Maus-Spiel, für das Carmody lebte. Er war gut darin und wusste es. Er wollte nicht mal darüber nachdenken, wie viele Stunden er auf irgendwelchen Hügeln auf seine Opfer gelauert hatte, ohne sich zu bewegen, kaum atmend, sich selbst einnässend, damit er seine Position nicht verriet, während Käfer über ihn krabbelten und Schlangen nicht ahnten, dass er etwas anderes als ein Stück Holz war, und an ihm vorbeiglitten. Das war nicht für jeden etwas. Wenige hatten die Nerven oder die Geduld dafür. Besonders Jungs, die möglichst schnell einen Sieg fürs Team verbuchen und dann zurück zum Kamp wollten, um sich zu besaufen und ihren Sieg zu feiern. Carmody war lange genug bei den Marines. Er hatte jetzt einen Schreibtischjob und war nur dann draußen im Gelände, wenn er seine Beziehungen spielen ließ und Gefälligkeiten einforderte. Dort war er einer der Besten, als Schreibtischtäter war er völlig nutzlos.

      Was war das?

      Er sah etwas Blut auf einem Farnblatt. Frisches Blut. Doch das war nicht, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Da war etwas anderes. Im Gras sah er einen weißen Faden glitzern. Stolperdraht? Er gab Spiers das Zeichen zum Stehenbleiben und kroch auf dem Bauch näher heran. Er spürte das Wasser durch seine Ausrüstung dringen. Der Draht war mit nichts verbunden. Er lag einfach nur da. Mit der Messerklinge befreite er das Stück und nahm es in die Hand. Es war klebrig und doch irgendwie seidig. Er versuchte es zu zerreißen, doch das war nicht möglich. Zuerst dachte er an Spinnweben, aber das war es auch nicht. Es war auch kein Draht … nicht wirklich! Es war so etwas wie eine Angelschnur aus Kunststoff, nur sehr viel dünner. Er zerschnitt es mit seinem Messer, allerdings musste er es regelrecht durchsägen. Dabei war seine Klinge scharf genug, um Kehlen zu durchschneiden. Ein seltsames Zeugs. Es könnte ein neuartiger Draht sein, aber wenn dem so wäre, dann würden es die Viets kaum benutzen. Alles, was sie hatten, war erbettelt, geliehen oder gestohlen. Er winkte Spiers zu sich.

      »Was ist das denn für eine Scheiße?«, fragte Spiers.

      »Keine Ahnung. Vielleicht etwas Synthetisches.«

      Spiers nahm es in die Hand und ließ es gleich wieder fallen. Es gefiel ihm nicht. Carmody schaut in die Bäume hinauf. Er spürte eine Bewegung. Für einen kurzen Moment dachte er, er hätte einen Schatten in den Baumkronen gesehen, aber da war nichts. Vielleicht war es ein Affe. Er starrte weiter beobachtend nach oben und spürte, wie ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief, den er sich nicht erklären konnte. Es war unmöglich für